Energiewende: Mit den USA ist weiterhin zu rechnen | #HBEnergie-Interview mit Andreas Kuhlmann

Titelbild: Energiewende: Mit den USA ist weiterhin zu rechnen | #HBEnergie-Interview mit Andreas Kuhlmann

Die Energiewende ist eine Gemeinschaftsaufgabe: Im Interview erläutert dena-Chef Andreas Kuhlmann welche Länder dabei eine besondere Rolle einnehmen und warum auch weiterhin einer Beteiligung der USA zu rechnen ist.

Herr Kuhlmann, wieso betrachten Sie das Thema Energietransformation global und nicht nur auf Deutschland bezogen?
Klimaschutz ist ja nicht auf Deutschland beschränkt. Viele Länder haben sich auf den Weg gemacht, und je besser der Austausch untereinander ist, desto eher und effizienter können alle ihre Ziele erreichen. Für Unternehmen aus Deutschland, die in diesem Bereich aktiv sind, ist das eine Riesenchance, auch auf Auslandsmärkten erfolgreich zu sein. Das sollten wir viel stärker unterstützen. Allerdings: Nicht immer kommen die besten Lösungen und Ideen für die Energiewende aus Deutschland. Andere haben aufgeholt und oft vielleicht sogar noch bessere Ansätze.

Können Start-ups einen entscheidenden Anteil an der Transformation bilden oder sollen sie nur Impulse und Denkanstöße geben?
Wir erleben bei der Energiewende eine sich stetig beschleunigende Innovationsdynamik. Hier haben die Ideen und Projekte von Start-ups nicht nur eine wichtige Rolle, sondern auch eine reale Chance. Ihr Vorteil ist, dass sie ohne „Altlasten“ schnell und fokussiert an neuen Themen arbeiten können. Die oft jungen Leute sind klasse ausgebildet, haben eine hohe Motivation und sind viel offener und agiler bei der Suche nach branchenübergreifenden Partnern. Ich bin sicher, viele neue Unternehmen werden am Ende dazu beigetragen haben, dass wir bei der Transformation vorangekommen sind. Deutschland könnte für die Start-up-Landschaft sicherlich noch mehr tun − nicht nur die Politik, auch andere Unternehmen und Investoren. Wir haben zum Beispiel mit dem Future Energy Accelerator, getragen von der deutschen Wirtschaft, einen konkreten Vorschlag dafür gemacht und arbeiten zusammen mit dem Bundeswirtschaftsministerium und einer Reihe bereits interessierter Unternehmen nun an der Realisierung. Wir werden noch viel Spannendes erleben.

Gibt es einzelne Industriezweige, die für den Transformationsprozess besonders wichtig sind?
Der Klimaschutzplan der Bundesregierung hat gezeigt, dass im Grunde alle Branchen und Industriezweige für das Gelingen wichtig sind. Aktuell reden wir viel über den Verkehr und die Autohersteller. Aus gutem Grund, hier ist die CO2-Bilanz längst nicht so, wie sie sein sollte. Auf der Verbraucherseite spielt aber besonders die energieintensive Industrie eine wichtige Rolle. Die für den Wirtschaftsstandort Deutschland bedeutsamen neun energieintensiven Branchen − Stahl, Aluminium, Chemie, Kupfer, Papier, Zement, Glas, Chlor und Ammoniak − machen rund zwei Drittel des Energieverbrauchs im Industriesektor aus. Hier gibt es viel Potenzial. Die Chancen liegen beispielsweise darin, Produktionsprozesse energieeffizienter und flexibler zu gestalten und fossile Energieträger durch Wasserstoff oder Strom aus erneuerbaren Energien zu ersetzen. Ein Beispiel ist die Stahlindustrie, die zur Stahlerzeugung heute noch große Mengen von Kohle und Koks einsetzt. Um die Klimaschutzziele 2050 zu erreichen, wird es notwendig sein, diese langfristig durch andere Prozessstoffe wie beispielsweise Wasserstoff und CCU, eine Technologie zur Nutzung von CO2 als Rohstoff, zu unterstützen. Für die Stahlbranche ist es eine Herausforderung, neue klimaverträgliche Prozesse zu finden. Fortschritt fällt nicht vom Himmel, die Innovationszyklen für neue Lösungen sind kompliziert. Das sollten wir bei der Diskussion über deren Rolle berücksichtigen. Ein verbindendes Element für alle Branchen ist sicher die Digitalisierung. Sie hilft, Prozesse effizienter zu steuern und Energieverbräuche transparenter zu machen.

Wie ist die Resonanz auf den ersten „Start Up Energy Transition Award“?
Die Resonanz von Teilnehmern, Botschaftern und Partnern war sehr positiv. Der Award, bei dem Start-ups ihre Lösungen für weltweiten Klimaschutz und Energiewende präsentieren konnten, war bereits im ersten Jahr ein toller Erfolg. Anfangs waren wir unsicher, ob wir unserem Anspruch, ein globales Event auszurichten, gerecht werden können. Letztlich zahlte sich das gute internationale Netzwerk der dena aus. Uns erreichten über 500 Bewerbungen aus 66 Ländern. Außerdem konnten wir eine ganze Reihe spannender Partner aus der Energiewirtschaft und der Start-up-Branche gewinnen. Alles in allem waren wir mehr als glücklich mit der Entscheidung, die Initiative „Start Up Energy Transition“ ins Leben gerufen zu haben, und werden diese 2018 auch fortsetzen.

Gibt es aus Ihrer Sicht Nationen, die sich beim Transformationsprozess herausheben?
Neben Industrienationen wie Deutschland, die eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung der Energiewende übernehmen, kommt es auch auf größere Schwellenländer an. In unserer internationalen Arbeit machen wir sehr spannende Erfahrungen mit China. Bei unserem Start-up-Award waren neben China auch Brasilien und Indien auffallend stark vertreten. Allein aus diesen drei Ländern erreichten uns über 100 der 500 Bewerbungen. Afrika war mit 69 Bewerbungen vertreten. Das ist ein gutes Zeichen dafür, dass hier bereits einiges in Bewegung ist. Richtig spannend finde ich, was aktuell in Kalifornien und anderen US-Bundesstaaten passiert. Hier setzen die Regierungen ihren Klimaschutzkurs fort, obwohl US-Präsident Donald Trump den Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen erklärt hat. Mit den Vereinigten Staaten ist also weiter zu rechnen.

Welche Ideen und Visionen haben Sie bisher am meisten beeindruckt?
Es gibt so viele gute und erfolgversprechende Ideen, dass es mir schwerfällt, einzelne herauszuheben. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie viel Energie und damit auch Kosten und Treibhausgase mit Digitalisierung und Effizienzmaßnahmen gespart werden können. Junge Unternehmen wie sonnen, ubitricity und Hydrogenious Technologies beeindrucken mich durch ihre Hartnäckigkeit und ihre neuen Ansätze; aber auch Joint Ventures wie das zwischen BMW und Viessmann oder die Veränderungsdynamik, die man heute bei etablierten Unternehmen sehen kann. Kurzum: Das ganze Projekt Energiewende fasziniert mich, national und international. Ein bisschen weniger Naivität als in der Vergangenheit, ein bisschen mehr Begeisterung für Innovationen – das könnten wir in der Debatte gut gebrauchen. Und wenn es uns dann noch gelingt, den richtigen politischen Rahmen dafür zu schmieden und auch in der Politik wieder mutiger zu sein, dann wird das was mit der Energiewende.

Über:

Andreas KuhlmannAndreas Kuhlmann ist seit Juli 2015 Vorsitzender der dena-Geschäftsführung. Zuvor war der Diplom-Physiker unter anderem beim Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) tätig.
@AJK_Kuhlmann | @dena_news

Dieser Artikel ist Teil unseres digitalen Magazins „Schnittstelle Energie Vol. 2 – Interaktive Insights zur Energiewirtschaft“. Es erwartet Sie Querschnitt durch die wichtigsten aktuellen Themen in der Branche, wie:

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