FACHKRÄFTEREKRUTIERUNG

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Talentmanagement als Chefsache

Der kalifornische Elektroautobauer Tesla greift in Arbeitgeberrankings die beliebten deutschen Automarken an. Das liegt vor allem an der Person des Gründers. Was macht Elon Musk anders und hat das auf Dauer Erfolg? Das Handelsblatt hat sich bei Personalberatern und -vorständen umgehört.

Tesla-Gründer Elon Musk beherrscht die Kommunikation mit potenziellen Kunden und Arbeitnehmern. Mit seinem Kommunikationsmittel Nummer eins, Twitter, erreicht er Millionen Amerikaner, auch potenzielle Arbeitnehmer. 2020 kürte Universum, ein weltweit führender Anbieter im Bereich Employer Branding, Tesla zum beliebtesten Arbeitgeber für Amerikas Absolventen.

Auch in Deutschland punktet der Elektroauto-Pionier derzeit bei Arbeitnehmern – und greift Deutschlands beliebteste Arbeitgeber an: die etablierten Autokonzerne. In einer aktuellen Rangliste des Marktforschungsunternehmens Trendence ist Tesla auf Platz 18 gelandet. Eine beachtliche Leistung für ein Unternehmen, das im Vorjahr noch gar nicht als Arbeitgeber in Deutschland infrage kam. Befragt wurden 25.000 Akademiker, Durchschnittsalter: etwa 35.

Unter Informatikern rangiert Tesla sogar an siebter Stelle vor Marken wie Daimler, Porsche oder Audi. Auch bei der deutschen Auswertung des Universum-Rankings, für die 40.000 Studierende befragt wurden, landete Tesla erst kürzlich in mehreren Kategorien unter den besten fünf und ließ viele etablierte Autokonzerne hinter sich.

In Deutschlands wichtigster Industrie ist ein Kampf im Talentmanagement ausgebrochen. Die deutschen Hersteller haben einen Heimvorteil, aber die Amerikaner verfügen über Trümpfe. „Tesla gehört zur weltweiten Avantgarde in der Elektromobilität“, sagt Olaf Szangolies, Partner bei der Personalberatung Odgers Berndtson und spezialisiert auf den Bereich Automotive gegenüber dem Handelsblatt. Das liege maßgeblich an der Person Musk, sagt Szangolies. „Er hat Visionen und realisiert diese dann konsequent. Und das zu einem Zeitpunkt, als viele deutsche Unternehmen und Unternehmer noch mit dem Kopf schüttelten.“ Diese schnellen Innovationen trügen – neben dem umweltfreundlichen Image der Produkte – zur starken Marke Tesla bei, sagt der Headhunter.

Wegen Verzögerungen bei den Genehmigungen wird Tesla seine Gigafactory in Grünheide voraussichtlich erst Ende 2021 eröffnen. Bis dahin will Tesla 7.000 Stellen besetzt haben. Die Bewerberakquise läuft auf Hochtouren. Der Elektroautopionier gewinne damit hierzulande massiv an Bekanntheit, sagt Tim Verhoeven, Recruiting-Experte der Jobplattform Indeed: „Tesla ist eine Marke, die enorm viel öffentliche Aufmerksamkeit erhält – in der Regel positive. Da ist es nicht verwunderlich, dass Tesla auch stärker als Arbeitgeber in den Vordergrund rückt.“

Drei Dinge mache Tesla beim Anwerben neuer Mitarbeiter richtig, so Verhoeven:

  1. Recruiting ist bei Tesla Chefsache:„Musk nutzt seine Popularität immer wieder, um hier zusätzliche Aufmerksamkeit zu generieren“, sagt Verhoeven. So kündigt Musk Mitte Juni in einem Tweet an: „Werden einen Tesla KI-Tag in einem Monat oder so abhalten … Zweck ist Recruiting.“ Potenzielle Arbeitnehmer werden daher den Juli oder August vormerken. Ähnlich wirkt auch die Tatsache, dass Musk öfter persönlich in Grünheide auftauchte, um Bewerbungsgespräche zu führen.
  2. Der formelle Bewerbungsprozess ist sehr einfach: Wer sich für eine Stelle bei Tesla interessiert, muss sich nicht erst – wie bei vielen großen Arbeitgebern – in einem Bewerbungsportal registrieren. Name, E-Mail, Lebenslauf und ein paar Stichpunkte, was man Außergewöhnliches in seinem Bereich geleistet hat, reichen. „Einfacher geht es kaum“, urteilt Verhoeven.
  3. Tesla hat antizyklisch rekrutiert:In einer Phase, in der viele große Autobauer „eher auf die Recruiting-Bremse getreten“ und Personal abgebaut haben, hat Tesla in Deutschland Leute eingestellt, sagt Verhoeven. Entsprechend viele Fachkräfte sind zuletzt von Konzernen wie Daimler in Richtung Tesla gewechselt.

Dennoch zeigen Teslas aktuelle Stellenanzeigen noch Vakanzen auf oberer Ebene: Beispielsweise ist Ende Juni die Stelle eines „Manufacturing Engineering Managers“ auf der Tesla-Homepage noch ausgeschrieben. So beliebt Tesla bei jungen Akademikern zu sein scheint, so schwierig ist es offenbar, gefragte Management- und Spezialistenposten zu besetzen. 317 Stellen sind aktuell auf Teslas Karriereseite für Grünheide gelistet. Auf akademischer Ebene sind vor allem Ingenieure und Software-Experten gefragt – jene Spezialisten, die auch die etablierten Autobauer suchen.

Am Ende dürfte es vor allem eine Typfrage sein, bei welchem Automobilhersteller Fach- und Führungskräfte glücklicher werden. Tesla gilt dabei eher als Sprungbrett für die Karriere. Mitarbeiter berichten von flachen Hierarchien und schnellen Aufstiegschancen. Allerdings herrsche eine gnadenlose Leistungskultur. Wer nicht mitkommt oder Konzernchef Elon Musk in die Quere kommt, der kann viel schneller als bei BMW, VW oder Daimler entlassen werden. Um sich langfristig oben halten zu können, werde es deshalb „auch erforderlich sein, dass sich die Kultur in Bezug auf Mitarbeiter bei Tesla ändert“, sagt Automotive-Headhunter Szangolies. „Wir sind nicht die USA. Hier sind noch andere Werte neben Profit, Leistungswillen und Erfolg wichtig.“

Wenn Tesla das für seine deutschen Standorte begreife, sieht der Personalberater gute Chancen, dass der Elektroautobauer sich weiter als beliebter Arbeitgeber etabliert. Andersfalls werde das Unternehmen dort bleiben, wo es aktuell von Topmanagement-Kandidaten gesehen werde: „ein toller Name im Lebenslauf, wenn man zwei Jahre dort war“.

Bei BMW, aktuell beliebteste Arbeitgebermarke unter Akademikern, gibt es nur wenig Aderlass in Richtung Grünheide, heißt es aus dem Konzern. Personalvorständin Ilka Horstmeier sagte dem Handelsblatt: „In der Tat sprechen wir mit Menschen, die beide Optionen haben.“ BMW stehe dabei für jahrzehntelange Verlässlichkeit und Erfahrung. „Dieses Wissen und Know-how braucht es, um komplexe Problemstellungen schneller zu lösen“, ist Horstmeier mit Blick auf Konkurrenten wie Tesla überzeugt.

Für Bewerber gebe es eine entscheidende Frage, so die Managerin: Wie sehr kümmert sich ein Unternehmen um die Menschen, die bei ihm arbeiten? Da sei man in München „Spitzenreiter“. So hat BMW etwa neben Führungskarrieren auch die Laufbahn einer Expertenkarriere etabliert. Horstmeier: „Das zieht Fachspezialisten an, auch weil sie ähnliche Gehälter verdienen können wie im Management.“

Auf Kununu, einer Internet-Plattform für Arbeitgeberbewertungen, kommen die etablierten Autobauer bisher jedenfalls besser als Tesla weg: Von den aktuellen Tesla-Mitarbeitern im deutschlandweiten Vertrieb, in Werkstätten und beim Ableger Tesla Grohmann in der Eifel würden auf Kununu gerade einmal 46 Prozent ihren Arbeitgeber weiterempfehlen. Bei BMW sind es immerhin 74 Prozent. Ähnlich sieht es bisher beim Gehalt aus: 44 Prozent der Tesla-Angestellten empfinden es als schlecht oder sehr schlecht. Bei BMW geben dagegen 79 Prozent an, ihr Gehalt sei gut oder sehr gut. Und auch bei der Firmenkultur haben die deutschen Autobauer bisher die Nase vorn: Bei Tesla ist sie laut Kununu stark unterdurchschnittlich, bei BMW und VW ist sie klar überdurchschnittlich.