Keine Energiewende ohne intelligente Netze

Smart Grids - intelligente Stromnetze

Elektrizitätsverteilernetze auf digitalem Wege

Die zunehmende Stromversorgung aus regenerativen Energiequellen erfordert gleichermaßen eine neue Struktur der Elektrizitätsverteilernetze. Netze, Erzeugung und Verbrauch müssen intelligent miteinander verknüpft werden. Nur die Umstellung auf intelligente Netze, sogenannte „Smart Grids“, gewährleistet eine effiziente Nutzung des gewonnenen Stroms aus erneuerbaren Energien einerseits und Versorgungssicherheit andererseits. Die europäischen Netzbetreiber sehen im Ausbau der Netzinfrastruktur eine ihrer Kernaufgaben für die kommenden Jahre.

Versorgungssicherheit und Energiewende dank intelligenten Netzen

Ein Gastbeitrag von Christian Buchel, Chief International and Digital Officer, Électricité Réseau Distribution France (ERDF)

Die Kernaufgabe europäischer Netzbetreiber, ob groß oder klein, besteht darin, die Stromversorgungssicherheit nach europäischer Regelung als neutrale „Market Facilitators“ zu gewährleisten. So spielen Verteilernetzgesellschaften in der Wirtschaft bei dem Ausbau, dem Betrieb und der Instandhaltung des Netzes eine neutrale und strategische Rolle. Hiermit stehen diese Infrastrukturbetreiber insbesondere an vorderster Front der Energiewende. Als Beispiel werden aktuell 98 Prozent der erneuerern Energien in Frankreich auf Verteilernetzebene eingespeist.

Dank der Entstehung intelligenter Netze werden diese Aufgaben sicherer, schneller und kosteffizienter erfüllt. Der Ausbau der Stromversorgungsnetze 4.0, die digitale Technologien einbringen, erleichtert die Netzintegration von dezentraler, erneuerbarer Energieerzeugung wesentlich, indem sie in Echtzeit auf wetterbedingte Schwankungen sowie auf neue Anschlüsse und Notfälle reagieren. Die Einführung neuer Marktmodelle (insbesondere von Flexibilitätsmodellen) wird dementsprechend vereinfacht. Letztendlich unterstützen intelligente Netze das „Empowerment“ des Endverbrauchers, indem mehr Transparenz und neue Energiekonsumfunktionalitäten geschafft werden. Dass die Entwicklung solcher Versorgungsnetze 4.0 keine „Ob-Frage“, sondern eine „Wie-Frage“ ist, steht nicht mehr zur Debatte. Zumindest bei der ERDF, die jährlich über drei Milliarden Euro in ihre Netze investiert, und bei der ein massives Digitalisierungsprogramm für alle 39 000 Mitarbeiter und alle Berufsfelder eingeführt wurde.

Die digitale Transformation der ERDF, zu besseren öffentlichen Dienstleistungen

Die digitale Revolution, sei es durch neue Technologien, Big Data, die Explosion von „Connected Objects“ oder soziale Netzwerke, ist eine wunderbare Opportunität, die Rolle des „Market Facilitators“ spielen zu können. Bei der ERDF wurde genau analysiert, wie sich jede dieser weltweiten, bereichsübergreifenden Tendenzen auf den verschiedenen Berufsfelder ausprägt. Das digitale Know-How der Firma wurde angesichts der angestrebten Ziele in jedem Feld bewertet und wird nun von einem kleinen Team gesteuert. Auf dieser Basis und im Rahmen des langfristigen Unternehmensprojekts wurde einen dreijährigen Fahrplan ausgearbeitet. Ziel ist, dank der Beschleunigung vielversprechender Projekte, bessere öffentliche Dienstleistungen zu gewährleisten.

Die digitale Revolution – wenn als historische Opportunität verstanden – kann Verteilernetzgesellschaften helfen, all ihre Aufgaben besser zu lösen und wirtschaftlicher zu machen. Diese Bestrebung beruht auf Datenauswertung, auf der Steigerung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Dienstleistungsangebots sowie auf der Zielsetzung, einer der europäischen Spitzenreiter bei der Digitalisierung, unter Verteilernetzgesellschaften, zu werden.

Datenmanagement als zentrale Aktivität moderner Stromnetzverteiler

Vielleicht entgegen der überkommenen Vorstellungen gehören Daten-Kompetenzen schon längst zu den Aufgaben der Stromnetzverteiler. Seit Jahrzenten wird der Stromkonsum anhand verfügbarer Daten tatsächlich profiliert, um Netze operieren zu können und um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dies geschieht unter voller Achtung des Schutzes personenbezogener Daten.

Dieser Teil der Aktivität nimmt durch die massive Bereitstellung von Smart Meters in vielen europäischen Ländern (darunter Frankreich) und durch die folgende Entwicklung massiver Datenbanken (Big Data) enorm zu. So werden unter anderem die statistische Vorhersage von Wetterschwankungen, von Betriebsverlusten, oder die vorbeugende Instandhaltung zu steigender Effizienz führen. Dazu wird in den kommenden Jahren Open Data am wahrscheinlichsten zum Standard werden – soweit es die industrielle Cyber-Sicherheit selbstverständlich erlaubt.

Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass Stromnetzverteiler, hinter NGOs und öffentlichen Behörden, als vertraulichste Akteure des Energiesektors in europäischen Ländern betrachtet werden. Zurzeit wir bei der ERDF – sowie bei den anderen europäischen Verteilernetzgesellschaften – massiv in Infrastruktur, Partnerschaften und Kompetenzen investiert, um die Datenmanagementaufgaben immer besser und sicherer zu erfüllen. Was wäre nämlich ein DSO als „neutral Market Facilitator“ im Umfeld der digitalen Revolution, ohne entsprechende Entwicklung seiner Daten-Kompetenzen?

Offene Innovation und digitale Kultur fördern

Die digitale Revolution der ERDF, die außer der Entwicklung des Datenmanagements auch die Verbesserung der Territorien- und Kundenbeziehung, der Mobilitätsinnovation, der digitalen Arbeitskultur und der Netzverwaltung betrifft, beruht auf intensivem Austausch mit dem externen Innovationssystem (insbesondere Startups) sowie auf der Förderung einer digitalen Zusammenarbeitskultur innerhalb des Unternehmens. Bei der ERDF wurde das Ziel gesetzt, über Organisationen und vertikale Prozesse alle Mitarbeiter und Berufsfelder immer stärker quer zu vernetzen. Ab 2016 werden übrigens alle einen Zugang zu einer Online-Lernplattform bekommen, um sich mit digitalen Tendenzen, Werkzeugen und Konzepten vertraut zu machen.
Sogenannte „Hackathons“ (Kürzung von „Hack“ und „Marathon“, zweitägige Innovations-Wettbewerbe) gehören nun, zugunsten der Innovation, zu den wiederkehrenden Unternehmensveranstaltungen. So wurden im Sommer 2015 drei unter 24 Projektentwürfen gewählt. Neue mobile Anwendungen für Solidarität zwischen Mitarbeitern, provisorische Stromversorgung und Gefahrprävention werden als Folge in der Firma entwickelt.

Die zunehmend bedeutende Konvergenz zwischen Energie und Digital wird seit mehreren Monaten immer öfter erwähnt, sei es in den Medien oder auf der politischen Ebene. Zahlreiche neue Startups tauchen jeden Monat auf. Unternehmen des Digital- und Telekommunikationssektors interessieren sich nun offensichtlich für Energiefragen. Die zwei Themen werden von europäischen und nationalen politischen Entscheidungsträgern regelmäßig verbunden.

Letztendlich sollen die Endverbraucher, die Kunden, Länder und Kommunen von dieser Konvergenz profitieren können. So lautet das strategische Ziel der Netzverteiler, die sich so aufstellen wollen, dass diese digitale Revolution von allen Netzbenutzern als Opportunität verstanden wird und um einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz, beziehungsweise zur Energiewende, zu leisten.

Christian BuchelVerpassen Sie nicht Christian Buchels Vortrag zum Thema „Flexibilisierung – Automatisierung – Digitalisierung Informations-und Kommunikationstechnik im Zusammenspiel mit Mess- und Netztechnologie“, am 21. Januar 2015, bei der 23. Handelsblatt Jahrestagung Energiewirtschaft 2016.

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