Chinas Automobilindustrie im Wandel

Automobilindustrie China

Chinas Automobilindustrie ist in der Vergangenheit förmlich explodiert und der chinesische Automarkt hat sich zum größten der Welt aufgeschwungen. Doch nun herrscht im Land der Mitte bereits seit fünf Jahren eine Wachsumsfaute.

Was bedeuten die Veränderungen im größten Automarkt der Welt?

Ein Gastbeitrag von Frank Mäder (Großkundenbetreuer und Branchenkapitän Automotive, Commerzbank AG) und Sascha Gommel (Automotive Research, Commerzbank AG)

Wenn sich der größte und dynamischste Automarkt der Welt – China – wandelt, wirkt sich das bei Autoherstellern und Zulieferern rund um den Globus aus. 2014 wurden im Reich der Mitte 19,7 Mio. Fahrzeuge verkauft. Im Juli 2015 meldete der Branchenverband CAAM mit minus 7,1 Prozent den vierten Rückgang in Folge. Das ist die längste Schwächephase seit 5 Jahren. Doch die Branche steht noch vor weiteren strukturellen und strategischen Herausforderungen. 10 Jahre lang kennzeichnete der anhaltende Boom den chinesischen Automarkt – ermöglicht durch die außergewöhnlichen Rahmenbedingungen: 1,3 Mrd. Konsumenten, zweistelliges Wirtschaftswachstum, rasante Urbanisierung, steigende Einkommen, Erstbedarf von Käufern ohne Markenbindung und Autoerfahrung. Die Herausforderungen für die Hersteller und deren Zulieferer lagen darin, schnell genug lokale Produktionskapazitäten aufzubauen. China stieg mit Höchstgeschwindigkeit zum größten Produktionsstandort im Autobau auf: Sein Anteil am Weltumsatz kletterte von 5 Prozent 2004 auf 28 Prozent 2014. Die Fertigung in China erhöhte sich von 2005 bis 2014 um durchschnittlich 17 Prozent pro Jahr.

Auf Wachstumsdynamik folgt Abhängigkeit

Die Premium-Baureihen mit den höchsten Margen produziert man unverändert in Deutschland und exportiert sie. In der Vergangenheit mit zusätzlichem Rückenwind von den Devisenmärkten, denn der Wechselkurs des chinesischen Renminbis war an einen Korb internationaler Währungen gekoppelt, in dem der US-Dollar das größte Gewicht hatte. Da der Euro gegenüber dem Dollar immer weiter abgewertet wurde, hat er auch im Vergleich zum Renminbi nachgegeben. Gut für die Autohersteller, deren Fahrzeug-Exporte nach China noch attraktiver wurden.

Das Resultat: 2014 haben die drei größten Hersteller der Welt – Toyota, Volkswagen (VW) und General Motors (GM) – mehr als 30 Mio. Fahrzeuge produziert. Fast jedes vierte davon wurde in China verkauft. Bei VW und GM gemäß den Zahlen von Ernst & Young sogar mehr als jedes dritte Auto.

Organischer Strukturwandel

In den nächsten Jahren wird sich der chinesische Automarkt strukturell normalisieren: Aus Erstkäufern – aktuell 68 Prozent – werden preissensiblere Autokäufer mit Ersatzbedarf oder Käufer von Zweitwagen. Immer beliebter werden vor allem SUVs, die im unteren Preissegment auch chinesische Hersteller anbieten. Als weitere Alternative für Käufer entsteht ein Gebrauchtwagenmarkt. Mittelfristig dürfte sich das Wachstum des Markts für Neufahrzeuge bei 3 bis 4 Prozent jährlich einpendeln – und damit angesichts der Größe des Marktes im globalen Vergleich unverändert attraktiv bleiben.

Typisch China

Strukturelle Normalisierung bedeutet aber keineswegs, dass im Reich der Mitte eine Kopie des europäischen Markts entsteht. Beispiel digitale Medien: Das Internet boomt, 650 Mio. Chinesen sind Smartphone-Nutzer und erwarten sowohl im Vorfeld des Fahrzeugkaufs als auch in der Fahrzeugausstattung die Online-Kompetenz der Anbieter. Chinesische Hersteller und Zulieferer kennen die Anforderungen, reagieren schnell und verbessern ihre Qualität. Für die deutschen Zulieferer bietet sich die Chance, für chinesische Hersteller zu arbeiten. Wirtschaftsschwäche und Gegenmaßnahmen wirken sich aus Mitten hinein in den Strukturwandel der Branche platzte die Wirtschaftsschwäche Chinas mit deutlich geringerem Wirtschaftswachstum, Kurssturz an Chinas Börsen und der stärksten Abwertung des Renminbis seit 20 Jahren.

Worauf muss  sich die Autobranche für die Zukunft einstellen?

Die chinesische Wirtschaft wird über einen längeren Zeitraum jährlich eher um 5 als um 10 Prozent zulegen. Darin sind sich die meisten Volkswirte einig. Wichtig wird für die deutsche Autoindustrie, sich auf einen stärker schwankenden Wechselkurs einzustellen. Denn im Zuge der Abwertung im Sommer wurde auch die Abkopplung des Renminbis von dem erwähnten internationalen Währungskorb beschlossen.

Ausblick: Die Chancen in China liegen im Change

Für den Erfolg von morgen kommt es für die Autobranche darauf an, sich schnell an die neuen Gegebenheiten anzupassen: schwächere Wachstumsraten, normale Auslastung der Produktionskapazitäten, steigende Konkurrenz, größere Bedeutung der Lokalisierung, sinkende Margen, höheres Wechselkursrisiko. Trotz dieser Herausforderungen bleibt China neben den USA, Europa und Japan einer der bedeutendsten Märkte weltweit und zeichnet sich nach wie vor durch sein enormes Potenzial aus. Zum Vergleich: In Deutschland kommen auf 100 Einwohner heute 54 Autos – in China gerade einmal 6.


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