Was hat E-Banking mit der Immobilienbranche zu tun?


Die Baubranche ist dafür verschrien, die Digitalisierung zu verschlafen. Viele renommierte Beratungshäuser stellen ihr nicht das beste Zeugnis aus. Eine Studie der TU Wien spricht eine andere Sprache.

von Prof. Alexander Redlein

Ein lieber Freund, der Hausverwalter ist, hat mir kürzlich davon erzählt, dass heutige E-Banking Systeme die Möglichkeit bieten, Dauerrechnungen einzelnen Bankkonten und Kategorien automatisch zuzuordnen und bis zu einer vorgegebenen Abweichung zur Zahlung frei zu geben. Dahinter steckt künstliche Intelligenz. Diese lernt am Anfang die richtige Kontierung und Beschlagwortung. In dieser Phase schlägt sie die Freigabe nur vor. Erst
wenn diese Zuordnungen funktionieren, werden die Schritte automatisch durchgeführt.
Aber was hat das mit der Immobilienbranche zu tun? Sehen wir uns doch einmal die Arbeit der Objektbuchhaltung einer Hausverwaltung oder eines Asset Management Unternehmens näher an. Ein Großteil der Buchhaltungstätigkeiten besteht darin, eingehende Rechnungen den Gebäuden zuzuordnen, sie zu klassifizieren, ob hier Betriebskosten zu bebuchen sind oder
ob es sich um Eigentümeraufwand handelt. Die Mehrheit der Belege sind Dauerrechnungen
wie kommunale Abgaben, Rechnungen der Dienstleister für Services wie Hausbetreuung,
Wartung, etc. Anschließend werden die Rechnungen in das Hausverwaltungssystem eingegeben und per Schnittstelle an die Bank gesandt. Sie sehen, wir haben hier ähnliche Tätigkeiten. Natürlich fallen hier auch Herausforderungen an. Der Schornsteinfeger stellt Rechnungen
für die wiederkehrende Kehrung aus, die den Betriebskosten zuzuordnen sind. Aber auch Rechnungen für Instandsetzungsmaßnahmen, die dem Eigentümeraufwand zuzuordnen sind. Diese unterscheiden sich aber im Rechnungstext, der ebenfalls von künstlicher Intelligenz richtig erkannt werden kann. Mein Freund hat mir dann erklärt, dass er schon seit
einiger Zeit diese Funktionen des E-Bankings nutzt, um die Prozesse der Hausverwaltung zu automatisieren. Mit der Zeit, die seine Mitarbeiter gewinnen, kann er seinen Kunden neue Services anbieten. Mein Freund hat keine zusätzlichen Kosten für die Anschaffung oder den Betrieb für Software.
Was will ich damit zeigen? Es geht nicht nur darum, Proptechs als Innovationsmotor in der Immobilienbranche zu sehen. Es gibt viele Tools, wie das E-Banking, die wir bereits verwenden. Im Privatleben lassen wir uns schon unterstützen, warum verwenden wir sie nicht „innovativ“
und optimieren Immobilienabläufe? Oder bieten unseren Kunden neue Dienstleistungen an?
Diese Frage haben mir vor rund 5 Jahren einige Unternehmen der Immobilienbranche gestellt. Wir haben damals als TU Wien eine Datenbank über relevante Use Cases im Bereich Immobilienwirtschaft, sprich Development, Nutzung und Betrieb, erstellt. Mittlerweile können
wir Aussagen auf der Grundlage von rund 1.000 Cases treffen. Als Universität publizieren wir diese Ergebnisse, wie es unser wissenschaftlicher und auch gesellschaftlicher Auftrag ist.

Welche Technologien stehen zur Verfügung?
Auf Basis der analysierten Cases ist erkennbar, dass das Internet of Things (IoT), sprich die Vernetzung der Dinge des täglichen Lebens, die größte Verbreitung aufweist. Danach folgen Künstliche Intelligenz (auch Artificial Intelligence genannt) und Big Data. IoT ermöglicht es uns, den Zustand der Gebäude und den seiner Anlagen in Echtzeit zu verfolgen. Durch diese
Informationen lassen sich einerseits die Gebäude besser regeln – beispielsweise, indem die aktuelle Anzahl von Nutzern die Luftumwälzung bestimmt. Zugleich lässt sich aber auch die Nutzerzufriedenheit erhöhen. Per App kann die Raumtemperatur, die Beleuchtung etc. auf die
Wünsche des Nutzers angepasst werden. Diese Anpassungsmöglichkeit erhöht laut Studien auch deren Leistungsfähigkeit. Beispiele finden sich in den Bürobauten The Edge in Amsterdam, das derzeit als nachhaltigstes Bürogebäude der Welt gilt, und dem Cube in Berlin, einem sich selbst steuernden Bürokomplex, der im Februar 2020 eingeweiht wurde. Einige bezweifeln die Kosten-Nutzen-Relation. Lassen Sie mich Ihnen einige Beispiele vorstellen, um Kostenvorteile
aufzuzeigen: Über intelligente Schalter und Stecker auf Basis von IoT können Verbraucher nicht nur jederzeit und von überall gesteuert und überwacht werden. Auch IoT basierte Raumthermostate sind schon sehr günstig erhältlich. Durch eine optimierte Steuerung lassen
sich Energieeinsparungen einfach realisieren. In Zeiten von erhöhter Nachfrage nach mehr Nachhaltigkeit, in denen selbst der CEO von Blackstone beim World Economic Forum in Davos Developer zu Nachhaltigkeit auffordert, sind solche Werkzeuge wichtige Hilfsmittel. Für
Developer, die Green Bonds nutzen, fast schon eine unabdingbare Notwendigkeit.
Ein weiterer Vorteil ist die Unabhängigkeit von Herstellern. Falls ein Gerät ausfällt, kann es von beliebigen Herstellern nachgekauft werden, da die verwendeten Datenprotokolle wie Message Queuing Telemetry Transport (MQTT) von zahlreichen Erzeugern bereits unterstützt werden.

Und wo bleibt die Flexibilität der Immobilie?
Die Flexibilität des Gebäudes lässt sich wesentlich erhöhen, indem man die Schaltimpulse der intelligenten Schalter, Stecker, Sensoren und Aktoren verknüpft. Ein Beispiel dafür: Viele Developer gehen beim Innenausbau heute davon ab, ausschließlich Deckenbeleuchtung einzusetzen. Sie setzen auf Stehleuchten, da im Falle einer Ummöblierung oder eines Umbaus die Beleuchtung einfacher und kostengünstiger angepasst werden kann. Nur: Wie steuere ich diese an? Eine Steuerung ausschließlich über Bewegungssensoren ist meist nicht ausreichend.
Eine andere Lösung sind IoT-Wandschalter und -Stecker. Der Schalter für das Deckenlicht kann dann auch die Stecker für Stehlampen steuern. Die Verknüpfung erfolgt einfach per App. Dann kann das Schaltsignal des Schalters genutzt werden, um die zugeordneten Stehlampen zu steuern. Eine neue Wand in einem Büro einzuziehen oder zu entfernen führt somit nicht mehr zu einer neuen, kostenintensiven Verkabelung, sondern nur zu einem Umprogrammieren der Devices.

Aber was sind die Kosten?
Smart Buildings lassen sich unter Umständen schon zum Preis der Standardinstallation realisieren, denn die meisten IoT-Schalter und -Stecker kosten so viel wie klassische Geräte. Mit Apps wie z. B. Smart Life sind sie sofort über mobile Devices steuerbar. Wer nicht Software as a
Service (SaaS) aus China beziehen will, sei auf vergleichbare Europäische Plattformen verwiesen. So kommt es zu einer einfachen Kopplung von intelligenten Schaltern und Steckern und der restlichen Haustechnik.

Und die Datensicherheit?
Die unterschiedlichen Hosting Varianten in China bzw. in der EU erhöhen die Sicherheit aber auch die Kosten. Die kostengünstigste Lösung bedient sich SaaS, was bedeutet, dass uns eine externe Firma die notwendige Software zu Verfügung stellt. In vielen Fällen ist das kostenlos.
Allerdings nicht ganz: wir zahlen mit unseren Daten. Andere Lösungen, wie zum Beispiel die
Steuersoftware in der Cloud selbst zu betreiben und damit die Datenhoheit zu besitzen, erhöhen den Aufwand. In einem weiteren Schritt können die Zustands- und Verbrauchsdaten in einer Datenbank, auch als Big Data bekannt, gespeichert werden. Was tun mit diesen vielen
Daten? Der erste Schritt ist Analytik. Hier gibt es schon einige Produkte durch Amazon Web Services oder der Azure Cloud, die vorgefertigte Berichte anbieten. Mit Hilfe von Reports lässt sich erkennen, welche Räume genutzt werden und welche nicht. So kann die Flächeneffizienz
gesteigert werden, ohne dass Sie ein klassisches Computer-Aided Facility Management (CAFM) benötigen. Außerdem zahlen Sie nur die Nutzung, die Anfangsinvestitionen fallen bei Cloud Computing und SaaS weg. Ein nächster Schritt ist die Künstliche Intelligenz. Sie wird genutzt, um in den Daten „Muster“ zu erkennen. So lässt sich beispielsweise erkennen, wann bei Geräten
Störungen auftreten werden. Das Produkt 24/7 von Kone etwa beruht auf dieser Technologie. Es wurden dazu die Betriebs- und Störungsdaten von mehreren 1.000 Aufzügen über Jahre hinweg analysiert, um Ausfälle vorhersagen zu können, bevor sie eintreten. Die Methode nennt
man Predictive Maintainance und ist in der Produktion schon weit verbreitet. In unserer Branche gibt es aber auch schon zahlreiche Anwendungen. Statt zu planen, wann welche Wartung stattfinden soll, „meldet“ das Gerät selbst die bevorstehende Störung und Künstliche Intelligenz kann die Routenplanung des Wartungspersonals automatisch anpassen, damit die Störung gar nicht eintritt.
Sie sehen: Die Digitalisierung kommt nicht erst, sondern ist schon da.

Warum verwenden wir Tools nicht innovativ und optimieren Immobilienabläufe? Oder bieten unseren Kunden neue Dienstleistungen an?

Prof. Alexander Redlein, Leiter, Institut für Immobilien und Facility Management, TU Wien, und Global Teaching Team, Stanford University

Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „Immobilienwirtschaft“ erschienen.

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