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Artikel aus dem Handelsblatt Journal „ENERGIEWIRTSCHAFT“ vom 31.08.2022
von Dr. Neele Christiansen und Dr. Christiane Kappes
Mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die Bundesregierung eine energiepolitische Kehrtwende vollzogen. Ziel ist die schnellstmögliche Unabhängigkeit von russischen Öl- und Gasimporten. Möglich machen soll dies unter anderem die Errichtung von Terminals für die Anlandung verflüssigten Erdgases (LNG).
Die hierfür erforderlichen Zulassungsverfahren sind allerdings aufwändig und nehmen mehrere Monate bis Jahre in Anspruch. Der Gesetzgeber hat daher im Mai das LNGBeschleunigungsgesetz erlassen. Das Gesetz sieht für die Zulassungsverfahren von LNG-Vorhaben beispielsweise deutliche Verkürzungen und Vereinfachungen der Öffentlichkeitsbeteiligung vor. Rechtsbehelfe gegen Zulassungsentscheidungen sind in erster und letzter Instanz beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen. Sie haben keine aufschiebende Wirkung – Vorhabenträger können also mit dem Bau beginnen, auch wenn die Zulassung beklagt wird. Der Gesetzgeber hat aber auch die Notwendigkeit der Anpassung inhaltlicher Anforderrungen des Umweltrechts gesehen: Eine Umweltverträglichkeitsprüfung muss nicht mehr zwingend durchgeführt werden und die Planung naturschutzrechtlicher Kompensationsmaßnahmen wird erleichtert.
Angesichts der seit dem Erlass des Gesetzes eingetretenen Verschärfung der Gasversorgungslage sind insbesondere für die rechtzeitig zum Jahreswechsel geplante Inbetriebnahme der schwimmenden LNG-Terminals und der dazu gehörigen Infrastrukturen Nachjustierungen mit weiteren Erleichterungen erforderlich. Insgesamt hat der Gesetzgeber mit dem LNG-Beschleunigungsgesetz aber Mut bewiesen, den er bei den vergangenen Planungsbeschleunigungsgesetzen hat vermissen lassen. Diesen Schwung sollte der Gesetzgeber mitnehmen. Die Energiewende erfordert auch eine Beschleunigung der Zulassungsverfahren für sonstige Energie- und Infrastrukturvorhaben, für deren Planung und Genehmigung hierzulande nicht selten ein Jahrzehnt vergeht. Mit den jüngsten Gesetzesänderungen durch das Osterpaket und das Sommerpaket ist ein Anfang gemacht. Für eine erfolgreiche Energiewende muss aber noch viel passieren. Ohne Frage handelt es sich bei den Verfahrenserleichterungen des LNG-Beschleunigungsgesetzes um außerordentliche Maßnahmen mit beispiellosem Ausnahmecharakter, die sich so nicht in Gänze übertragen lassen. Der Schlüssel für nachhaltige Beschleunigung in der Breite liegt aber auch an anderer Stelle. Für den großen Wurf muss sich der Gesetzgeber an die schwierigeren Themen des materiellen Rechts heranwagen. Im Kern sind es nämlich die hohen inhaltlichen Anforderungen an umweltrelevante Vorhaben, die zu einer kaum mehr zu bewältigenden Komplexität führen. Das Umweltrecht muss wieder handhabbar werden. Dafür sollte sich die Bundesregierung bei der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten für eine Anpassung der europäischen Richtlinien zum Gebiets- und Artenschutz sowie zum Wasserrecht einsetzen. Auf nationaler Ebene liegt echtes Beschleunigungspotential in der Einführung praxistauglicher Stichtagsregelungen im Hinblick auf die Datenaktualität bei Umweltuntersuchungen. Auch mit einer verfassungskonformen Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte wäre einiges gewonnen. All diese Beschleunigungsansätze sind ambitioniert. Aber wenn die Klimaziele nicht schon an den langen Genehmigungsverfahren scheitern sollen, führt an mutigen Regelungen kein Weg vorbei.
Dr. Christiane Kappes, Rechtsanwältin und Partnerin, CMS Deutschland
Dr. Neele Christiansen, Rechtsanwältin und Partnerin, CMS Deutschland
Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „ENERGIEWIRTSCHAFT“ erschienen.
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