
Herr Arleth, wie ist der Stand der Elektromobilität in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern? Wer hat die Nase vorn bzw. wo sind die Bedingungen für die Entwicklung neuer Technologien am besten?
Wir erleben gerade einen regelrechten Elektroboom in allen Regionen der Welt. China ist bereits seit Jahren Vorreiter, hier wurden 2019 über eine Million Elektroautos verkauft. In den USA ist – nicht zuletzt durch die starke Präsenz von Tesla – das Thema Elektromobilität in einigen Regionen wie Kalifornien sehr beliebt und wird gefördert. Im September dieses Jahres erreichte jetzt auch Europas Elektroauto-Markt einen neuen Höchststand bei den Zulassungen von über 100.000 elektrifizierten Einheiten in einem Monat. Auch, dass Tesla jetzt eine Gigafabrik in Deutschland plant, steht für die Attraktivität des Standortes Deutschland. Wir sehen es positiv, dass in den letzten Monaten auch in Deutschland sehr viel Dynamik in das Thema Elektromobilität gekommen ist, das liegt nicht zuletzt an den staatlichen Förderungen. Grundsätzlich sehen wir also überall gute Chancen für die Elektromobilität. Dennoch muss Deutschland, bzw. Europa noch etwas aufholen, wie z.B. im Bereich Ladeinfrastruktur. In dieser Transformationsphase der nächsten Jahre müssen Unternehmen sehr viel stärker kooperieren, sowohl miteinander, als auch mit der Politik.
Akkumulator oder Wasserstoffantrieb sind derzeit die wohl am meisten präferierten Alternativen zum Verbrennungsmotor, in welcher Antriebstechnologie sehen Sie die Zukunft und warum?
Europa hat sich klar zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens verständigt. Die dort verorteten CO2-Einsparziele sind nur mit emissionsfreien Antriebstechnologien erreichbar. Für mich hat die Elektromobilität ganz klar das Potential, der Ausgangspunkt für eine CO2-neutrale Zukunft der Mobilität zu sein. Dafür müssen aber die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Wie z.B. CO2-neutrale Energie für die Batterieproduktion inklusive der nötigen Rohstoffe, sowie für den Betrieb der Elektrofahrzeuge und eine CO-2 freie Wiederverwertung nach der Lebenszeit. Die Entwicklung von Megacities und der Bewusstseinswandel mit Blick auf den Klimawandel und das Thema Nachhaltigkeit treiben die Elektromobilität zudem voran. Webasto hat beste Voraussetzungen, das Geschäft mit Lösungen für die Elektromobilität erfolgreich weiter auszubauen. Das heißt allerdings nicht, dass auf einen Schlag alle Verbrennungsmotoren verschwinden werden. Wir sehen auch in diesem Bereich weiter Potential, Emissionen zu reduzieren. Für Webasto ist dieser Wandel aber eine Chance. Daher haben wir unsere Strategie und unser Angebotsspektrum frühzeitig entsprechend erweitert. Die Entscheidung dafür fiel bereits 2015. . Seit 2017 bieten wir zusätzlich zu unseren Dach- und Heizsystemen, auch Batterie- und Ladelösungen für Elektroautos an.
Wie kann man Menschen dazu bewegen, auf Elektromobilität umzusteigen? Was sind die Vorteile von E-Mobilen? Was kann der Staat tun, um die Entwicklung der E-Mobilität voranzutreiben? Unternimmt er genug?
Insgesamt haben Verbraucher vielfältig noch Reichweitenangst, für sie bietet ein Elektroauto noch nicht genug Vorzüge, als dass sie sich eine Mobilität ohne Kompromisse vorstellen könnten. Kaufanreize und steuerliche Vorteile spielen hier weiterhin eine starke Rolle, um die Attraktivität zu steigern. Gleichzeitig sehe ich aber auch, dass wir an der einen oder anderen Stelle noch ein wenig „Aufklärungsarbeit“ leisten müssen, um elektrische Fahrzeuge attraktiver zu machen. Insgesamt braucht es hierfür ein Zusammenspiel aus der Automobilindustrie und Politik. Die Politik muss den Wunsch der Verbraucher nach einer umweltfreundlichen, nachhaltigen Mobilität unterstützen und veränderte Rahmenbedingungen schaffen. Als besonders entscheidend sehe ich hier Investitionen in den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Aber weder das Thema Mobilität noch klimafreundliche Technologien lassen sich rein regional oder national denken. Hierfür brauchen wir eine europäische Industrie- und Umweltpolitik, die den Ausbau der Elektromobilität fördert.
Welches Projekt, welche Innovation ist für Sie derzeit am spannendsten im Bereich der E-Mobilität?
Grundsätzlich ist die gesamte Bandbreite der Elektromobilität sehr spannend und vielschichtig. Daher befassen wir bei Webasto uns auch mit dem „Gesamtsystem Auto“ und können so effiziente, innovative Lösungen im Bereich Laden, elektrisches Heizen und Batteriesysteme anbieten. Ein großes Thema ist aber die Wirtschaftlichkeit bzw. Nachhaltigkeit.
Nehmen wir zum Beispiel das Thema Umrüstung des öffentlichen Nahverkehrs, hier benötigt es durchdachte Lösungen, die dennoch für Verkehrsbetriebe realisierbar sind. Hierfür haben wir zum Beispiel unser Standard-Batteriesystem für Nutzfahrzeuge entwickelt: Dieses kombiniert die Preisvorteile eines skalierbaren Plug-and-Play-Massenprodukts mit der Passgenauigkeit einer kundenspezifischen Lösung. Der Kunde trägt aber ein deutlich geringeres Investitionsrisiko.
Wie stellen Sie sich die Zukunft der Mobilität vor? Können z.B. öffentliche Verkehrsmittel eine Alternative zum eigenen Fahrzeug für die breite Masse werden?
Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch: nachhaltige, emissionsarme Transporte von Personen und Gütern. Wie eben erwähnt, sehen wir in der Elektrifizierung des öffentlichen Nahverkehrs einen großen Schritt hin zur Elektromobilität. Ein weiterer Schritt ist die Elektrifizierung im Bereich Dienstwagenflotten. Auch hier benötigt es aber Lösungen, die die Realisierung für Unternehmen möglich machen, wie zum Beispiel unsere konnektiven Ladelösungen für B2B-Kunden. Webasto hat damit beste Voraussetzungen, die Mobilität von morgen mitzugestalten.
Vielen Dank für das Interview.