
Prof. Dr. Georg Streit, Rechtsanwalt, Partner, Heuking Kühn Lüer Wojtek
Frau Dr. Ute Jasper, Rechtsanwältin, Partnerin, Heuking Kühn Lüer Wojtek
Sanierungen im Kontext des öffentlichen Wirtschaftsrechts haben oft große Bedeutung und besitzen mediales und politisches Interesse. Bei Beteiligung der öffentlichen Hand als Stakeholder sowie im Rahmen von Sanierungs- und Insolvenzsituationen im Bereich regulierter Branchen, wie etwa dem öffentlichen Personenverkehr oder im Bereich der Luftfahrt, z. B. in Bezug auf Fluggesellschaften und Betreiber Flughäfen, gelten Sonderregeln. Das öffentliche Wirtschaftsrecht hat erheblichen Einfluss auf Möglichkeiten, Dauer und Ziele im Rahmen außergerichtlicher und gerichtlicher Sanierungsvorhaben. Restrukturierungspraktiker müssen die Grundsätze kennen.
Öffentliche Hand als Vertragspartner: Vergaberecht und Beihilferecht
Ist die öffentliche Hand, etwa als Aufgabenträger im Rahmen der Daseinsvorsorge, z. B. im Hinblick auf die Bereitstellung des öffentlichen Nahverkehrs, Vertragspartner eines Unternehmens in der Krise, so ist dem Vertragsschluss in aller Regel aufgrund der Vorgaben des Vergaberechts ein Vergabeverfahren vorausgegangen. Dabei wird unter Zugrundelegung gleicher Bedingungen für interessierte Anbieter die Auswahlentscheidung getroffen. Dies hat zur Folge, dass in einer Liquiditätskrise des Vertragspartners nicht einfach Preiserhöhungen hinsichtlich der vergebenen Leistungen erfolgen können. Andere Anbieter würden unfair benachteiligt, wenn ein im Vergabeverfahren mit einem günstigen Preisangebot erfolgreiches Unternehmen anschließend mit Hinweis auf seine Krise eine Preiserhöhung erwirken könnte.
Ähnliche Probleme stellen sich im Hinblick auf das Beihilferecht. Die öffentliche Hand darf nicht durch Förderung einzelner Unternehmen in den Wettbewerb eingreifen und die Chancen und Risiken konkurrierender Anbieter beeinflussen. Sanierungsbeiträge der öffentlichen Hand, etwa durch Forderungsverzichte und sonstige Vergünstigungen, sind daher genau auf ihre Zulässigkeit zu prüfen. Ein Entgegenkommen muss den Anforderungen eines sogenannten „Private Creditor Test“ genügen. Dabei ist zu prüfen, ob ein wirtschaftlich denkender privater Gläubiger in der im Übrigen gleichen Situation zu demselben Entgegenkommen bereit wäre.
Verstöße gegen das Beihilferecht können gravierende Haftungsfolgen auslösen. Ähnlich wie Verbindlichkeiten aufgrund von Kartellverstößen sind etwaige Haftungsfolgen selbst im Falle einer Insolvenzsanierung (Plansanierung, übertragende Sanierung) nicht ohne Weiteres „abzustreifen“. Erforderlich zum Schutz des plansanierten Rechtsträgers bzw. der übernehmenden Auffanggesellschaft ist ein seinerseits den Anforderungen eines fairen Vergabeverfahrens genügender M&A-Prozess als Bieterverfahren.
Differenzierungsverbot bei Restrukturierungs- und Insolvenzplänen
Deutlich werden diese Vorgaben auch im Rahmen des § 7 COVInsAG, der ein Differenzierungsverbot für Restrukturierungspläne gem. StaRUG und Insolvenzpläne gem. InsO hinsichtlich der Forderungen der öffentlichen Hand im Zusammenhang mit staatlichen Leistungen im Rahmen der Programme zur Bewältigung der COVID-19 Pandemie statuiert. Dies ist Ausdruck eines allgemeinen Prinzips. Öffentliche Gläubiger dürfen bei im Übrigen gleichen Bedingungen nicht schlechter als private Gläubiger behandelt werden.
Spezialregelungen für regulierte Branchen
Schließlich sind neben dem allgemeinen öffentlichen Wirtschaftsrecht auch etwaige Spezialregelungen zur Regulierung bestimmter Branchen zu beachten. Beispielhaft sei hier auf § 1 BahnG hingewiesen. Die Norm regelt, dass der Betrieb eines Bahnunternehmens auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bahneigentümers nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde eingeschränkt oder stillgelegt werden darf. Die Regelung geht als speziellere Norm zur Sicherung der Daseinsvorsorge auch den sonst geltenden allgemeinen insolvenzrechtlichen Vorgaben vor, die im Normalfall bei einem verlustträchtigen Betrieb, anknüpfend an gewisse Voraussetzungen, tendenziell die Betriebseinstellung gebieten. Im Fall des Falles sind alle Beteiligten im Rahmen einer Sanierung bzw. einer Insolvenz aufgerufen, mit Augenmaß die Vorgaben des öffentlichen Wirtschaftsrechts, der Regulierung bestimmter Branchen und die Grundsätze des Insolvenzrechts in Einklang zu bringen.
Zusammenfassung und Fazit
Bei Beteiligung der öffentlichen Hand als Gläubiger und im Fall von Sanierungen und Insolvenzen von Unternehmen regulierter Branchen gelten besondere Vorgaben. Sanierungs- und Insolvenzpraktiker sind gut beraten, interdisziplinäre Teams mit Spezialisten des öffentlichen Wirtschaftsrechts zu bilden und die entscheidenden Stakeholder so frühzeitig wie möglich in die Planung der Sanierung einzubeziehen. Ohne Beachtung dieser Grundsätze gestellte Forderungen nach Forderungsverzichten, Vertragsanpassungen und Preiserhöhungen sowie Hinweise auf andernfalls drohenden Betriebseinstellungen scheitern sonst an der Realität vergabe- und beihilferechtlicher Vorgaben sowie spezieller Regelungen zur Regulierung sensibler Branchen, was die Sanierung gefährden kann.
Checkliste Sanierung/Insolvenz/öffentliches Wirtschaftsrecht
- Öffentliche Hand/öffentliche Aufgabenträger wesentlich betroffen?
- Ziel Forderungsverzicht?
- Beihilferecht beachten
- Private Creditor Test
- Ziel Preiserhöhung/Vertragsanpassung?
- Beihilferecht
- Vergaberecht
- Differenzierungsverbot bei Restrukturierungsplänen und Insolvenzsanierungsplänen
- Ziel Forderungsverzicht?
- Regulierte Branchen betroffen (Daseinsvorsorge)?
- Spezielle Vorgaben beachten
- Besondere Vorgaben für etwaige Betriebseinstellung?
Prof. Dr. Georg Streit
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