
von Dr. Uwe Lauber, Vorstandsvorsitzender MAN Energy Solutions
CO2 ist bekanntermaßen eines der klimaschädlichsten Treibhausgase und der Kampf gegen seine Emission in die Atmosphäre längst eine weltweite Mission. Nur langsam rückt eine weitere Dimension des Kohlenstoffs in die öffentliche Wahrnehmung: seine Rolle als Rohstoff. Für den Industriestandort Deutschland ist diese von immenser Relevanz. Allein die deutsche chemische Industrie wandelt jährlich rund 21 Millionen Tonnen CO2 in Produkte um.
CO2 als Rohstoff
Lange aus dem Blick geraten, ist auch der Zusammenhang von Wasserstoffhochlauf und CO2-Management. Auch der ist aber essentiell für den Klimaschutz und die Zukunft des Industriestandorts. Denn überall dort, wo grüner Wasserstoff für die Gewinnung klimaneutraler Kraftstoffe erzeugt und verwendet werden soll, etwa für grünes, synthetisches Methan oder Methanol, muss dem Prozess Kohlenstoff zugeführt werden.
Der Bedarf an diesen synthetischen Kraftstoffen ist perspektivisch enorm. Vor allem Schifffahrt, Luftfahrt und chemische Industrie sind auf dem Weg ihrer Defossilierung auf gigantische Mengen angewiesen. Allein die weltweite maritime Flotte benötigt rund 300 Millionen Tonnen Kraftstoff pro Jahr. Soll diese Menge synthetisch gewonnen werden, summiert sich der jährliche Bedarf der Branche auf rund 100 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff – und rund 700 Millionen Tonnen CO2.
Diese Zusammenhänge zeigen, dass unser Denken und Handeln für den Klimaschutz künftig von einer weiteren Maxime geleitet sein muss: Neben die unausgesetzte Anstrengung, das Entweichen von CO2 in die Atmosphäre mit allen sinnvollen Mitteln zu verhindern, muss zusätzlich das Bemühen treten, den Rohstoff CO2 auch künftig in ausreichenden Mengen bereitstellen zu können – und zwar klimaneutral.
Eine CO2-Kreislaufwirtschaft
Die Technologie, die das ermöglicht liegt vor und ist nicht neu: CO2 lässt sich aus industriellen Prozessen schon bei seiner Entstehung abscheiden und dann entweder speichern oder als Rohstoff nutzen. Im Englischen spricht man von Carbon Capture, Storage and Usage, kurz: CCUS.
Der Prozess der CO2-Abscheidung ist lange erprobt, weltweit im Einsatz und bietet die einzigartige Chance, auch solche Emissionen zu neutralisieren, die andernfalls unvermeidbar wären. Das gewonnene Kohlendioxid kann anschließend für die Produktion grüner Kraftstoffe genutzt werden.
Der Einsatz von CCUS in den sogenannten „hard to abate“ Sektoren, wie etwa der Zement,- Kalk-, oder chemischen Industrie könnte schon heute die Basis einer künftig benötigten CO2-Kreislaufwirtschaft bilden. Denn nur durch einen Rohstoffkreislauf, in dem CO2 immer wieder verwendet und erneut abgeschieden wird, werden sich perspektivisch die gigantischen Mengen des Gases vorhalten lassen, die Schiffe und Flugzeuge benötigen werden.
CCUS in Deutschland de facto verboten
Leider ist die schöne Vision zumindest für Deutschland bislang unerreichbar. Hierzulande weht der Technologie seit vielen Jahren eisiger Gegenwind ins Gesicht, CO2-Abscheidung ist de facto auf deutschem Boden unmöglich, Transport- und Speicherung verboten. Während in England, Norwegen, den Niederlanden und vielen anderen europäischen Ländern immer mehr CCUS-Projekte entstehen, ringt die Bundesregierung nach wie vor mit sich. Immerhin soll nach dem Wort des Wirtschaftsministers bis Ende 2023 erstmals eine „Carbon Management Strategie“ entstehen an die sich immense Erwartungen knüpfen.
Bis zu ihrer Umsetzung bleibt aber leider zu konstatieren: Während der Rest der Welt schon abscheidet, wird in Deutschland noch diskutiert.
Eine Verknüpfung von Wasserstoffhochlauf und Carbon Management ist essentiell für den Klimaschutz und die Zukunft des Industriestandorts Deutschland (Foto: MAN Energy Solutions)