Wer Großes will, muss Großes denken und vor allem Großes tun

von Stephan Kamphues

In Deutschland hat die überwiegende Mehrheit verstanden, dass Klimaschutz wichtig und richtig ist. Daher sind auch ganz viele Bürger in diesem Land für die Energiewende. In Deutschland hat inzwischen aber auch die überwiegende Mehrheit gelernt, dass das Formulieren von Zielen nicht dasselbe ist wie das Erreichen dieser Ziele.

Deutschland erreicht seine Klimaziele für 2020 nicht. Das Jahr 2030 scheint weit weg. Der Eindruck trügt jedoch, weil die Energiewendeumbaumaßnahmen einfach aufwändig sind – und das mit Blick auf Zeit, Kapazitäten und Geld. Auch muss klar sein, dass das Nichterreichen der selbstgesteckten 2020-Ziele das Erreichen der 2030-Ziele zusätzlich erschwert. Wieso? Weil ein Zug, der jetzt schon zu langsam ist, um den ersten Bahnhof auf seinem Weg noch rechtzeitig erreichen zu können, zusätzlichen Anschub und viel Glück benötigt, um dann den zweiten Bahnhof wundersamer Weise pünktlich anzufahren.

Fakt ist, wir müssen uns noch mehr anstrengen, um die Energiewende zu realisieren und die Klimaschutzziele zu erreichen. Wir sollten aber, nur weil die Aufgabe uns inzwischen schwieriger erscheint, nicht vergessen, dass diese Herausforderung grundsätzlich lösbar ist. Ich vermisse in diesem Land die Diskussion um das JETZT und das effizienteste WIE. Wir reden sehr viel darüber, was irgendwann sein soll. Wer Großes will, muss Großes denken – das ist richtig. Viel wichtiger aber ist es, dann auch Großes zu tun.

In der Debatte über Ziele tritt bei uns allzu sehr die Beschreibung des Weges in den Hintergrund. Großes beginnt oft mit Kleinem – man könnte auch Naheliegendem sagen. Warum fällt es uns so schwer, die vorhandenen Infrastrukturen in den Bereichen Wärme, Mobilität, Erzeugung und Industrie konsequent für Erdgas und seine Anwendungen zu nutzen? Erdgasheizungen ersetzen Kohle- und Ölheizungen. Alte Gasheizungen werden durch neueste Brennwerttechnologie ausgewechselt. Erdgasautos lösen Diesel und Benziner ab. Im Ergebnis haben wir sofortigen signifikanten Klimaschutz – und das ohne komplett neue Infrastrukturen einzuführen. Und was noch? Gleichzeitig reden wir über grüne Gase, das Wasserstoffzeitalter und sinnvolle Stromlösungen – am besten natürlich integrierte Strom-Gas-Lösungen und nennen das dann Sektorenkopplung. Und wir werden sehen, dass wir nicht alle Visionäre sein müssen, um in der Sache voranzukommen. Aber wir müssen wollen, liefern und gelassen werden.

Stephan Kamphues, Geschäftsführer, Vier Gas Transport GmbH, Alleingesellschafter der Open Grid Europe GmbH