„Die Werkbank muss professioneller und vernetzter werden“

„Die Werkbank muss professioneller werden“

Interview mit Philipp Schröder, Gründer und CEO von 1Komma5°

Der mehrfache Energiestartup-Gründer sieht den Engpass der Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft bei den Installateuren. Er investiert jetzt in diese Branche, damit die Unternehmen fit für den Energiemarkt der Zukunft werden.  

Sie haben bei Tesla, den Startups Sonnen und Capinsel schon viel auf dem Markt der erneuerbaren Energien bewegt und gegründet. Warum wenden Sie sich jetzt mit Ihrem neuen Startup, 1Komma5°, ausgerechnet dem fragmentierten Markt der Installateure zu?

Wenn die Bundesregierung Deutschland bis 2045 klimaneutral gestalten möchte, und die Ampel will es ja eher noch früher, müssen wir bis dahin mindestens zwölfmal so viel Strom aus erneuerbaren Quellen produzieren wie heute. Für diese Energiewende haben wir mittlerweile fast alles, was wir brauchen: Die effiziente Technologie, beispielsweise die ausgereifte Solartechnik, ist bereits günstiger als konventionelle Energieträger. Und auch Investoren gibt es genug, die das Thema verstehen.

Was heute aber fehlt, ist eine Professionalisierung der Werkbank. Denn erneuerbare Techniken wie Wärmepumpen, Solaranlagen, Ladestationen und Energiespeicher sind komplexe Anwendungen, genau wie die sie steuernde und vernetzende Software. Das erfordert andere Fähigkeiten als das Verschrauben der regulären Weißware. Wenn wir die Stromkapazitäten für 40 Millionen Elektro-Pkw und 50 Millionen Haushalte mit der aktuellen Werkbank aufbauen wollen, wird das schwierig.

Aktuell ist das Handwerk der Installateure fragmentiert und vor allem überlastet. Sie haben selbst schon von „Installationskrise“ gesprochen. Wenn Sie aber jetzt Unternehmen dieses Marktes übernehmen, dann schöpfen Sie doch praktisch nur von diesem ohnehin knappen Markt etwas ab?

Das ist eine gute Frage. Wir steigen jetzt tatsächlich bei den ersten Betrieben ein, beispielsweise bei der Firma Quadt in Lingen. Wir sorgen dann dafür, dass diese Unternehmen langfristig planen, Wachstumskapital bekommen und damit ihre Kapazitäten ausbauen können. Wir wollen den Handwerkern ermöglichen, sich nachhaltig zu digitalisieren und effizienter zu arbeiten, so dass sie mit derselben Belegschaft mehr Kunden bedienen können. Zudem wollen wir auch neue Kapazitäten schaffen, beispielsweise Handwerker ausbilden und auch Manager aus der Industrie in diese Betriebe holen, sie neu in dieses Thema hereinbringen. Das läuft alles nicht von allein.

Diese Professionalisierung ist auch wichtig, weil die Installation heute zu teuer ist. Gerade bei der Solartechnik sind die Materialkosten um über 90 Prozent gesunken, die Installationskosten sind aber weitergestiegen, ihr Anteil an den Gesamtkosten wird also immer höher.

Sie wollen also mit derselben Belegschaft effizienter werden. Bei der Installation herrscht ja derzeit   Handarbeit vor, wie soll das denn gelingen?

In den veralteten Prozessen der Handwerksbetriebe – meist seit 30 Jahre unverändert – liegt extrem hohes Potenzial für eine Verbesserung des Arbeitsklimas und eine Steigerung der Effizienz. Wir wollen die Prozesse digitalisieren und professionalisieren und damit auch den aktuellen Leerlauf bei den Abläufen abbauen. Dabei wollen wir die gesamte Wertschöpfungskette optimieren, auch die Warenverfügbarkeit beispielsweise durch den Aufbau einer Lagerhaltung.

Wir liefern unseren Unternehmen zudem die gesamte Technik, mit der sie bei den Kunden auch die Vernetzung der dezentralen Assets selbst aufbauen können. Denn nur so lassen sich die einzelnen Anlagen optimal für den Energiemarkt der Zukunft einsetzen. Und auch für den Kunden ist es wichtig, dass er nicht nur lauter Einzelprodukte bekommt.

Im Juli haben Sie bei Ihrem Start angekündigt, dass sie mit 100 Millionen Euro Startkapital deutschlandweit etwa acht bis zehn Unternehmen übernehmen wollen. Wie weit sind sie dabei?

Unsere erste Übernahme war Quadt im Emsland, bis Weihnachten soll der Übernahmeprozess von vier weiteren Unternehmen abgeschlossen sein. Allein mit diesen Unternehmen werden wir im kommenden Jahr einen über unsere Holding gebündelten Umsatz von 40 Millionen bis 50 Millionen Euro erzielen. Und es sind weitere Zukäufe geplant. Wir arbeiten jetzt übrigens zumeist mit den Unternehmen zusammen, die damals auch zuerst für Tesla Energieladestationen oder für Sonnen Energiespeicher gebaut haben.

Wo soll sich dieser Verbund denn hin entwickeln? Wie sehen denn ihre unternehmerischen Ziele aus?

Jetzt, hundert Tage nach Gründung fokussieren wir uns erst einmal auf den deutschen Markt. In den kommenden zwei Jahren haben wir ein Umsatzziel von mindestens 200 Millionen Euro. Damit wären wir in diesem Segment marktführend. Wenn das gelingt, planen jetzt schon eine europaweite Expansion.

Wir sehen uns dabei nicht als eine Installationskette. Die von uns übernommenen Unternehmer sollen Unternehmer bleibe. Wir sind kein Konzern, sondern für die Handwerker eine Alternative beispielsweise zu dem Einstieg eines großen Energieversorgers.

Wie wird dann nach Ihrer Einschätzung der Installationsmarkt der Zukunft aussehen? Gibt es in zehn Jahren statt der rund deutschen 60.000 Elektriker dann lauter größere Einheiten, von denen einer dann „1Komma5°“ heißt?

Um die Pariser Klimaziele einzuhalten, die uns ja auch den Namen 1Komma5° gegeben haben, brauchen wir eine neue Werkbank.  Unsere Prognose ist, dass sich der Markt teilt: Die Technikhersteller, die Energiehersteller und auch die Automotives müssen künftig in ihn eindringen, da ihnen ansonsten der Strom für Ihre Produkte fehlt. Die großen Player müssen also entweder selbst Handwerksbetriebe aufbauen oder sich an welchen beteiligen. Nur so können sie ein skalierbares Setup aufbauen, das ihre Produktionsmengen professionell tragen kann.

Der Markt  wird sich dabei vor allem aufspalten in die Betriebe, die für die großen Konzerne schrauben und installieren und auf der anderen Seite die unabhängigen Unternehmen wie die von „1Komma5°“, die die Produkte selbst liefern, installieren und vernetzen. Bei denen bekommt der Kunde dann – unabhängig vom Hersteller – alles für die eigenen Energieversorgung inklusive des Stromtarifs und eines Setups, mit dem der Kunde am Strommarkt partizipieren kann.

Die Installateure sind bei unserem Geschäftsmodell nicht die Steigbügelhalter der Technologieunternehmen. Stattdessen treiben unsere Unternehmen, zumeist regionale Marktführer, die Energiewende voran. Damit werden die Installateure auch Technologieunternehmen.

Wie wollen sie denn die ausreichenden Fachkräfte in diesen Markt holen?

Für die Mitarbeiter ist es wichtig, dass sie wissen, wofür sie arbeiten. Ihnen ist es wichtig, dass sie nicht „uberisiert“ werden wie die Taxifahrer, also von den großen Energieanbietern oder auch Solaranbietern wie Enpal nur zum Schrauben benutzt werden. In unseren Unternehmen partizipieren die Handwerker an der Wertschöpfung, das motiviert auch Arbeitnehmer von außen.

Das Interview führte Sabine Haupt