Auf dem Weg zur Klimaneutralität: Wie kann die Wärmewende gelingen?

Dr. Andreas Langer

Dr. Andreas Langer, Partner, Leader Energy, Resources & Industrials – Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Deutschland hat sich auf den Weg gemacht, bis zum Jahr 2045 die Treibhausgasneutralität zu erreichen. Dies ist mit einem Paradigmenwechsel verbunden. Der Wärmemarkt, welcher für rund 40 Prozent der Emissionen verantwortlich ist, muss dekarbonisiert werden.

Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, hat der Gesetzgeber einen Großteil der bestehenden regulatorischen Lücken geschlossen. Hierzu zählen insbesondere das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sowie dessen Verzahnung mit dem Wärmeplanungsgesetz („Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“, WPG). Beides hat weitreichende Auswirkungen auf den Wärmemarkt. Vor welchen Herausforderungen Energieversorger stehen, ermitteln wir in einer aktuellen Deloitte-Studie.

Ziel der Befragung war es, den Status quo der Wärmewende zu erheben und die Unternehmen der Energiewirtschaft grundsätzlich im Transformationsprozess zu verorten.

Die strukturellen Herausforderungen der Wärmewende in Deutschland

Der deutsche Wärmemarkt ist aktuell de facto ein Erdgasmarkt.

Die Dringlichkeit einer stärkeren Diversifizierung des Asset-Portfolios – nicht nur aus geopolitischen Gründen –, der mittel bis langfristigen Ausstieg aus der Nutzung von Erdgas als Energieträger sowie die Identifikation von geeigneten klimaneutralen Alternativen zur Erreichung der Klimaziele, sind die zentralen Herausforderungen, mit denen sich die Unternehmen konfrontiert sehen.

Zwei Drittel der Befragten geben an, der Transformationsdruck sei insbesondere in den beiden Geschäftsfeldern Erzeugung und Netze am höchsten. Mit Blick auf die Netzinfrastruktur ist allerdings der Weg noch ungewiss, da für die Umstellung auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung konkrete Lösungen benötigt werden. Dies gilt insbesondere für die Kompensation der rückläufigen Erdgasmengen durch andere Netzsparten.

Welches Zielbild ergibt sich für die regionale Wärmeversorgung? Wie lassen sich die zukünftigen Asset-Portfolios ausgestalten?

Bisher haben sich nur rund ein Drittel der Energieversorger systematisch mit diesen Fragen beschäftigt. Vor dem Hintergrund, dass die kommunale Wärmeplanung nur einen Baustein der Wärmewende darstellt, müssen sich Energieversorger grundsätzlich mit weiteren strategischen Maßnahmen zur Umsetzung auseinandersetzen.

Der Anteil von Wasserstoff (H2) im Asset-Portfolio wird von 70 Prozent der Teilnehmenden skeptisch gesehen. Nur 30 Prozent gehen davon aus, dass Wasserstoff bis zum Jahr 2030 grundsätzlich verfügbar sein wird. Insbesondere die perspektivisch regional sehr unterschiedliche Verfügbarkeit von Wasserstoff – welche durch den aktuellen Stand der H2-Kernnetz-Planung, bereits grob verortet werden kann – führt dazu, dass eine flächendeckende Umrüstung der Gasnetze auf Wasserstoff („H2-ready“) unwahrscheinlich sein wird. Hinzu kommen die weiteren Risiken des Markthochlaufs (u.a. Preisniveau, Mengen, Wettbewerbe gegenüber anderen klimaneutralen Energieträgern).

Die unklaren regulatorischen Rahmenbedingungen – sei es bei der Entflechtung im Netzbereich oder der Verzinsung hemmen die Investitionsbereitschaft der befragten Unternehmen. Mit Blick auf das erhebliche Investitionsvolumen und die Kapitalbindung, beziehungsweise die langfristige Nutzungsdauer der Assets, ist dies aus wirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar.

Finanzierung und Fachkräftemangel – Wesentliche Hemmnisse der Umsetzung

Schließlich hängt die erfolgreiche Umsetzung der Wärmewende auch davon ab, wie gut es Politik und Wirtschaft gelingt, den bestehenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die Finanzierung der Transformation sicherzustellen. Fragen, die bereits zum jetzigen Zeitpunkt den Erhalt des Status quo erschweren.

Der anstehende massive Umbau der Infrastruktur lässt sich nur erfolgreich gestalten, wenn sowohl Kapital als auch qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.

Die deutschen Energieversorger haben eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit gegenüber den Veränderungen gezeigt, die mit der Liberalisierung der europäischen Energiemärkte einhergingen. Diese Fähigkeiten werden mehr denn je benötigt, um den Ambitionen zur Erreichung der Klimaschutzziele gerecht zu werden.

Die vollständige Studie wird im 4. Quartal 2023 veröffentlicht.