Jenseits vom Auspuff: Wie der Autosektor tatsächlich klimaneutral werden kann

ENGIE-Impact

Autorin: Anne Katrin Hagel, Direktorin, ENGIE Impact

2021 teilte die Europäische Kommission im Zuge des Green Deals mit, dass die verkehrsbedingten CO2-Emissionen bis 2050 um 90 % gesenkt werden müssten, um Klimaneutralität zu erreichen. Ohne Zweifel ein höchst ehrgeiziges Ziel – mit vielen Facetten. Eine davon ist natürlich die fortlaufende Wende zur Elektromobilität. Zur Dekarbonisierung des Auto- und Transportsektors gehört jedoch viel mehr. Was in der Produktion steckt, ist letztendlich genauso wichtig wie das, was aus dem Auspuff rauskommt.

Eins muss von vorne klar sein. Klimaneutralität kann nur Realität in der Autobranche werden, wenn OEMs entlang den ganzen Liefer-, Produktions- und Wertschöpfungsketten zusammenarbeiten. Viele Unternehmen sind schon dabei, die eigenen Scope-1- und Scope-2-Emissionen zu reduzieren. Dennoch, damit aus Vorsatz Wirklichkeit wird, müssen sie auch die Scope 3-Emissionen ihrer Zulieferer und Anbieter angehen. Ein heikles Unterfangen. Denn viele, insbesondere kleinere Partner haben nur begrenzten Einfluss auf ihre Zulieferer.

Wir bei ENGIE sprechen von drei Hauptwegen der Dekarbonisierung.

  1. Erstens: Obwohl Emissionen im Herstellungsprozess eines Fahrzeuges nur einen Bruchteil des gesamten CO2-Austosses darstellen, sind sie relativ leicht zu reduzieren, da sie unter der direkten Kontrolle des Herstellers stehen. Hier kann und soll man anfangen.
  2. Zweitens: Upstream-Lieferketten bieten diverse Gelegenheiten an, Emissionen zu senken, durch die Verwendung erneuerbaren Materials sowie durch die Schaffung von Partnerschaften und Ökosystemen, um Alternativen zum Stahl und zur Plastik, usw. zu finden.
  3. Drittens: Die Ziele der EC setzen eine umfassende Wende zur Green Mobility voraus, die weiter geht als lediglich der Übergang zu elektrischen oder wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen. Die ganze Herstellung eines Fahrzeugs muss klimaneutral sein und die Erneuerbarkeit seines gesamten Lebenszyklus gewährleistet werden. Das bedarf rigoroser, präziser, spezifischer und fachkundiger Planung.

Bei Scope-1- und Scope-2-Emissionen sind Instrumente wie On-Site Solar Implementation, Green Supply/Power Purchase Agreements (PPA) und Energy Savings as a Service (ESaaS) von zentraler Bedeutung. Besonders As-A-Service-Modelle können helfen, CAPEX-Grenzen während der Wende zur Klimaneutralität einzuhalten. Um Scope-3-Emissionen anzugehen, heißt der Anfang immer Supply Chain Mapping (Lieferantenzuordnung). Das erlaubt die Koordination über mehrere, sogar über Hunderte von Standorten, die unerlässlich ist, wenn der CO2-Fußabdruck großer Konzerne im Autobereich reduziert werden soll.

Um vernünftige Strategien zur Dekarbonisierung zu entwickeln, brauchen Unternehmen zuverlässige Kostenprognosen. Das verlangt vernünftige Einschätzungen zu zukünftigen Kommoditätskosten, Vergleiche mit „Business as Usual“-Szenarien und Ermittlungen des Bedarfs an neuen Technologien. Die Fragen sind: Wo wollen wir im Jahren 2040 sein? Wo werden wir sein, wenn wir nichts ändern? Was müssen wir tun, um die Situation positiv zu ändern? Und was sind die Kosten beider Alternativen?

Fallstudien

Für einen Klienten prognostiziert ENGIE zum Beispiel einen leichten Rückgang in Strompreisen bis 2030 und danach einen moderaten Anstieg bis 2040. Etwas Ähnliches dürfte der Fall sein mit Erdgas, obwohl der Preisanstieg wahrscheinlich etwas drastischer ausfällt. Ein weiterer Schritt bestand darin, die technischen Parameter bestehender Ausrüstung festzustellen, in diesem Fall u.a. Kühlungen, Wasserkocher und Wärmepumpen. Der finale Energiebedarf unterschiedlicher Bereiche und einzelner Einheiten wurde kalkuliert. Zum Schluss konnten wir Energiesparemaßnahmen in fünf Kategorien identifizieren, von Lösungen ohne CAPEX bis hin zu Möglichkeiten für Wärme- und Kälterückgewinnung und Modifikationen im Wärmesystem des Unternehmens.

Welche Ergebnisse resultieren aus einer standortspezifischen Ermittlung zugänglicher Hebel zur Dekarbonisierung?

Für einen Autohersteller entwarf ENGIE eine Roadmap, die zu 100 Prozent dekarbonisierter Energie bis 2030 für zwei Gigafactories auf der grünen Wiese führen wird. Ein weiteres Resultat wird eine Reduzierung der TCO für einen der Standorte um 6 Prozent sein. Zusammen mit einem anderen Klienten – einen namhaften Zulieferer der Autobranche mit mehr als 60 Standorten in 10 Ländern – entwickelten wir einen Plan, um den Energieverbrauch um 15 Prozent zu reduzieren, ohne CAPEX, Schulden oder Vorauszahlungen. ECMs werden zunächst identifiziert, installiert und in Betrieb genommen, und schließlich gewartet und gemanagt. 40.000 Tonnen CO2 werden laut Prognose dadurch vermieden werden.

Unsere Sustainability-Solutions-Direktorin, Anne-Katrin Hagel, wird die Herausforderungen sowie die Lösungen der Dekarbonisierung in der Auto-Industrie viel ausführlicher auf dem Handelsblatt Autogipfel 2023 behandeln. Ihr Vortrag heißt „CO2-Neutralität – nur ein Traum?“ und findet um 15.30h am 25.20.2023 statt. Sie sind herzlich eingeladen. Bis dahin hoffen wir, dass dieser Blog-Eintrag einen kurzen Anstoß zum Nachdenken darüber gibt, was alles das Ideal „Net Zero“ mit sich bringt und wie es tatsächlich erreicht werden kann.

Anne Katrin Hagel
Direktorin
ENGIE Impact