Interview mit Ines Melzer: Wie man Akzeptanz für Elektromobilität beim Endverbraucher schafft

Frau Melzer, wie kann die Gesellschaft von der Elektromobilität überzeugt werden? Ist Elektromobilität überhaupt schon bereit, um den bestehenden Mobilitätsbedürfnissen gerecht zu werden?

Elektromobilität ist für die Menschen erst einmal „nur“ eine neue Antriebsart und keine Produktinnovation. Deshalb erwarten sie von einem E-Auto alle gewohnten Vorteile eines Verbrenners, nur in umweltfreundlich. Menschen ersetzen ihre gewohnten Produkte erst, wenn eine Innovation etwas bietet, was ihr Leben besser macht.

Folglich muss zuerst Vertrauen in die neue Technologie geschaffen werden. Verbraucher müssen erkennen, dass Elektroautos den Grundanforderungen an Mobilität, wie z.B. Planungsflexibilität gerecht werden. Jetzt ist es wichtig, die Ansprache stärker zu emotionalisieren – denn Emotion ist bei Automobilen bekanntlich sehr wichtig. Das E muss also auch für Emotion stehen.

Welche USPs hat das Elektroauto gegenüber dem Verbrenner, welche bei der letztendlichen Kaufentscheidung am schwersten gewichtet werden?

Die Umweltverträglichkeit der Elektroautos liegt als USP auf der Hand, für viele Verbraucher ist sie allerdings lediglich ein willkommener Zusatznutzen in der Kaufentscheidung, aber nicht der alleinige Kaufgrund. Generell müssen wir hier nach Zielgruppen mit unterschiedlichen Einstellungen und Bedürfnissen differenzieren. So kann bei bestimmten Zielgruppen der Kaufgrund eher emotionaler Art sein, um sich z.B. sich als Vorreiter einer neuen Technologie fühlen zu können.

Weitere wahrgenommene Vorteile liegen in geringeren Unterhaltskosten von E-Autos sowie geringerem Verschleiß. Und aktuell natürlich auch in der Subventionierung.

Welche Rahmenbedingungen, z.B. in Bezug auf die Verkehrsinfrastruktur, müssen erfüllt sein, damit der Umstieg reibungslos gelingen kann?

Hier steht an erster Stelle die Ladeinfrastruktur. Und zwar sowohl die öffentliche als auch die private („Stichwort Laternenparker“).

Ein Auto gilt auch als Statussymbol. Welche Rolle spielen kulturelle Werte bei der Verkehrswende?

Die Entscheidung für ein Auto hat generell viel mit Einstellungen und Werten zu tun. Aber auch Emotionalität spielt eine wichtige Rolle. Nach wie vor ist das Auto für einige Zielgruppen ein Status-Symbol, das wird auch nach der Verkehrswende so bleiben. Gleichzeitig sehen wir seit einigen Jahren vor allem in den jüngeren Altersgruppen, dass sich Statussymbole verändern: Es wird weniger wichtig, was man hat als was man erlebt. Auch Erlebnisse können so etwas wie ein Statussymbol sein und damit kommt dem Erlebnischarakter des Autofahrens wieder eine wichtige Rolle zu. Generell werden sich verändernde kulturelle Werte wie das gestiegene Umweltbewusstsein, der Wellbeing-Trend oder auch das Bedürfnis nach Vereinfachung in der Verkehrswende eine Rolle spielen. Hier sind die Unternehmen gefordert und können sich differenzieren.

Wie sieht es derzeit allgemein mit der Bereitschaft in der Bevölkerung aus, Elektromobilität zu nutzen, gibt es zum Beispiel ein Problembewusstsein zur Notwendigkeit der Dekarbonisierung?

Die grundsätzliche Bereitschaft E-Mobilität zu nutzen, sehen wir bei etwa der Hälfte der Bevölkerung. Allerdings müssen auch für diese Gruppe noch die eingangs erwähnten Nutzungsbarrieren überwunden werden.

Auch ein generelles Bewusstsein für umweltverträgliche Optionen der Mobilität sind in der Bevölkerung vorhanden. Allerdings ist das Thema für viele Menschen so komplex (Stichwort „Umweltverträglichkeit bei der Nutzung des Fahrzeugs vs. „Recycling der Batterien“), dass man es aktuell lieber den herstellenden Unternehmen überlässt, das Thema ganzheitlich anzugehen.

Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf, um den Umstieg auf E-Mobilität zu erleichtern?

Zunächst müssen die wahrgenommenen Barrieren tatsächlich beseitigt werden, bevor wir in der nächsten Stufe von einer verzichts- zu einer nutzenorientierten Kommunikation kommen. Das ist der konsequente nächste Schritt. Und auch E-Autos machen natürlich Spaß!

Vielen Dank für das Gespräch und wir freuen uns auf Ihren Vortrag:

Montag 02/11/20 – TAG DER ELEKTROMOBILITÄT
09:55 Uhr: Der Kunde im Fokus – Wie man Akzeptanz für Elektromobilität beim Endverbraucher schafft

Hartmut Dziemballa, Senior Director Marketing & Consumer Intelligence, GfK SE
Ines Melzer, Senior Director Marketing & Consumer Intelligence, GfK SE