Ein Plädoyer für die Blockchain

von Frank Thelen

Blockchain ist das Buzzword des Jahres – und das zu Recht, handelt es sich dabei doch um eine der wichtigsten technologischen Entwicklungen der letzten Zeit.

Was ist sie jedoch genau und was kann sie? Darüber herrscht immer noch Unsicherheit. Nicht wenige setzen diese Technologie mit der darauf basierenden Kryptowährung Bitcoin gleich – eine sehr verkürzte Sichtweise, denn die Blockchain kann und ist viel mehr: Bei einer Blockchain handelt es sich im Grundsatz zunächst um eine auf viele Instanzen verteilte Datenbank, die kein zentraler Administrator alleine verändern kann. Wie der Name impliziert, laufen die Transaktionsprozesse dabei in einer Kette ab. Es muss unter allen Teilnehmern der „Kette“ immer ein Konsens über die entsprechenden Änderungen erzielt werden. Da die Bestätigungen mit wachsender Länge der Kette immer rechenintensiver und damit auch zeitaufwendiger werden, setzt man bei neuen Ansätzen auf verteilte Bestätigungsprozesse in dezentralen Datenbanken. Dieser werden entsprechend als „Distributed Ledger“ – „verteiltes Kassenbuch“ – bezeichnet. Sie bieten die Sicherheit einer Blockchain bei höherer Effizienz.

Die Blockchain eignet sich für alle Bereiche, in denen es auf höchste Sicherheit bei sensiblen Transaktionen ankommt. So plant beispielsweise Dubai, alle Visa-Angelegenheiten und andere melderechtliche Vorgänge in naher Zukunft blockchain-basierend zu bearbeiten. Ebenso kann der Handel besonders wertvoller Güter, wie z.B. von Kunstwerken oder Rohstoffen, von der Blockchain profitieren, da Herkunft und alle bisherigen Eigentümerwechsel sicher und transparent nachvollziehbar sind. Auch komplexe Eigentumsverhältnisse können leicht dokumentiert und verwaltet werden, wenn beispielsweise ein wertvolles Gut von mehreren Personen gemeinsam erworben werden soll – eine interessante Anwendung für den Immobilienbereich, die in Zukunft das Grundbuch entbehrlich machen kann.

Einer der Haupteinsatzbereiche wird aus meiner Sicht jedoch die Finanzierung von Unternehmen sein, die im Bereich von Technologie- und Internet Start-ups zusehends über ICOs (Initial Coin Offerings) erfolgt. Diese sind entstanden, da die Börse aufgrund ihrer veralteten Software- und Kostenstrukturen erst für Firmen in weit fortgeschrittenen Wachstumsphasen geeignet ist. Die herkömmlichen Wege – z.B. GmbH Anteile zu verkaufen – sind angesichts der notwendigen Notartermine oder Handelsregistereinträge zu zeitaufwendig und kompliziert. Es gibt also unbestritten einen großen Bedarf, Unternehmensbeteiligungen zuverlässig, sauber reguliert und zu deutlich niedrigeren Kosten zu anzubieten.

Hier bringt z.B. das Start-up Neufund die Welt der klassischen, regulierten Börse mit den neuen, unregulierten ICOs zusammen. Es nutzt als Grundlage die erweiterte Blockchain Plattform Ethereum, die sogar automatisierte Verträge (Smart Contracts) zu jeder Beteiligung hinterlegen kann, um Unternehmensanteile zu verwalten. Das Ergebnis nennt sich ETO: Equity Token Offering. Neufund steht hinsichtlich der Regulierung in Abstimmung mit der Bafin. Hier zeigt sich, wie wichtig ein tiefgreifendes Verständnis der Politik und Behörden für neue Entwicklungen ist, damit die richtigen Weichen für Zukunftstechnologie in Deutschland gestellt werden.

Polen ist ein lehrreiches Beispiel: Dort wurde beschlossen, steuerliche Gesetzgebung zum Nachteil von Blockchain-Unternehmen anzuwenden. In der Folge haben mehr oder weniger alle darauf angewiesenen Unternehmen Polen verlassen, mit BitBay die größte europäische Exchange-Plattform für Kryptowährungen, die jetzt auf Malta angesiedelt ist. Nun versucht Polen, die Fehlentscheidungen zu korrigieren – aber kein Unternehmen wird zurück kehren (https://cointelegraph.com/news/polish-govt-invitesbitbay- to-join-working-group-as-exchange-forcedto- leave-country), denn Unternehmen haben inzwischen viele Optionen, denn es war noch nie einfacher, einen Firmensitz von einem Land in ein anderes zu verlagern.

Doch Unternehmensbeteiligungen sind sicher nur der Anfang: die Blockchain wird viele daten-getriebene Industrien revolutionieren, wozu auch die für uns so wichtige Automobilindustrie zählt – Stichworte E-Mobility, Connected Driving und Self-Driving Cars. In all diesen Bereichen brauchen wir schnell klare Aussagen und Vorgaben, dass aktuelle Regelungen technologiefreundlich zu interpretieren sind. Mittelfristig wird es jedoch nicht ohne neue Gesetze gehen, damit wir nicht auch noch diesen aufstrebenden Markt an die Amerikaner oder Chinesen verlieren. Ein Traum wäre, wenn der Staat selbst klassische Verwaltungsvorgänge wie Handelsregister, Grundbuch oder das Meldewesen auf Distributed Ledger Technologie betreiben würde.

Ich will hier aber hoffnungsvoll erwähnen, dass unter anderem Doro Bär, Christian Lindner, Stephan Heilmann und Peter Altmaier sich klar pro Blockchain positioniert haben. Aber jetzt brauchen wir mehr als reine Bekenntnisse, nämlich die Sicherheit, dass die Blockchain Industrie in Deutschland willkommen ist.

Frank Thelen
Geschäftsführer
Freigeist Capital GmbH