Stromnetze als Achillesferse der Energiewende

Stromnetze als Achillesferse der Energiewende

Zu Beginn der Liberalisierung der Energiemärkte Ende der Neunziger Jahre, gab es zahlreiche Prophezeiungen. Dezentrale Strukturen haben sich als wichtig bewiesen und erneuerbare Energien stehen heute im Mittelpunkt. Doch Dr. Dieter Steinkamp,
Vorstandsvorsitzender RheinEnergie AG, sieht die Zukunft im Smarthome-Segment.

Beiträge eines Stadtwerks zur Energiewende und zum Klimaschutz

von Dr. Dieter Steinkamp

Man muss kein rückwärtsgewandter Mensch sein, um sich gelegentlich einmal an die Vergangenheit zu erinnern. Und es ist eine interessante Beschäftigung – auch in Bezug auf die Energiewirtschaft. Nehmen wir den Beginn der Liberalisierung der Energiemärkte,
Ende der Neunziger Jahre: Rund 850 Energieversorger und Stadtwerke gab es damals, und die gesamte Branche orakelte einen unglaublichen Konzentrationsprozess binnen weniger Jahre.

Maximal zehn Prozent dieser Unternehmen würden die kommenden zehn Jahre überstehen, Fusionen und Allianzen wären das Allheilmittel allerorten. Jetzt sind wir 15 Jahre weiter und wissen: Dezentrale Strukturen in der Energiewirtschaft haben sich nicht nur als äußerst überlebensfähig erwiesen. Sie zeigen auch noch Wachstumspotential.
Dafür gibt es Gründe.

In der Tat sind Stadtwerke eine Unternehmensform mit hoher Nähe zu den Kunden, hoher Akzeptanz aufgrund ihrer Philosophie von Daseinsvorsorge vor alleinigem Gewinnstreben und einem eher regionalen Wertschöpfungskreislauf vor Ort. Vor allem aber stellen sie tagtäglich ihre Leistungsfähigkeit im Energiemarkt unter Beweis und können in der Summe für die Energiewende weit mehr tun als manch anderes sogenannte „große“ Unternehmen.

Stromnetze als Achillesferse der Energiewende

Beispiel Erzeugung: Stadtwerke können mit ortsnahen und kleineren Anlagen, etwa als BHKW in der Fläche sehr effizient Klimaschutz mit zukunftssicherer Energieversorgung verbinden. Auch unser neues GuD-Heizkraftwerk Niehl 3 zählen wir dazu, es leistet dasselbe im Ballungsraum von Köln und kann Beispiel geben für andere Städte. Diese Anlagen liefern Strom und Wärme aus KWK, sie sind insgesamt wirtschaftlich und flexibel. So ganz nebenbei geben sie aufgrund der dezentralen Struktur auch noch eine Antwort auf die Frage, ob wir wirklich Kapazitätsmärkte für große Kraftwerke brauchen. Denn je mehr von den kleineren Anlagen verteilt über die Republik existieren, desto geringer ist das Risiko von lokalen Engpässen in der Stromversorgung.

Aus Sicht der Nachbarschaft betrachtet, ist Niehl 3 mit seinen 450 MW elektrischer Leistung und bis zu 265 MW Wärme eine große Zentralanlage. Im Verbund des bundesweiten Netzes ist es eher klein und gleichzeitig hochflexibel. Niehl 3 liefert Reserve- und Ausgleichsenergie für die volatilen Erneuerbaren Quellen und sichert auch so die Versorgung. Beispiel Netze: Das ist derzeit sicherlich eine weitere Achillesferse der Energiewende. Nur knapp ein Fünftel der nach dem entsprechenden Leitungsausbaugesetz geplanten Leitungsabschnitte ist aktuell fertig, dabei sollte der Großteil der Vorhaben im Verbundnetz bis 2015 längst abgeschlossen sein.

2015, das haben wir bereits jetzt. Und der Umfang des Einspeisemanagements für die Wahrung der Systemstabilität ist gegenüber dem Vorjahr um 44 Prozent gestiegen. Das ist ein sicheres Indiz dafür, dass es punktuell Instabilitäten in den Netzen gibt, denn sonst müsste man nicht so oft eingreifen.

hb-journal

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Das Hauptaugenmerk wird auf einem zukunftsfesten Netzmanagement liegen

Dabei gerät außer Betracht, dass die Bedeutung eigentlich in den Verteilnetzen liegt, wenn wir die Energiewende betrachten: Immer mehr an direktem Austausch zwischen Erzeugern und Abnehmern findet dort statt. Quellen der Erneuerbaren Energie etwa wie Wind oder Sonne speisen überwiegend ins Verteilnetz ein, die Zuwächse in den
kommenden Jahren werden beträchtlich sein. 2013 waren 15.000 MW Wind am Übertragungsnetz, aber bereits rund 35.000 MW Photovoltaik und 19.000 MW Wind in den Verteilnetzen.

Im Jahr 2025 rechnen unsere Experten mit 33.000 MW Wind und 54.000 MW Photovoltaik im Verteilnetz. Smarthome-Lösungen und Kleinerzeugungsanlagen mit Netzanbindung beim Kunden tun das ihrige, die Netze werden bidirektional und interaktiv, also brauchen wir gescheite Lösungen auf der letzten Meile. Da sehen wir mit unseren regionalen Netzgesellschaften gute Möglichkeiten, uns einzubringen. Schließlich beherrschen wir das Netzgeschäft technisch wie auch wirtschaftlich nicht erst seit gestern.

Deswegen gilt dem Ausbau des bestehenden und dem Aufbau eines wirklich zukunftsfesten Netzmanagements unser Hauptaugenmerk. Dort bei der Netzwirtschaft können große Stadtwerke und Stadtwerkeverbünde wirklich punkten. Die Kunden werden es honorieren, dass Versorgungssicherheit und Flexibilität zwischen Bezug und Einspeisung vorhanden sind. Und gerade bei Netzen zahlt sich die physische Nachbarschaft aus: Da lassen sich am besten Aufgaben bündeln. Wir tauschen uns beispielsweise mit den Kollegen in Düsseldorf zu Netzfragen aus, und unsere Netzgesellschaft bündelt die Aufgaben für eine ganze Region.

Smarthome als Markt der Zukunft

Vertrieb und Produkte sind am Ende mit Eigenerzeugung, Energiehandel und Verteilung eng verzahnt: Klassisches Commodity-Geschäft tritt langsam, aber immer stärker, in den Hintergrund. Wir müssen auf „pfiffige“ Lösungsangebote mit kundengerechten
Energieprodukten im Bündel setzen.

Kunden wollen ihren eigenen Beitrag zur Energiewende leisten, indem sie über Klein-KWK oder Photovoltaik zum Erzeuger und somit zu unserem Partner werden – oder zum Mitbewerber, wenn wir sie nicht angemessen berücksichtigen. Smarthome wird in naher Zukunft sicher ein Markt werden, den wir gerade erst betreten. Ortsnähe, ein gutes Image und jahrzehntelange Branchenkompetenz: Das sind Bausteine, aus denen man sehr gute Vertriebs- und Kundenbetreuungsarbeit errichten kann.

Dr. Dieter Steinkamp, Vorstandsvorsitzender RheinEnergie AG

Der Autor:

Dr. Dieter Steinkamp ist Vorstandsvorsitzender bei der
RheinEnergie AG

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