Der endlose Boom?


Die Zielkoordinaten sind weiterhin auf Deutschland gerichtet

von Dr. Thomas Beyerle

Ein „perfect storm“

Deutschland boomt – nicht nur seine regionalen Ökonomien, sondern gerade auch die jeweiligen Immobilienmärkte – soweit diese sich in den Metropolen bzw. zentralen Orten befinden. Triebkräfte dieser Dynamik sind dabei die Indikatoren Kapitalverfügbarkeit, Urbanisierung, Migration, Demographie und Konsumneigung. Vielleicht ist es aber auch die mangelnde Alternativanlage eines Landes, welches durch Sparbuch, Bausparvertrag und Lebensversicherung für sich die 3 Säulen des Wohlstands im Alter traditionell definiert hat. Mittlerweile wird der Bewertung der langfristigen Vorteilhaftigkeit einer Investition in deutsche Immobilien ein grundsätzlich positives Sentiment unterstellt – beim Blick von außen. Das hört sich gut an, doch der ausländische Blick zwingt auch, sich einer vermeintlich anderen Sichtweise zu stellen: „viel zu billige Mieten“, „Unterbewertungstatbestände im sozialen Wohnungsbau“, Berlin als Global City, Frankfurt als starker Profiteur des Brexit … . In allen diesen Aussagen drückt sich auch die Erwartungshaltung an die nähere Zukunft aus. Motto: das geht gerade so weiter nach oben. Vordergründig ist deshalb an den deutschen Immobilienmärkten eine unglaublich spannende Marktsituation angebrochen – in nahezu allen Segmenten, seien es die Büroimmobilien, Einzelhandelsobjekte, Logistikimmobilien, Hotels und natürlich der komplette Wohnungssektor sind die Bestandteile eines sog. „perfect storm“ sichtbar.

Das Nachdenken übers Risiko

Demgegenüber nimmt die Nervosität der nationalen Investoren deutlich zu. „Wir sitzen alle in der Core Falle“ – zumindest war diese Aussage auch in den letzten Wochen deutlich zu vernehmen. 80% der aktuellen Ankaufprofile der Fondsgesellschaften sind nahezu identisch, in der Größenklasse „10-25 Mio. € Ankaufsvolumen“ tummeln sich mittlerweile die meisten Investoren. Erst ab 500 Mio. € Fondsvolumen aufwärts wird der Wettbewerb entspannter. Diversifizieren auf „Wohnen“ ist mehr als en vogue und auch die Risikoklasse „Projektentwicklung“ ist mittlerweile in vielen Wertsteigerungs-Statements zu finden. Ergänzt durch die Aussage, dass man „ja dann die – kaum verfügbaren guten Objekte – selbst hat“. Auch wenn es selten zugegeben wird: viele Investitionsentscheidungen basieren letztlich auf einem Bündel von unterschiedlichen Informationszuständen welche – aufgrund der Komplexität und oftmals Korrelation – nur unzureichend rational bewertet werden können. Doch ob eine Zahl in der Rückkopplung wirklich das Risiko abbildet, darf zunehmend in Frage gestellt werden. Sind folglich 3 Prozent-Ankaufsrendite in der CBD wirklich „risikobehafteter“ als 5 Prozent im Vorort? Und: Der alleinige Blick auf die Rendite ist immer weniger richtig; vielleicht etwas hart formuliert – wahrscheinlich ist es sogar das – aktuelle – Risiko schlechthin.

Rationalität im Boom?

Zum Herbst 2017 liegen bereits 8 Jahre Marktaufschwung hinter uns. Die Mieten steigen, die Umsätze ebenfalls, die Transaktionen streben neue Höchstwerte an, die Leerstände gehen insgesamt zurück und auch das Thema Urbanisierung hatte in den vergangenen Monaten zu einer weiteren Wohnraumnachfrage gesorgt. Bei der Analyse der Fundamentaldaten scheint sich dieser Eindruck auch zu bestätigen:

  • das aktuelle Wirtschaftswachstum in Deutschland liegt bei rund 1,7 %, die Prognose bis Jahresende bei 1,9%
  • die Arbeitslosenquote liegt auf einem 26 Jahrestief – nunmehr auf einem Niveau von 5,5%

Doch diese Entwicklung hat eben ihren Preis. In genau dieser Gemengelage zeigt sich das ausgehende Jahr 2017: werden noch mehr Menschen in die Städte ziehen? Sind diese bereit sich kurze Wohn- und Arbeitswege durch noch höhere Wohnungsmieten zu erkaufen? Wird sich nicht deshalb auf natürlichem Weg eine Karawane in die Speckgürtel oder gar ins Hinterland aufmachen? Ziehen die Unternehmen mit? Wird der Wocheneinkauf weiterhin in großen Centern am Stadtrand getätigt oder liefert ein US- amerikanischer Platzhirsch für eine Flatrate auch das Gemüse an die Haustür? Müssen sich also auch Logistiker, Einzelhändler und Parkraumbewirtschafter nicht die Frage stellen wie lange der Konsument bereit ist, stetig steigende Preise zu bezahlen? Fragen, die mit alleinigem Blick auf die vergangene und aktuelle Miete für Büro, Wohnen und Handelsflächen kaum zu beantworten sein werden.

Der alleinige Blick auf die Rendite ist immer weniger richtig, vielleicht ist dieser sogar das aktuelle Risiko schlechthin.

Ein endloser Boom – erst einmal

Offensichtlich ist, dass nicht jeder Preisanstieg auf die Bildung einer aktuell befürchteten Spekulationsblase und gänzlich irrationalem Verhalten hinweist. Starke preisliche Anstiege bei Wohn-, Büro- und Logistiknutzung weisen auf reale Engpässe hin, etwa weil das Angebot der Nachfrage nicht folgen kann. Offensichtlich steht auch immer weniger der aktuelle Ertrag in Form der Mieten im Mittelpunkt, sondern die Erwartung, dass der künftige Verkaufspreis den gegenwärtigen Preis deutlich überragt und sich so hohe Gewinne realisieren lassen. Findet das aktuell statt? Nicht in den Ballungszentren. Allerdings ist diese neue Zeitrechnung auch eine Gemengelage, welche an die Marktteilnehmer eine dramatische Herausforderung zwischen Rationalität und Umgang mit Risiken stellt – gerade weil die Märkte boomen. Rationalität ja, Angst vor der eigenen Irrationalität: nein. Und von Zinserhöhung weit und breit keine Spur.

Dr. Thomas BeyerleDr. Thomas Beyerle
Managing Director
Catella Property Valuation GmbH

Handelsblatt Journal ImmobilienwirtschaftDieser Beitrag ist Teil der Ausgabe des Handelsblatt Journals „Immobilienwirtschaft“, das Sie hier erhalten können.