
Dr. Timm Kehler, Vorstand Zukunft Gas
Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie hat die Bundesregierung vor 1.000 Tagen einen international anerkannten Meilenstein gesetzt. In einem nächsten Schritt muss die Fortschreibung der Strategie nun vor allem auf Herkunftsnachweise und die Infrastruktur für neue Gase eingehen.
Mit ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie hat die Bundesregierung am 10. Juni 2020 das Thema Wasserstoff erstmals und ernstzunehmend in den Blickpunkt der weltweiten Energiewende gerückt. Sie hat damit einen international viel beachteten Impuls gegeben, der auch im Ausland ähnliche Initiativen ausgelöst hat.1.000 Tage später können wir konstatieren: Der Start in die Wasserstoffzukunft ist gelungen. Wasserstoff, oder allgemeiner „erneuerbare und dekarbonisierte Gase“ sind fest in der Energiewende verankert.
Ein Erfolgsbeispiel ist die Stiftung H2Global, die gegründet wurde, um den Hochlauf des Wasserstoffmarkts weltweit voranzubringen. Eine effiziente Verzahnung der Förderinstrumente über die gesamte Lieferkette hinweg kann auch eine wirksame europäische Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) der USA geben. Gerade mit Blick auf den IRA und unsere Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt dürfen wir nun aber nicht bei reinen Absichtserklärungen stehen bleiben. Wir benötigen jetzt eine pragmatische Herangehensweise, denn wir müssen und wollen Wasserstoff statt Richtlinien produzieren. Daher fordern wir für einen international funktionsfähigen Wasserstoffmarkt vor allem klare Herkunftsnachweise. So wie sich heute Bio-Orangen aus Spanien problemlos auch in Deutschland als Bio-Orangen verkaufen lassen, muss dies auch mit grünem Wasserstoff aus Spanien möglich sein. Ein positives Signal hierbei ist, dass das Bundeswirtschaftsministerium in seiner Fortschreibung der Strategie auch blauen Wasserstoff für den schnellen Hochlauf fördern will. Auch hier gilt: Wir müssen bei Wasserstoff und neuen Gasen endlich groß und pragmatisch denken.
Um den Energieträger Wasserstoff künftig breit nutzen zu können, ist der Aufbau einer Infrastruktur, sowohl hier als auch in den zukünftigen Exportländern unabdingbar. Unsere Ausgangslage ist sehr gut: Mit der bestehenden Gasinfrastruktur gibt es ein tragfähiges Fundament. Europäische Energieinfrastrukturbetreiber haben darüber hinaus in der Initiative European Hydrogen Backbone ihre Vision für eine etwa 53.000 Kilometer lange Wasserstoffnetzinfrastruktur in 28 europäischen Ländern entwickelt, die zu großen Teilen aus umgewidmeten Erdgasleitungen bestehen wird. Wir begrüßen, dass das BMWK den European Hydrogen Backbone umsetzen und Importterminals schaffen will. Auch bei den Terminals ist die Branche bereit. So entstehen beispielsweise in Wilhelmshaven und Stade nicht nur landbasierte LNG-Terminals, sondern Energy Hubs, die nach dem Ende der Erdgasnutzung für den Import dekarbonisierter und erneuerbarer Gase genutzt werden können.
Positiv zur Kenntnis nehmen wir auch, dass die Bundesregierung offenbar von ihrer Idee einer neuen staatlichen Wasserstoff-Netzgesellschaft abgekommen. Hier sind die etablierten privatwirtschaftlichen Akteure deutlich effizienter und schlagkräftiger aufgestellt und können schneller agieren. Und auch hier gilt es groß zu denken und nicht nur im Fernleitungsnetz das Rückgrat unserer zukünftigen Energieversorgung zu sehen. Das Verteilnetz, das heute 20 Millionen Haushalte, aber eben auch 1,8 Millionen Gewerbe- und Industriekunden versorgt, muss in ein künftiges System eingebunden werden und dieses System sollte mit den Stromnetzen zu einem integrierten Energiesystem zusammenwachsen. Hierfür sind viel Engagement, Pioniergeist und Mut nötig. Eigenschaften, welche, die Gaswirtschaft mitbringt. Sie ist bereit, Gase neu zu denken. Was wir nun brauchen, ist, so viel Geschwindigkeit und Pragmatismus wie möglich, und so wenig Verwaltungsstruktur wie nötig.