Die Frage, ob sich 2019 ein Wendepunkt in der Immobilienbranche abzeichnet, wird viel diskutiert. Dr. Thomas Beyerle, Managing Director bei der Catella Property Valuation GmbH und Vorsitzender der Handelsblatt Jahrestagung Immobilienwirtschaft, wägt im Interview quantitative und qualitative Argumente ab.
Oft wurde er schon prognostiziert, für das Jahr 2019 sind sich viele Experten einig, dass ein Umbruch am Immobilienmarkt zu erwarten ist. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Ich frage mich zunächst, was die Basis für einen Marktumschwung sein kann. Versucht man das zu quantifizieren wird es schwierig, denn die aktuell messbaren Marktparameter sind äußerst positiv. Weder die vielzitierte Zinsveränderung ist wirklich zu quantifizieren, noch das gerne auch gebrauchte Inflationsargument. Die Renditeralley hat sich zur Jahresmitte wieder beruhigt, Portfolien werden – gerade, weil der Markt so gut läuft – angeboten zu Höchstpreisen. Schaut man die Wohnungsmärkte an, steht einer sehr hohen, weiter steigenden Urbanisierungsnachfrage ein sehr träges Angebot gegenüber – die Nachfrager bezahlen Werte welche im letzten Zyklus kaum vorstellbar waren. Alles fundamental begründet und real. Und zu guter Letzt: die Verschuldungsquoten sind geradezu niedlich, verglichen mit der letzten Hausse, die Zahl der „exotischen Börsengänge inkl. Storytelling“ ist sehr gering. Wir landen bei der Frage nach dem Marktumschwung eher bei den qualitativen Argumenten, also auch den psychologischen. Angst diesmal zu spät auszusteigen, irrationales Verhalten, die Vielzahl der internationalen Konflikte, dem Trump Effekt oder einfach der simplen Prognose „nach 9 Jahren Hausse muss jetzt doch ein Abschwung kommen“. Das ist mir insgesamt zu trivial. Fakt ist, dass es keine Blase gibt und wir einen externen Schock nicht wirklich vorhersagen können. Also, keine Angst vor der Plateaubildung in 2019.
Welche Segmente sind aus Ihrer Sicht besonders betroffen? Oder andersherum gefragt: Auf welche Assetklasse sollte man aus Ihrer Sicht setzen?
Wenn wir uns das sog. Commercial Segment anschauen, sollten man sich der steigenden Risiken im gesamten Retail Segment bewusst sein. Dieser Markt von Shopping-Centern, Fachmarktzentren, innerstädtischem Einzelhandel wird in den kommenden Jahren eine sehr starke Metamorphose durchmachen. Das bietet sicherlich Chancen, aber in der Breite wird der Markt sich stark konsolidieren. Damit werden auch die aktuell sehr nachgefragten Logistikobjekte in Mitleidenschaft gezogen. Weniger als Objekttypus, aber bei der Kalkulation der kaufmännischen und technischen Nutzungsdauern habe ich manchmal meine Bedenken, ob der „Neubau unter 4% am Rande der Stadt“ wirklich hält was er verspricht – nämlich Flexibilität aufgrund einer sich veränderten Massennachfrage der Konsumenten. Weiterhin setzten sollte man dagegen auf Office, mixed-use, urbanes Wohnen bzw. Quartiersentwicklung oder BudgetHotels.
Bedeutende internationale Märkte erleben derzeit – und wahrscheinlich auch noch in 2019 – extreme wirtschaftliche und politische Turbulenzen. Wird Deutschland weiter vom „sicheren Hafen“ profitieren?
Ich denke schon. Dieser Ruf wird sich – gerade, weil die Wirtschaftsstruktur stark diversifiziert ist – nicht kurzfristig ändern. Dazu gehören aber weiterhin eine hohe Innovationskraft, eine ausgewogene Lohn-/Stückkostenrelation und eine funktionierende Infrastrukturausstattung. Damit meine ich weniger die Deutsche Bahn oder Lufthansa, sondern Verkehrswege, ÖPNV-Netz und IT Infrastruktur.
Co-Working ist ein Trend, der den Büroimmobilienmarkt derzeit aufmischt. Liegt das aus Ihrer Sicht auch daran, dass sich die Immobilienwirtschaft auf ihrem Erfolg ausgeruht hat? Sind ganz neue Player auch in anderen Assetklassen zu erwarten?
Fakt ist, dass die aktuellen „Angreifer“ sich noch nicht im Stadium der Kostendeckung befinden. Konsolidierungen, Insolvenzen oder abgesagte Börsengänge dürfen wir hier sicherlich noch erwarten. Die Idee und Konzeption dahinter ist aber definitiv ein Element, welches zumindest ein Schuss vor den Bug der traditionellen Anbieter auslösen sollte. Die Verlagerung auf die Servicekomponente (mit all ihren beeindruckenden Ertragsmöglichkeiten), weg von der „zur Verfügungstellung von Flächen mit €/m² Einheit“ sollte der Branche bewusster gemacht werden. Die „Pay-per-use“ Mentalität macht auch vor den Toren der klassischen Anbieter nicht Halt. Der Druck zur Veränderung wird hier deutlich zunehmen.
Der Facebook-Skandal rund um die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica hat die Gefahren der künstlichen Intelligenz aufgezeigt. Ist es vielleicht sogar gut, dass die deutsche Immobilienwirtschaft der Digitalisierung noch hinterherhinkt?
Ich wäre froh, wenn wir „intelligent“ und „digital“ mit den Daten umgehen würden und damit meine ich nicht Kreuzkorrelationen mit dem Anschein der Kausalität in der cloud. Viel wichtiger ist für die Branche sich des Wertes der Daten überhaupt bewusst zu werden. Das Wort „Transparenz“ steht oftmals mehr als Hülle in der Diskussion, denn als Füllhorn mit Inhalten. Der Prozess der Digitalisierung hat deutlich an Fahrt aufgenommen, der Zug verlässt aber gerade einmal den Bahnhof.