Interview mit Dr. Patrick Ayad und Dr. Sebastian Polly: Living Mobility – Objective, Inclusive, Sustainable, Unifying

Autoren: Dr. Patrick Ayad, Global Leader Mobility and Transportation und Dr. Sebastian Polly, Global Co-Head Automotive bei Hogan Lovells.

Reicht das ACES Modell, um die Mobilitätsbedürfnisse der zukünftigen Gesellschaft widerzuspiegeln?

Das ACES Modell, d.h. “Autonomous, Connected, Electric, Shared”, ist nach wie vor die richtige Fahrtrichtung. Man kann inzwischen auch von ACES 2.0 sprechen, wenn man bedenkt, dass Themen wie künstliche Intelligenz, Daten, Sensoren und Vernetzung eine immer größere Rolle spielen. ACES ist allerdings eher eine Business-Sichtweise. Um die Mobilitätsbedürfnisse der zukünftigen Gesellschaft widerzuspielen, bedarf es vor allem einer nutzerorientierten Sichtweise. An diesem Punkt knüpft Living Mobility an. Living Mobility ist “Objective, Inclusive, Unifying, Sustainable”. Im Fokus liegt dabei der Nutzer bzw. dessen Perspektive. Also z.B. sind die ethischen Fragen beim autonomen Fahren angemessen berücksichtigt und transparent erläutert? Hat der Nutzer einen guten und erschwinglichen Zugang zu neuen Mobilitätsangeboten? Fahren wir einen holistischen Ansatz und bringen wir dabei alle Stakeholder an einen Tisch? Erfüllen die Mobilitätskonzepte die Nachhaltigkeitsbedürfnisse des Kunden?

Welche regulatorischen Maßnahmen sollten verändert werden, um den „Living Mobility“ Prozess schneller vorantreiben zu können?

Ganz allgemein gesprochen müssen wir die Akzeptanz der Mobilitätskonzepte steigern. Dies erreichen wir insbesondere auch durch klare Regeln. Wenn der Kunde die Bedingungen des neuen Mobilitätsangebots nicht versteht, wird er dieses Angebot auch nicht annehmen. Welche Regeln gelten z.B. beim autonomen Fahren – und verstehe ich diese Regeln überhaupt? Oder gelten für Mikromobilität einheitliche Regeln in Europa oder zumindest in einem Land und nicht nur einer Stadt oder Gemeinde? Ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung sind Prinzipien und Standards. Diese sind idealerweise global und nicht regional oder national. Zum Beispiel bei der autonomen Fahrzeugentwicklung – was kann eigentlich ein Level 3 Fahrzeug leisten und was kann es nicht? Nicht nur in Deutschland, sondern überall dort wo solche Fahrzeuge benutzt werden. Der Gesetzgeber hat die Herausforderung, diesen Regelbedarf möglichst maßvoll anzugehen. Denn eine Überregulierung ist wiederum kontraproduktiv.

Teilen Sie die Einschätzung, dass bei künstlicher Intelligenz der rechtliche Fokus derzeit auf selbstfahrenden Autos liegt?

Ja, der rechtliche Hauptfokus liegt derzeit auf selbstfahrenden Autos. Aus der täglichen Praxis bestätige ich aber gerne auch, dass das Thema vielschichtiger ist und zunehmend auch andere Bereiche in den Fokus rücken. KI kommt zunehmend schon bei der Entwicklung sowie der Produktion – z.B. bei der sogenannten Fabrik 4.0 – zum Einsatz. Zudem spielt KI auch bei intelligenter Infrastruktur und sogenannten Cloud-Applikationen eine Rolle. Überdies wird KI zunehmend auch beim sogenannten Human-Machine-Interface – also bei der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine – relevant. All diese Bereiche stellen Unternehmen in der Praxis zunehmend vor vielseitige rechtliche Herausforderungen.

Welche rechtliche Hürde spielt bei künstlicher Intelligenz die wichtigste Rolle?

KI hat zahlreiche Facetten und berührt entsprechend fast alle Rechtsgebiete. Wir sehen in der Praxis insbesondere Herausforderungen bei der Regulatorik – also insbesondere der Zulässigkeit einer KI, gerade in Fahrzeugen – beim Vertragsrecht – z.B. für die Kommerzialisierung von KI – im IP Recht – insbesondere beim Schutz der eigenen KI-Entwicklungsleistungen – und beim Datenschutz, aber beispielsweise auch bei der Produkthaftung und Produktsicherheit. Eine besonders wichtige Rolle wird aber unter Umständen auch das produktbezogene Strafrecht spielen. Insbesondere in Bereichen wo KI sicherheitskritische Aufgaben übernehmen wird, achten Unternehmen zunehmend penibel auf eine robuste Absicherung gegen etwaige strafrechtliche Risiken, z.B. falls es durch KI zu Unfällen kommen könnte. In unseren Augen darf gerade die rechtliche Absicherung dieser Hürde nicht unterschätzt werden.

Vielen Dank für das Gespräch.