Wir werden das Auto de-karbonisieren

von Dr. Herbert Diess

Die globale Automobilindustrie steckt in der tiefgreifendsten Transformation ihrer über 100-jährigen Geschichte. Diesen Satz haben wir oft gelesen und gehört – und dennoch wird vielen erst allmählich klar, welche Tragweite der Umbruch hat.

Konkret steht unsere Industrie vor drei fundamentalen Herausforderungen. Erstens dem Umstieg auf alternative Antriebe, um die individuelle Mobilität emissionsfrei und klimaneutral zu gestalten. Zweitens der Digitalisierung des Autos mit all ihren Facetten – von der Vernetzung in digitalen Ökosystemen bin hin zu intelligenten Diensten im und um das Fahrzeug. Das Auto wird zum Internet-Device auf Rädern. Der dritte Transformationsschritt ist das Autonome Fahren, das hunderttausende von professionellen Fahrern in Taxen, Bussen und Transportern Schritt für Schritt ersetzen wird. Und selbst diejenigen Autofahrer, die noch selbst hinter dem Steuer sitzen, werden bis dahin viele Routineaufgaben an Assistenzsystemen übergehen haben und nur noch in Grenzen selbst Verantwortung übernehmen.

Jede der drei Herausforderungen für sich allein genommen hätte bereits das Potenzial, die globale Automobilindustrie kräftig durchzuschütteln. Doch in ihrer Kombination wird daraus ein „perfekter Sturm“. Die Bewältigung dieser drei Transformationsschritte wird darüber entscheiden, wer künftig eine global führende Rolle als Mobilitätsanbieter spielen wird – und damit auch, ob die deutschen Hersteller ihre internationale Spitzenposition dauerhaft behaupten können.

Während die Digitalisierung und die Entwicklung selbstfahrender Autos vor allem ein Wettlauf zwischen etablierten Autoherstellern und neuen Spielern aus der Tech-Branche ist, so steht die globale Automobilindustrie beim Thema Umwelt- und Klimaschutz – den Politik, Regulatoren und Öffentlichkeit zu Recht von unserer Branche einfordern – für sich alleine in der Verantwortung.

Es genügt nicht, Autos CO2-neutral herzustellen, sie müssen auch CO2-neutral genutzt werden.

Autoindustrie kann die Welt nicht alleine retten – aber einen entscheidenden Beitrag leisten

Nach jüngsten Prognosen des Weltklimarats IPCC ist die durch die Emission von Treibhausgasen bedingte Erderwärmung nicht mehr aufzuhalten. Selbst unter größtmöglichen Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft wäre es allenfalls möglich, die Erderwärmung auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Bereits dies hätte erhebliche ökologische und wirtschaftliche Folgen. Eine weitere Erwärmung, selbst wenn sie unter dem auf dem Klimagipfel 2010 in Cancún festgeschriebenen Zwei-Grad-Ziel bliebe, wäre umso folgenreicher. Dennoch ist der globale CO2-Ausstoß seit 1990 kontinuierlich gestiegen.

Der Straßenverkehr hat einen Anteil von etwa 16 Prozent an den globalen CO2-Emissionen. Selbst wenn es uns gelänge, die individuelle Mobilität über Nacht emissionsfrei zu machen, würde dies den Klimawandel nicht aufhalten. Die Autoindustrie kann die Welt nicht alleine retten – aber wir können, wollen und werden unseren Beitrag leisten. Das Pariser Klimaschutzabkommen setzt klare Ziele auch für eine CO2- neutrale Mobilität. Diese Ziele sind die Maßgabe für unser Handeln.

Vor diesem Hintergrund ist es vollkommen richtig, einen breiten gesellschaftlichen und politischen Diskurs über Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte der individuellen Mobilität zu führen. Die in den vergangenen Monaten insbesondere in Deutschland geführte Debatte über Fahrverbote und Diesel-Nachrüstungen geht an den großen klimapolitischen Herausforderungen jedoch weitgehend vorbei.

NOX in Deutschland seit 1990 um 70 Prozent reduziert – CO2-Senkung größte Herausforderung

Denn wir haben primär kein Stickoxid-, sondern ein CO2-Problem. Die verkehrsbedingte NOX-Belastung in Deutschland konnte seit 1990 um 70 Prozent gesenkt werden, bei deutlich gestiegenem Verkehrsaufkommen. Stickoxide sind kein globales Problem, sondern die Grenzwerte werden punktuell in bestimmten Städten und dort auch nur an einzelnen Hotspots überschritten.

Das Maßnahmenpaket für saubere Luft, das wir gemeinsam mit der Bundesregierung auf den Weg gebracht haben, wirkt. Hinzu kommt die organische Erneuerung der Auto-Flotte, die eine weitere sukzessive Verringerung der Stickoxid-Emissionen mit sich bringen wird. Die Zahl der kritischen Städte und Hotspots geht zurück – und es gibt allen Grund zur Zuversicht, dass die Grenzwerte schon bald an den allermeisten Messpunkten eingehalten werden.

Dr. Herbert Diess
Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG und Vorsitzender des Markenvorstands Volkswagen Pkw