Ausbau der Erneuerbaren Energien – ein Aufgabenpaket für Deutschland und Europa

von Anja-Isabel Dotzenrath

Die Welt ist auf dem Weg zur Klimaneutralität. Deutschland und Europa, Japan, Süd-Korea und auch China gehen ihn. Klimaneutralität bedeutet weltweit mehr Strombedarf durch Elektrifizierung und neue  Technologien wie Elektromobilität oder grünem Wasserstoff, der des Klimas wegen ganz überwiegend aus Erneuerbaren Energien gedeckt werden muss. Erneuerbare Energien sind ein globales Geschäft.

Größe und Innovationen sind entscheidend, um weltweit eine führende Rolle einzunehmen. RWE hat den regionalen Fokus auf Europa und Nordamerika sowie den asiatisch-pazifischen Raum gelegt. Für den Ausbau von Windkraft an Land und auf See, Solarenergie und Batteriespeichern investieren wir bis 2022 brutto 8 bis 9 Mrd. Euro. RWE treibt die Industrialisierung der Erneuerbaren ebenso voran wie Innovationen, z.B. schwimmende Wind-Offshore-Anlagen oder die Produktion von grünem Wasserstoff.

Investitionen in Erneuerbare Energien
Natürlich fühlen wir uns unserem Heimatmarkt Deutschland in besonderer Weise verbunden. Bis 2022 werden wir dort etwa 1 Mrd. Euro netto in Erneuerbare Energien investieren. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, gerne auch perspektivisch mehr. Für die neue Legislaturperiode liegt hier ein dickes regulatorisches Aufgabenpaket auf dem Tisch, wichtige Themen sind noch auszugestalten. Klimaneutralität bedeutet nichts weniger als einen vollständigen Umbau des Energiesystems. Das erfordert enorme Investitionen in Erneuerbare Energien, Netze, Häfen, Lieferketten und eine Infrastruktur für grünen Wasserstoff. Ein Flickenteppich unterschiedlicher Regulierungen schwächt Europa als Investitionsstandort. Deutschland kann hier Schrittmacher einer europäischen Perspektive werden und so auch den eigenen Standort stärken.

Dazu gehören verpflichtende Ausbauziele für Erneuerbare Energien für 2030, 2040 und 2050, um die Planbarkeit der Infrastrukturinvestitionen zu verbessern.

Schnellere Genehmigungen, Repowering stärken
Planungs- und Genehmigungsverfahren dauern zu lange, oft 5 Jahre. Die EU gibt maximal 3 Jahre für neue Windkraft-Projekte an Land und 2 für das Repowering vor, also für den Ersatz alter durch neue, leistungsstärkere Windräder. Genehmigungen sollten zudem technologieoffen sein, um die neueste und effizienteste Turbinentechnologie verwenden zu können. Schon allein wegen der Akzeptanz und des Naturschutzes sollten wir so viel grünen Strom mit so wenig Turbinen wie möglich produzieren.

Agora erwartet, dass bis Ende 2030 ca. 12 GW alte Windkraftanlagen aus dem Markt gehen, die zusätzlich zum Ausbauziel ersetzt werden müssen. Repowering kann hier mit deutlich höherem Stromertrag an existierenden Standorten helfen. So lassen sich 10 alte 1,5-MWWindräder durch 3 neue Anlagen oder weniger ersetzen. Der Netzanschluss ist schon da, Akzeptanz und lokale Wertschöpfung bleiben erhalten. Repowering muss leichter werden, etwa durch den Verzicht auf restriktive Abstandsregelungen, die das Aus für Windparks bedeuten können.

Der Netzausbau muss beschleunigt werden. Das Bundesbedarfsplangesetz hat 2015 einen Bedarf von gut 5.800 Trassenkilometern festgelegt, von denen nur 8% fertiggestellt wurden und weitere 5% im Bau sind.

Ausschreibungsdesign weiterentwickeln
Das Ausschreibungsdesign für Erneuerbare Energien ist weiterzuentwickeln, damit der Ausbau so kosteneffizient wie möglich und vor allem auch sicher ist. Contracts for Difference (CfD) setzen für Wind Offshore und zunehmend auch Wind Onshore in Europa den Standard. So gilt unser 1,4-GW-Projekt Sofia vor der englischen Küste als förderfrei, da die britische Regierung erwartet, dass es über die Laufzeit des CfD zu keiner finanziellen Belastung der Gesellschaft kommen wird. Gleichzeitig sind CfDs wegen planbarer Erlöse für Investoren attraktiv und können Deutschland und Europa im globalen Wettbewerb um Investitionen stärken.

Die europäische Strategie
Nationale Strategien reichen aber nicht aus. Laut Offshore-Wind-Strategie der EU soll die Leistung von heute 12 GW auf 300 GW bis 2050 steigen – ein 25-facher Zuwachs! Offshore-Wind dürfte nach 2040 die Stromquelle Nr. 1 in Europa sein. Um das volle Potential zu nutzen, muss die Energiewende ein europäisches Projekt sein, besonders in der Ost- und Nordsee. Hybride Windparks – Kombinationen aus Offshore-Windpark und Stromleitung über Ländergrenzen hinweg – sparen Kapital und Platz, und sie verbessern die europäischen Energieflüsse. Dazu muss die maritime Raumplanung regional zusammenpassen und über den Horizont von teilweise nur 6 Jahren deutlich hinausgehen. Das Aufgabenpaket für den Gesetzgeber ist also groß. Spätestens nach der Bundestagswahl sollte die Arbeit beginnen, damit die Transformation gelingt und Deutschland Europas Schrittmacher wird.

Klimaneutralität bedeutet nichts weniger als einen vollständigen Umbau des Energiesystems.

Anja-Isabel Dotzenrath
CEO
RWE Renewables GmbH

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