Sicherheit finden in unsicheren Zeiten – Effektives Risikomanagement in der Energiewirtschaft

Jan-Paul Kupser, Business Unit Manager bei ENLITE in Berlin

Der richtige Umgang mit Risiken in Investitionsprojekten der Energiewirtschaft ist in Zeiten von Ressourcenknappheit, Lieferkettenproblemen, neuen Technologien sowie einem Krieg auf europäischem Boden von entscheidender Bedeutung. Durch Ergänzung des traditionellen Risikomanagements mit quantitativen Methoden, lässt sich die Planungssicherheit erhöhen.

Das Risikomanagement als wichtiges Steuerungsinstrument erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die geplanten Projektziele erreicht werden und ist daher eine Schlüsselrolle im Projektmanagement. Risikomanagement maximiert die Erfolgsaussichten von Projekten, indem Risiken systematisch identifiziert, bewertet, überwacht und gesteuert werden. So wird die Wahrscheinlichkeit negativer Auswirkungen auf Projekte und Organisationen minimiert.

Qualitative und quantitative Risikoanalyse: Ein umfassender Ansatz

Die qualitative Risikoanalyse von identifizierten Risiken ist einer der ersten Schritte im Risikomanagementprozess. Sie ermöglicht eine Bewertung einzelner Risiken anhand ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und potenziellen Auswirkungen. Hierbei werden Risiken nach Relevanz priorisiert, um zu bestimmen, welche weitere Untersuchungen oder Maßnahmen zur Risikominderung erforderlich sind.

In Ergänzung dazu geht die quantitative Risikoanalyse einen Schritt weiter und ermöglicht eine gesamtheitliche Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen den Projektvariablen Risiken, Zeitplänen, Kosten etc. Die quantitative Risikoanalyse untersucht die Gesamtauswirkung aller Projektrisiken auf die Projektziele. Durch ihre statistische Basis wird eine präzisere Bewertung der Ergebnisse ermöglicht, wodurch wertvolle Handlungsoptionen für fundierte Entscheidungen und effektive Risikominderungsstrategien entstehen.

Die quantitative Risikoanalyse empfiehlt sich insbesondere in Großprojekten, bei denen die Komplexität und finanziellen Auswirkungen besonders hoch sind. In Fällen, in denen Erfahrungswerte zur Risikobewertung fehlen, können mittels statistischer Modelle verschiedene Szenarien simuliert werden, die von einer Datenbank mit pseudo-Erfahrungswerten gespeist wurden.

Monte-Carlo-Simulation: Das leistungsstärkste Instrument der quantitativen Risikoanalyse

Die Monte-Carlo-Simulation ist ein mathematisches Werkzeug, das die potenziellen Ergebnisse solcher unsicheren Ereignisse abschätzt. Die Methode basiert auf einem Modell möglicher Ergebnisse, indem Wahrscheinlichkeitsverteilungen für unsichere Variablen genutzt werden. Die Simulation berechnet wiederholt Ergebnisse unter Verwendung verschiedener zufälliger Zahlen innerhalb vorgegebener Wertebereiche.

Durch hunderte Simulationen wird die statistische Wahrscheinlichkeit der Erreichung von Termin- sowie Budgetvorgaben bewertet, indem die Anzahl der Simulation innerhalb vordefinierter Datenbereichen der Anzahl von Ausreißern gegenübergestellt wird.

Quantitatives Risikomanagement im alltäglichen Projektgeschehen der Energiewirtschaft

In der Energiebranche gewinnt das quantitative Risikomanagement immer mehr an Bedeutung. Projekte werden technologisch immer ambitionierter, um den Herausforderungen der heutigen Zeit gerecht zu werden. Die Markt- und Ressourcenknappheit erfordert eine äußerst präzise Zeitplanung. Zudem macht die schiere Größe der benötigten Investitionssummen eine sorgfältige Planung von Investitionsausgaben unabdingbar. Die quantitative Risikoanalyse schafft in beiden Bereichen Abhilfe.

Die statistische Untersuchung der Auswirkung von Zeitrisiken auf den Terminplan deckt mögliche Probleme und Engpässe auf, bevor sie den Projektablauf stören. Denn die sogenannte Sensitivitätsprüfung identifiziert die größten Störtreiber eines ausgewählten Meilensteins oder Vorgangs. Zudem lassen sich zahlreiche “Was-Wäre-Wenn” Szenarien analysieren, um einen effizienten Pfad zum gewünschten Ziel zu identifizieren.

Gleichzeitig erfordern die Energiewende und die damit einhergehende Erweiterung der bestehenden Energieinfrastruktur gewaltige Investitionssummen. Allein in den Jahren zwischen 2011 und 2022 wurden die Investitionen und Aufwendungen für die Netzinfrastruktur der Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland beinahe verfünffacht.[1] Im kommenden Jahrzehnt wird dies deutlich übertroffen.[2] Die durch eine Monte-Carlo-Simulation erzeugte Cash-Flow-Prognose hilft dabei, das dafür notwendige Kapital zum benötigten Zeitpunkt zu sichern.

Und das Ergebnis?

Zusammenfassend ist die quantitative Risikoanalyse mehr als nur eine theoretische Methode. Sie ist ein praktisches Werkzeug, das Unternehmen in der Energiewirtschaft hilft, komplexe Projekte effizient zu managen und langfristigen Erfolg sicherzustellen, indem sie die Projektleitenden befähigt, klügere und profunde Entscheidungen zu treffen. Ihre Integration in den Projektalltag ist für eine erfolgreiche Energiewende unumgänglich.

[1] Investitionen und Aufwendungen für die Netzinfrastruktur der Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland in den Jahren 2011 bis 2022. Abrufbar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/168146/umfrage/investitionen-in-die-stromnetze-der-uebertragungsnetzbetreiber-seit-2007/

[2] Siehe Artikel: Stromnetzbetreiber Tennet sieht 111 Milliarden Euro Investitionsbedarf. Abrufbar unter: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/uebertragungsnetze-stromnetzbetreiber-tennet-sieht-111-milliarden-euro-investitionsbedarf/29034254.html