Vom Ingenieur zum Innovator – ein Interview mit Dr. Moritz Maier

Moritz Maier

Engineering trifft Softwareentwicklung: Wie Low Code die Automobilindustrie revolutioniert

Wie Methoden aus der Softwareentwicklung helfen können, die deutsche Automobilindustrie zu retten – das ist das Herzensthema von Dr. Moritz Maier, Co-Founder und Co-CEO von Synera. Er ist ein Pionier in der Verschmelzung von Engineering und Softwareentwicklung, ein Experte im Generativen Design und ein leidenschaftlicher Verfechter fortschrittlicher Technologie. Im Interview spricht er über die bahnbrechende Bedeutung von Low Code und Automatisierung für die Zukunft der Branche.

Deutschland ist eine Größe im Bereich Automobilherstellung, doch die internationale Konkurrenz wird immer härter. Wo sehen Sie Möglichkeiten, damit Deutschland als Automotive-Standort Spitzenreiter bleibt?

Die Automobilindustrie in Deutschland steht heute vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die sowohl technischer als auch wirtschaftlicher Natur sind. Eine der drängendsten Herausforderungen ist die Notwendigkeit, Innovationszyklen zu verkürzen. Dies erfordert eine verstärkte Zusammenarbeit und Anpassungsfähigkeit in der gesamten Industrie. Denn bisher benötigen die traditionellen linearen Entwicklungsprozesse bei Automobilherstellern und Zulieferern sehr viele Iterationsschleifen und Prozessbrüche zwischen den einzelnen Abteilungen und Systemen. Das kostet nicht nur Nerven, sondern auch wertvolle Zeit, die Ingenieur:innen lieber in Innovationen stecken sollten. Digitalisierung und Automatisierung, insbesondere mit einem einfach zu bedienenden Tool wie Low Code, können hier große Unterstützung bieten.

Wie muss man sich Low Code vorstellen und wie genau unterstützt das Automobilhersteller und Zulieferer bei der Entwicklung von Fahrzeugen?

Low Code ist eine visuelle und intuitive Programmiersprache. Sie erfordert kein spezielles Fachwissen und kann daher auch von Personen ohne Programmierkenntnisse verwendet werden. Ingenieur:innen – zum Beispiel in der Automobilindustrie – können mit Low Code wiederkehrende Aufgaben automatisieren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Designprozessen, die sich auf die Entwicklung genau einer Variante eines Teils mit bestimmten, festgelegten Spezifikationen konzentrieren, setzt unsere Herangehensweise bei Synera auf eine model-basierte Entwicklung. Das bedeutet, dass mit Hilfe von Low Code ein Workflow erstellt wird, der letztendlich automatisiert das Bauteil erzeugt. Auf diese Weise muss der Designprozess auch bei geringfügigen Änderungen der genauen Spezifikationen nicht mehr von vorne beginnen, sondern es können lediglich die Parameter des Workflows angepasst werden.

Wie lässt sich damit die Effizienz und Geschwindigkeit bei der Entwicklung neuer Fahrzeugmodelle steigern?

Das Schlagwort lautet hier Connected Engineering: Dank der Schnittstellen und Verknüpfungen zwischen Systemen können Ingenieur:innen Änderungen in einem Bruchteil der Zeit vornehmen. Wir sprechen hier von mehr als 70 Prozent Zeitersparnis im Durchschnitt. Das ermöglicht Ingenieur:innen, sich trotz Fachkräftemangel auf ihre kreativen und innovativen Tätigkeiten zu konzentrieren und letztlich schneller bessere Produkte zu entwerfen. Außerdem integriert unsere Low-Code-Plattform alle Daten, bestehende Tools und das Expertenwissen verschiedener Fachabteilungen auf einer Plattform in einem durchgehenden „Digital Thread“. Das heißt: Von Design über Konstruktion bis Testing gibt es keine Softwarebrüche mehr. Das demokratisiert Wissen und macht die Zusammenarbeit effizienter.

Die Automobilindustrie befindet sich im Umbruch und Themen wie Elektromobilität und Connected Cars bestimmen die Diskussion. Ist das auch ein Fall für Low-Code-Lösungen?

Auf jeden Fall. Hier kommen die Vorteile von Connected Engineering voll zum Tragen: Bei der Entwicklung von Batterien für Elektrofahrzeuge beispielsweise müssen mehrere Disziplinen eng koordiniert werden, um Energiedichte, Lebensdauer, Sicherheit und Kosten gegeneinander abzuwägen. Mit den Funktionen einer Low-Code-Plattform, wie unserer Lösung von Synera, lassen sich wiederkehrende Konstruktionsaufgaben wie Geometrieerstellung, Batteriezellanordnung, thermische und strukturelle Analyse sowie Verkabelung auf einer Plattform zusammenführen und automatisieren. Auch das Thema Connected Cars erfordert, wie der Name schon sagt, eine enge Zusammenarbeit verschiedenster Fachabteilungen.

Sie sagen von sich, dass Sie die Methoden der Softwareentwicklung in die Ingenieurswelt bringen. Ist dann Künstliche Intelligenz (KI) auch ein Thema für Sie?

Ja, es gibt bereits zahlreiche KI-Lösungen auf unserer Plattform. Unternehmen können bestehende KI-Modelle nutzen oder z.B. ihre eigenen Trainingsdaten mit Synera generieren und integrieren. Ein Anwendungsfall von Low Code und KI ist beispielsweise die Vorhersage des Kopfbelastungswertes (HIC) infolge eines Fahrzeugunfalls.  Unser Partner EDAG verkürzt die Entwicklungszeiten hierbei um mehr als 90% – von Monaten auf Tage.

Welche Rolle sehen Sie für Ihre Plattform in der Zukunft des Engineerings und wie wird sie die Industrie mitgestalten?

Die Zukunft des Engineerings durchläuft eine bedeutende Transformation und unsere Plattform positioniert sich als Schlüsselfaktor in diesem Wandel.  Zeitgenössische Ingenieur:innen entwickeln sich von  reinen Tool-Nutzer:innen hin zu Kurator:innen, die Algorithmen und KI steuern und kontrollieren. Obwohl viele Ingenieur:innen über Fachwissen verfügen, fehlt es ihnen dabei an Programmierfähigkeiten. Unsere Low-Code-Plattform schließt diese Lücke, indem sie Ingenieur:innen den Zugriff auf Automatisierung, KI und Daten erleichtert, ohne tiefgreifend programmieren zu müssen. Damit spielt sie eine zentrale Rolle bei der der agilen Ausrichtung in der Hardwareentwicklung und hilft, die Automobilindustrie in eine neue Ära zu führen.

Über Dr. Moritz Maier

Dr. Moritz Maier, Co-Gründer und Geschäftsführer von Synera, hat eine Leidenschaft für die Verschmelzung von Engineering und Softwareentwicklung. Mit seiner fundierten Erfahrung als Entwicklungsingenieur und Senior Consultant im Generativen Design setzt er kontinuierlich neue Maßstäbe in der Branche. Seine Promotion in Produktentwicklungsprozessen und sein Engagement in der wissenschaftlichen Forschung bezeugen seinen Einsatz für fortschrittliche Technologie. Sein zentrales Anliegen bleibt dabei stets die Befähigung von Ingenieur:innen, technologische Kompetenzen zu erweitern und so die zukünftigen Herausforderungen zu meistern.

Über Synera

Synera ist eine Low-Code-Engineering-Plattform für die vollständige Prozessautomatisierung. Ingenieur:innen können die visuelle Programmierumgebung nutzen, um wiederkehrende Aufgaben in allen Bereichen zu automatisieren. Im Gegensatz zu traditionellen Designprozessen nutzt Synera eine algorithmenbasierte Modellierung. Dies ermöglicht es Ingenieur:innen, sich auf ihre kreativen Tätigkeiten zu konzentrieren und letztlich schneller bessere Produkte zu entwerfen. Synera integriert alle Daten und das Expertenwissen in den Entwicklungsprozess und bietet Ingenieur:innen technische Möglichkeiten, die sonst nur Softwareentwicklern zur Verfügung stehen. Das in Bremen ansässige Unternehmen unterstützt Anwender:innen in einer Vielzahl von Branchen, darunter die Automobilindustrie, die Luft- und Raumfahrt und die Konsumgüterindustrie.