Die Zukunft wird grün

Gastbeitrag von Carlo Lazzarini, CEO und Vorstandsvorsitzender, PWO-Gruppe | Artikel aus dem Handelsblatt Journal „Die Zukunft der Automobilindustrie“ vom 25.10.2023

Die Innovationen und Ideen für die grüne Mobilität sind da. Wir müssen aufhören, über Verbote und Gewohnheiten, über Ideologien und Beharren zu sprechen, und viel mehr über Chancen sprechen.

Was die Mobilität angeht, stehen wir vor zwei Fragen: Wie halten wir das Leben am Laufen? Und wie verhindern wir den Weltuntergang? Darunter machen wir es nicht. Und das ist das Bedauerliche: Dass wir uns immer
zwischen den Extremen bewegen. Wir sprechen über Verbote und Gewohnheiten, über Ideologien und Beharren.

Wir müssten aber viel mehr über Chancen sprechen.
Wir brauchen Mobilität. Menschen müssen zur Arbeit fahren. Menschen wollen reisen. Absatzmärkte sollen bedient werden, dafür müssen Waren und Güter transportiert werden. Auf der anderen Seite werden wir inzwischen sehr deutlich auf die Folgen des Klimawandels gestoßen. Und da gilt der Straßenverkehr als einer der großen Sünder. Zwischen 1990 und 2021 erhöhte sich der jährliche CO2-Ausstoß im Straßenverkehr EU-weit um 21 Prozent. Der Verkehr ist für etwa ein Viertel der gesamten CO₂-Emissionen der EU verantwortlich. Es hilft allerdings wenig, sich auf eine Seite zu schlagen. Es geht weder darum, alten Technologien nachzuhängen noch darum, sich selbst auf einer Straße festzukleben. Es geht um technologische Lösungen. Es geht darum, in der sehr hitzigen Debatte, einen kühlen Kopf zu bewahren – und Schritt für Schritt die Mobilität der Zukunft zu gestalten.

Die Aufgabe ist komplex. Sicher. Aber, sind es nicht gerade die komplexen Herausforderungen, die eine Gesellschaft voranbringen? Ist es nicht die beste Voraussetzung für Innovation vor einer vermeintlich unlösbaren Aufgabe zu stehen? Unternehmen in Deutschland haben sich immer dadurch ausgezeichnet, dass sie nicht nachgelassen haben, bis sie Lösungen für solche vermeintlich unlösbaren Probleme gefunden haben. Gerade die Leistung des deutschen Mittelstands besteht seit jeher darin, zukunftsweisende Wege zu bahnen – auch wenn die Politik nichts unversucht ließ, permanent Hürden aufzubauen. Da hat sich im Übrigen wenig geändert.

Dominanz der E-Mobilität?
Warum aber gelingt Unternehmen der technologische Wandel? Weil Unternehmen in Potenzialen denken. Und weil Unternehmen – und das unterscheidet sie von der Politik – bereit sind, sich zu hinterfragen. Ja Unternehmen sind sogar bereit, im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen. Weil sie wissen: Von alleine wird es nicht nachhaltig. Wer „grün“ handeln will, sollte auch „grün“ denken. Und die Zukunft unseres Planeten – nicht zuletzt die Vielzahl der verheerenden Naturkatastrophen im Jahr 2023 – zwingen uns dazu, neue, klimagerechte und zukunftsweisende Lösungen zu entwickeln. Zentrales Thema ist dabei natürlich die Antriebstechnologie. Die weltweite Tendenz deutet auf eine allmähliche Dominanz der E-Mobilität hin. Laut der Info-Datenbank „Electric Vehicle“ wurden 2022 weltweit 10,5 Millionen neue Stromer (darunter auch Plug-In-Hybride) ausgeliefert, eine Steigerung um 55 Prozent gegenüber 2021. Hauptreiber sind China (Steigerung um 82 Prozent) sowie Nordamerika (Steigerung um 48 Prozent). In Europa konnten die Voll- und Teilelektriker zwar nur um 15 Prozent zulegen. Dennoch scheint auch hier die Zeit der Verbrenner zu Ende zu gehen. Auf den wichtigen Märkten gewinnen die E-Autos und Hersteller wie Tesla oder BYD, sie eilen von Verkaufsrekord zu Verkaufsrekord. Das ist eine Entwicklung, die keinen kalt lässt. Manche in der Branche mögen vielleicht immer noch fremdeln. Aber die überwiegende Mehrheit hat sich längst auf den Weg gemacht, sowohl die Produktion als auch ihr Angebot „grüner“ zu konzipieren. Das gilt nicht nur für die großen Automobilfirmen, das gilt eben auch für Zulieferfirmen, von denen die PWO-Gruppe als Beispiel zu nennen ist. PWO ist ein klassischer deutscher Mittelständler, hoch innovativ, mit weltweit neun Standorten, 3000 Mitarbeitenden sowie einem klaren Fokus auf eine nachhaltige Transformation. Wir produzieren seit mehr als 100 Jahren Stahlkomponenten, die in Fahrzeugen verbaut werden – ohne die ein Auto kein Auto wäre. Im Vergleich zu anderen Akteuren haben wir bei PWO allerdings einen entscheidenden Vorteil. Wir sind vom Verbrennungsmotor vollständig unabhängig. Ganz gleich, ob Elektro- oder Verbrenner-Autos, Leichtmetall-Elemente werden in beiden Varianten benötigt. Mit neuen Komponenten für mobile sowie stationäre Brennstoffzellen und Wärmepumpen tragen wir nun auch aktiv zu einem geringeren Einsatz fossiler Brennstoffe bei. Aber das sind nicht die einzigen Gründe, weshalb wir uns gut gerüstet sehen.

Im Durchschnitt 20 Prozent leichter
Ein anderer Grund ist die Innovationskraft. Und da ist Leichtbau das entscheidende Stichwort. Unsere Komponenten und Subsysteme sind mindestens 20 Prozent leichter als herkömmliche Elemente. Wir verwenden weniger Rohstoff für das Produkt und erzielen dennoch die gleiche Stabilität und Funktionalität. Und weil unsere Lösungen leichter sind, sind die Fahrzeuge leichter, weswegen sie weniger Energie benötigen. Das alles ist effizienter und vor allem macht es das Fahren nachhaltiger. Hoch- und höchstfeste Stähle oder auch innovative Kombinationen von Stahl und anderen Metallblechen werden beispielsweise bei den Metallstrukturen von Sitzen verwendet, bei Druckspeichern von Luftfederungen oder auch bei Instrumententafelträgern. Leichtbau-Komponenten sind in jedem Fall einer der Treiber der „grünen Mobilität“. Ein anderer ist die Wiederverwertbarkeit.

Stahl ist unendlich recyclebar
Inzwischen erkennen wir in vielen Bereichen, dass eine „Wegwerfkultur“, eine Verschwendung von nicht nachwachsenden Ressourcen kontraproduktiv ist. Auch hier gibt es große Potenziale in der Automobil- und Zulieferbranche. Stahl ist beispielsweise unendlich oft recyclebar. Stahl gehört zu den Materialien mit einem geschlossenen Wiederverwertungskreislauf, ganz ohne Einbußen bei Qualität. Das macht Stahl tatsächlich zu einem nachhaltigen Rohstoff, quasi ein Sinnbild der Kreislaufwirtschaft. Auch so kann die Mobilität „grüner“ werden. Entscheidend im Hinblick auf Nachhaltigkeit, ist für jedes Unternehmen jedoch: sich selbst hohe Ziele setzen. Wie viele andere Unternehmen auch, haben wir uns der Science Based Targets initiative (SBTi) angeschlossen. Wir wollen eine absolute Reduzierung der direkten Emissionen sowie der indirekten Emissionen aus dem Verbrauch. Dazu gehört auch, Energie einzusparen, die Energieeffizienz unserer Prozesse weiter zu steigern und auf Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu setzen. Unsere Standorte in Deutschland und Tschechien haben wir bereits komplett auf Ökostrom  umgestellt, weitere Standorte folgen – und an neuen Standorten setzen wir von Anfang an nur Ökostrom ein. Was die Reduzierung der Emissionen innerhalb der Wertschöpfungskette betrifft, setzen wir – wie andere Unternehmen auch – mittelfristig auf CO2-reduzierten, so genannten „grünen Stahl“, der die Mobilität endgültig „grün“ werden lassen wird. Es liegt nun an der Politik, Hürden aus dem Weg zu räumen, damit der Einsatz des „grünen Stahls“ möglichst schnell wirtschaftlich ist. Die Bereitschaft der Unternehmen ist da. Nun muss die Umstellung der Produktionsverfahren in der Stahlindustrie gefördert werden. Die Innovationen und Ideen sind da. Politik und Unternehmen sollten nun die Chancen nutzen. ■

Wer „grün“ handeln will, sollte auch „grün“ denken.