Zeitenwende im Automobilvertrieb

Prof. Dr. Helena Sophie Wisbert

Neue Player bringen traditionelle Ansätze unter Druck

Artikel aus dem Handelsblatt Journal „Die Zukunft der Automobilindustrie“ vom 05.12.2022

von Prof. Dr. Helena Sophie Wisbert

Das Versprechen das Netflix der Autoabos zu werden, hat sich so manch ein Anbieter auf die Fahnen geschrieben. Wenn man sich die Zahlen anschaut, so versprechen die prognostizierten jährlichen Wachstumsraten von ca. 38 Prozent im Autoabomarkt zumindest eine ähnliche Erfolgsstory wie der Streamanbieter sie vorgelegt hat.

Autoabos setzen da an, wo Carsharing nicht funktioniert

Die rekurrente Vorhersage, dass das eigene Auto immer unattraktiver wird, hat bisher nicht dazu geführt, dass Sharing-Economy-Ansätze wie Carsharing außerhalb von Metropolen aus der Marktnische herauskommen sind. Mit einer Flotte von 30.200 Carsharing-Fahrzeugen in Deutschland ist der Marktanteil verschwindend gering. Der CarSharing Verband  spricht von 3,39 Mio. Nutzer. Damit käme rechnerisch auf ein CarSharing Fahrzeug 112 Kunden. Zusätzlich hat die Corona-Pandemie den Wunsch auf das 24/7 Auto gesteigert und 24/7 bietet das Abomodelle. Ein Fahrzeug zur eigenen Verfügung ohne die Verpflichtungen und Risiken des Eigentums. Über das Autoabo erhalten Kunden die Nutzungsrechte ohne weitere individuelle Nutzungspflichten wie Versicherungsabschluss, Sommer- und Winterbereifung oder einen selbständigen Abschuss von Wartungs- und Verschleißverträgen.

Beim Auto-Abo haben die Kunden einen zentralen Ansprechpartner. Es gilt das Prinzip One-Face-to-the- Customer. Die angebotenen Modelle reichen vom Kleinwagensegment bis zum Premium-SUV. Besonders Elektroautos werden sowohl vermehrt im Abo angeboten als auch nachgefragt. 25 Prozent der abgeschlossenen Aboverträge beziehen sich auf E-Autos. Kunden können so Elektromobilität risikolos testen. Kunden müssen sich nicht langfristig vertraglich binden. Das Interesse an Autoabos ist groß. So hat die Onlinesuche nach Autoabos in den europäischen Märkten von Mai 2021 bis Mai 2022 um 70 Prozent zugenommen. Diese Entwicklungen ist nicht ein deutschlandspezifisches Phänomen, sondern in allen der Top-5 europäischen Märkten, Frankreich, Spanien, Italien, UK und eben Deutschland steigt das Interesse an Autoabos. Im Jahr 2030 soll nach Einschätzung der Unternehmensberatung Berylls der Auto Abo Markt in den EU-5 ein Volumen von bis zu vier Millionen Abo Verträgen erreichen.

Dynamisches Wettwerbsumfeld und chinesische Marken

Der Autoabomarkt entwickelt sich dynamisch und wird in der öffentlichen Wahrnehmung von Autovermietungen wie Sixt, neuen Abo-Plattformen wie ViveLaCar, Like2Drive, Finn sowie Autobauer mit Plattformen wie CarebyVolvo dominiert. Besonders Start-ups haben sich auf Autoabos spezialisiert und hier neue Geschäftsmodelle etabliert. Die Zahl an Start-ups im europäischen Autoabomarkt wuchs nach unserer Recherche bis zum Ende des Jahres 2021 auf 57 Newcomer. Neben Start-ups fokussieren sich auch immer mehr Non-Captive Leasing-Gesellschaften auf Autoabos. So hat Arval dieses Jahr ihr Angebot „Arval Adaptiv“ in Italien gelaunched, mit Expansionsplänen zuerst nach Polen und anschließend in alle anderen Arval-Märkte. ALD hat mit der Übernahme von Fleetpool einem führenden Anbieter von Mehrmarken- und White-Label-Lösungen für Autoabos ihr Portfolio gestärkt. Bis zum Jahr 2026 ist die Expansion in über zehn europäische Länder geplant.

Aber auch Automobilhersteller nutzen mittlerweile Autoabos besonders zur Vermarktung von E-Autos. Die E-Autos bleiben in der Hand der Hersteller und Vertragshändler, Restwerte und Weitervermarktung bleiben unter Kontrolle. So hat beispielsweise das Konsortium der Green Mobility Holding, angeführt durch den Volkswagen Konzern, vor kurzem Europcar übernommen. Unter dem Dach von Europcar will der Volkswagen Konzern zukünftig die Angebote von Autovermietung, Autoabos und weiteren Mobilitätsformen bündeln und so Europcar zu einem Mobilitätsanbieter transformieren. Das europäische Stationsnetz der Autovermieter ist zusätzlicher Auslieferungs- und Kundenservicepunkt.

Viele Automobilhersteller im Volumen und Premiumsegment sehen das Autoabo als weiteren Vertriebskanal neben dem noch neuen Online-Direktvertrieb und der klassischen indirekten Vermarktung über die Handelspartner. Die Marke Volvo ist mit CarebyVolvo bereits seit 2017 im Abomarkt aktiv. Der VW-Konzern hat dieses Jahr sein VW Abo gelauned und der Stellantis Konzern wird mit breiter Markenauswahl im Markt der Subscriptions erwartet.

Man kann davon ausgehen, dass Autoabos mittelfristig bei Elektrofahrzeuge eine deutliche disruptive Wirkung erzielen und die anderen Kanäle unter Druck bringen. Aus  Kundenumfragen beim CAR-Institut wissen wir, dass etwa Like2Drive Kunden sehr hohe Kundenzufrieden und Loyalitätsraten von mehr als 90 Prozent aufweisen. Für den Einstieg ins Elektroauto ist das Auto-Abo ideal und die hohe Kundenloyalität sichert Wachstum ab.

Durch die europäische Markteinführung einer Reihe von chinesischen Marken im dritten und vierten Quartal 2022 gewinnt der Abomarkt zusätzlich Dynamik. Denn einige Marken setzen nahezu ausschließlich auf online abschließbare Autoabos. So plant etwa NIO in Deutschland mit breiten Abo-Angeboten den Markt zu erschließen und für Lynk & Co sind Subscriptions das zentrale Transaktionsmodell.

Die 5 Erfolgsfaktoren für Auto-Abos

Der Auto-Abo-Markt wächst dynamisch, aber nicht alle Anbieter werden zu den Gewinnern gehören. In einer Analyse haben wir die fünf wesentlichen Erfolgsfaktoren für Abo-Plattformen identifiziert:

1. Klare Preis-Positionierung
Da Autoabos eine monatliche Komplettrate berechnen, brauchen die Kunden „Paket-Transparenz“. Dies auch deshalb, weil Abo-Raten natürlich mit Finanz-Leasingraten verglichen werden. Mit dem CAR-Abo-Faktor steht ein leicht berechenbares Konstrukt zur Verfügung, das Paket-Transparenz und Vergleichbarkeit erlaubt. Referenz-Kriterium ist eine jährliche Fahrleistung von 15.000 km. Der CAR-Abo-Faktor ist definiert als die Monatsrate dividiert durch den Kaufpreis. Kaufpreis ist der Listenpreis des Neuwagens abzüglich gewährter Rabatte. Ein CAR-Abo Faktor von etwa 1,6 Prozent besagt, dass der Kunden monatlich 1,6 Prozent des Kaufpreises als monatliche Abo-Rate bezahlt. Nach unserer Einschätzung ist eine klare Preis-Positionierung, also ein „überschaubarer“ Spread zwischen bestem und teuerstem Abo-Angebot, gemessen am CAR-Abo-Faktor, für die Einschätzung der Plattform von Bedeutung.

2. Kunden-Touch-Point: Klare und effiziente Übergabe- und Rücknahme-Prozesse
Kundenzufriedenheit und Loyalität sind abhängig von den Prozessen bei Fahrzeugübergabe und Rücknahme. Mögliche Nachbelastungen müssen klar und transparent aufgezeigt werden.

3. Angebotsbreite
Ein Großteil der derzeitigen Angebote im Markt sind Standard-Fahrzeuge mit Standard-Ausstattungen. Autobauer wie Volvo bieten mit CarebyVolvo interessante Individualisierungsansätze beim Abo. Mit Standard- Fahrzeuge lässt sich ein Basis-Marktsegment abdecken. Je stärker sich das Abo im Premiummarkenbereich positioniert, umso wichtiger werden für breitere Marktanteile Individualisierungsmöglichkeiten.

4. Längere Vertragslaufzeiten und Used-Car-Abos
Derzeit bilden 6-, 12- oder 18-Monatsverträge das Gros der Auto-Aboverträge. Für die Autobauer sind kurze Laufzeiten teuer. Fahrzeuge mit kurzer Vertragslaufzeit müssen üblicherweise höher subventioniert werden, ähnlich wie Vermieter-Fahrzeuge. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor zur Ausweitung des Geschäfts der Auto-Abo-Branche sind damit längere Vertragslaufzeiten, ähnlich zum Finanz-Leasing, sowie die Integration der Rückläufer in Used-Car-Abos.

5. Klare und kontinuierliche Kommunikation und USP
Einer der großen Vorteile von Sixt und der Grund für seine dominierende Stellung im Vermietungsgeschäft ist seine präzise, langfristig ausgerichtete Kommunikation. Von Sixt lernen heißt daher für die Auto-Abo-Plattformen mit strategisch klarer Kommunikation und klarem USP (Unique Selling Position) um Kunden zu werben.

Fazit: Auto-Abos sind wachstumsgetrieben, haben aber auch ihre Key Success Faktoren
Im Auto-Abomarkt wird es wie in jedem neuen Wachstumsmarkt Gewinner, aber auch Verlierer geben. Start-up zu sein reicht eben nicht. Ein klares Geschäftsmodell, das sich an den fünf Erfolgsfaktoren orientiert, mindert das Risiko zu scheitern.

Besonders Start-ups haben sich auf Autoabos spezialisiert und hier neue Geschäftsmodelle etabliert.

Prof. Dr. Helena Sophie Wisbert, Professorin für Automobilwirtschaft, Ostfalia und Direktorin, CAR – Center for Automotive Research

Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „Restrukturierung“ erschienen.

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