Interview mit Jochen Schwill, CEO, Next Kraftwerke


Im Rahmen des Handelsblatt Energie-Gipfels 2020 sprachen wir mit Jochen Schwill unter anderem über die Zukunft von Erneuerbaren Energien, die Vernetzung von Kraftwerken und Smart Home Lösungen.

Denken Sie, Deutschland befindet sich auf einem guten Weg, den Strombedarf in naher Zukunft aus erneuerbaren Energien decken zu können?

Wir sind davon überzeugt, dass der Strombedarf in Deutschland bis spätestens 2050 zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien gedeckt werden kann. Die Flexibilität im System wird groß genug dafür sein – die Technologien stehen heute schon dafür bereit. Das Problem ist, dass noch zwei Systeme nebeneinander existieren: das alte zentralistische und das neue dezentrale Marktsystem. Das kann langfristig nicht funktionieren. Mit dem erhöhten Anteil von Erneuerbaren Energien im System können wir nicht mehr wie im alten System einfach mit dem Angebot der Last folgen. Produktion und Nachfrage müssen sich aneinander ausrichten. Wir glauben, es ist höchste Zeit für alle Akteure, sich auf das neue System ein- und umzustellen, um 100 Prozent Erneuerbare Energien zu realisieren.

Glauben Sie, eine CO2-Steuer ist eines der Werkzeuge, das man auf dem Weg zu einer klimaneutralen Energieerzeugung anwenden sollte?

Wir halten es für sinnvoll CO2 auch außerhalb des Emissionshandels mit einem Preis zu versehen.

Welche Vorteile bietet die Vernetzung von Energieerzeugern durch das Virtuelle Kraftwerk von Next Kraftwerke? 

Unser Virtuelles Kraftwerk stellt Flexibilität für das System bereit – so wie eine große Batterie. Die digital vernetzten, flexiblen Produzenten und Verbraucher in unserem Next Pool sind in der Lage in Sekunden auf unsere Steuerungssignale zu reagieren. Das nutzen wir, um den Übertragungsnetzbetreibern Regelenergie anzubieten; aber auch, um die Anlagen entlang der Preissignale der Börse zu steuern. Wir lassen sie dann Strom produzieren, wenn die Nachfrage groß ist und Strom verbrauchen, wenn das Angebot groß ist. So tragen wir durch unseren Schwarm an Kleinkraftwerken dazu bei, die Schwankungen aus zu balancieren, die durch die volatile Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien entstehen und optimieren gleichzeitig die Gewinne unserer Kunden. Das macht Erneuerbare Energien wirtschaftlicher, was ihren Ausbau fördert und so die Energiewende vorantreibt. Durch die Bereitstellung von Flexibilität aus bestehenden Anlagen sorgen wir außerdem für mehr Effizienz – schließlich müssen nun weniger neue Großspeicher gebaut werden. Davon profitiert das System als Ganzes.

Gibt es bereits Lösungen, wie das virtuelle Kraftwerk von Next Kraftwerke im Rahmen von Demand Response mit Smart-Home Lösungen verbunden werden kann?

Ja, in diesem Fall sind wir als Next Kraftwerke in der Regel der Aggregator der Vor-Aggregatoren. Das bedeutet, wir sind die Schnittstelle zwischen Übertragungsnetzbetreiber und Markt, während unser Partner die Schnittstelle zu den Haushalten ist. So arbeiten wir zum Beispiel in den Niederlanden im Rahmen eines Pilotprojekts mit Jedlix zusammen, die eine smart-charging-App für Elektroautos entwickelt haben. Jedlix ist die Schnittstelle zu den Fahrern, wir stellen die Schnittstelle zum Übertragungsnetzbetreiber TenneT dar, um den Strom als Regelenergie anzubieten. In Portugal haben wir mit der japanischen New Energy and Industrial Technology Development Organization ein Forschungsprojekt begleitet, in dem Klimaanlagen vernetzt und deren Flexibilität genutzt wurden, um ihren Stromverbrauch auf Zeiten mit niedrigeren Strompreisen zu verlagern.

Was sind Ihre Pläne für die zukünftige Entwicklung von Next Kraftwerke?

Wir sehen, dass in vielen Ländern die Nachfrage nach Lösungen zum Monitoring, Forecasting und zur Steuerung Erneuerbarer Energien steigt – zum einen, um das Netz auszubalancieren und zum anderen, um zu verstehen, was in den nächsten Stunden auf dem Strommarkt passieren wird. Mit einem immer höheren Anteil Erneuerbarer Energien im System sind Fragen wie „Welche Anlage speist gerade wie viel Strom ein?“, „Wieviel Strom sollte sie besser einspeisen, um wirtschaftlicher zu agieren“ und „Was passiert in vier Stunden?“ zentral für Marktteilnehmer wie Netzbetreiber und Stadtwerke. Hier wollen wir unterstützen. In den vergangenen Jahren haben wir unser Geschäft immer weiter internationalisiert und unsere Expertise erweitert. Wir bieten heute nicht mehr nur den Marktzugang für Erneuerbare Energien über unser eigenes Virtuelles Kraftwerk an, sondern auch eine Software-as-a-Service-Lösung für Dritte, mit der sie selbst ihre Anlagen vernetzen, prognostizieren und steuern können.