
Dr. Franz Bernhard Herding, Partner, Allen & Overy
Falls nicht schon passiert, gilt es nun eine wetterfeste Finanzierungsstruktur vorzubereiten. Denn statt das verschobene Wachstum nachholen und in die Corona-Schulden hineinwachen zu können, ziehen die Preise an und kündigen sich höhere Zinsen an. Unternehmen sind also gefordert, ein für alle Seiten tragbares Paket zu schnüren, um trotz vielfältiger Widrigkeiten ihr Wachstumspotential in den nächsten Jahren zu heben. Vorbereitung eines belastbaren Zahlenwerks und transparenten Liquiditätsmanagements sowie konsequente Maßnahmen zur Adressierung der Risiken – darum muss es jetzt für eine gemeinsame Kraftanstrengung mit den unterschiedlichen bestehenden und ggf. neuen Kapitalgebern gehen.
Der Schuldenstand vieler deutscher Unternehmen hat ein Rekordniveau erreicht und sich während der Pandemie noch einmal deutlich beschleunigt. Dies betrifft nicht nur die von den Lockdown-Maßnahmen und Lieferengpässen betroffenen Firmen, sondern mehr oder weniger alle Sektoren in Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe. Angesichts des allgemein beklagten Investitions- und Innovationsstaus sowie notwendiger Ausgaben für die Dekarbonisierung stellt dies eine Herausforderung für viele Unternehmen in einem hart umkämpften Marktumfeld dar. In den letzten zwei Corona-Jahren konnten viele Unternehmen zudem nur durch erhebliche staatliche Unterstützung stabilisiert werden; die Zahl der Unternehmensinsolvenzen waren in 2020 und 2021 sogar stark rückläufig. Aber nun drücken die alten und neuen Schulden und eine schnelle Rückführung von KfW, WSF und ihren Finanzierungspartnern nach dem „Last-in, first out“-Prinzip durch gutes Wachstum nach der Krise rückt in weite Ferne. Auch die üblichen „Amend&Extend-Lösungen“ müssen sich in der mittelfristigen Finanzplanung abbilden lassen, sonst stellen sich schwierige Fragen der Lastenverteilung, ggf. auch zwischen Eigen- und Fremdkapital und neue Finanzierer zieren sich.
Ohnehin stehen nun in den kommenden Jahren zahlreiche Unternehmensfinanzierungen zur Refinanzierung an. Das Umfeld hat sich allerdings seit Herauslage der meisten Darlehen oder sonstiger Instrumente radikal geändert: Inflation, Krieg in der Ukraine, explodierende Rohstoffpreise und gefährdete Lieferketten sowie ein drohender Konjunktureinbruch sind die Hauptrisiken. Schließlich ist auch die Position der Banken und sonstiger Kapitalgeber eine andere als vor wenigen Jahren noch: Zwar steigt das Zinsniveau und Kreditvergabe wird insoweit wieder attraktiver, doch mit Blick auf das eigene Risikoprofil prüfen die Banken und Investoren nun intensiver. Für viele Unternehmen könnte die finanzielle Situation also eng werden.
Für viele CEOs und CFOs ist es daher an der Zeit, die Finanzierungsstrategien ihres Unternehmens schon jetzt neu zu denken. Gerade wenn sich der Ausblick eintrübt und die tägliche Nachrichtenlage verunsichert, gilt es durch ein transparentes Zahlenwerk und erhärtete Planungsannahmen für das eigene Geschäftsmodell eine belastbare Gesprächsunterlage zu schaffen. Eine ggf. von dritter Seite validierte Unternehmensplanung (Independent Business Review) und ein umsichtiges Liquiditätsmanagement innerhalb der Unternehmensgruppe, ggf. mit einer rollierenden Liquiditätsplanung, schaffen Vertrauen und lassen sich nicht über Nacht herstellen. Natürlich zählt die überzeugende Strategie und dann die zur Umsetzung des strategischen Leitbildes passenden Maßnahmen, die in konkrete Teilschritte herunter zu brechen sind, die volumen- und zeitmäßig in die Unternehmensplanung integriert werden können. Von besonderer Bedeutung sind dabei aus Sicht der Fremdkapitalgeber liquiditätsschöpfende Maßnahmen, um möglichst viel Finanzierungsdruck aus der Struktur herauszunehmen, also bspw. Working Capital Management, ergänzende Finanzierungsinstrumente wie Factoring oder Sale&Lease-back oder auch Schuldenabbau durch Desinvestment: Abgesehen von dem so genannten Gesundschrumpfen bietet sich hier vor allem die Option der Carve-outs an. Hierbei werden Unternehmensbereiche, die nicht zum Kerngeschäft zählen oder die z. B. besonders hohe Kosten für die Dekarbonisierung erfordern würden, veräußert und mit den entsprechenden Bereichen anderer Unternehmen verschmolzen.
Auch die Kapitalstruktur und die zugehörigen Kapitalgeber verdienen jetzt besondere Aufmerksamkeit und regelmäßiger Austausch auf vertrauensvoller Basis schafft die notwendige Rückendeckung auch für unangenehme Themen. Denn auch wenn häufig der Verkauf des „Tafelsilbers“ und die Hebung stiller Reserven aus Sicht des Gesellschafters schon schmerzhaft ist, wird es in einigen Fällen doch auch um zusätzliche Eigenmittel gehen (müssen), um auch die Fremdkapitalgeber für die anstehende Herausforderung zu motivieren. Und die wesentlichen Finanzierungspartner sollte genau überlegen, wieviel Druck sie dem Unternehmen zumuten können oder müssen. Unter dem Strich wird es in vielen Fällen darum gehen, das Spannungsverhältnis von Schuldentilgung und Investition bis in die nächste Wachstumsphase auszubalancieren. Auch neue Finanzierungspartner können eine Entlastung bringen, bringen aber Licht und Schatten und bedürfen daher einiger konzeptioneller (Vor-)Arbeit: So versprechen Finanzinvestoren frisches Kapital und Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Unternehmens, kosten den Gesellschafter oder das Management jedoch auch einen erheblichen Teil der unternehmerischen Selbständigkeit. Kapitalmarktfinanzierung über die Begebung von Anleihen oder auch Schuldscheine könnten wegen der (bisher noch) niedrigen Zinsen eine überlegenswerte Option sein, aber erfordern, ähnlich wie bei der Aktie, Berichtspflichten gegenüber den Investoren, die einen zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Aufwand erfordern (abgesehen davon, dass diese Finanzierungsform auch bestimmte Restrukturierungsrisiken birgt).
Der Königsweg dürfte für einen Großteil der Unternehmen darin liegen, pro-aktiv und problembewusst die zentralen Bausteine für die zukünftige Finanzierungsstruktur gemeinsam mit den wesentlichen Finanzierungspartnern zu entwickeln und in ein gemeinsames Meilenstein-Konzept zu übersetzen. Die rechtlichen Herausforderungen hierbei sollten nicht unterschätzt werden. Aber sie sind beherrschbar.