Maßnahmen zur Umstrukturierung einer staatlich gestützten Finanzgruppe

Rettung einer BankDie im Jahr 2007 beginnende Wirtschafts- und Finanzkrise führte zu einem Zusammenbruch verschiedener Derivatemärkte und brachte infolge einer dadurch ausgelösten Vertrauenskrise im Finanzsektor die Interbankenmärkte zum Erliegen. Finanzinstitute („Institute“), die bis dahin einen erheblichen Teil ihrer Bilanzsumme kurzfristig refinanzierten, drohten im Falle einer Insolvenz eine Kettenreaktion auszulösen, so dass sie staatliche Unterstützung benötigten. In einem derartigen Fall ist die Europäische Kommission („Kommission“) vor Gewährung einer staatlichen Beihilfe zu unterrichten, um zu prüfen, ob ein derartiges Vorhaben mit dem Binnenmarkt vereinbar ist.

Restrukturierung Journal 2015Dieser Beitrag ist Teil der aktuellen Ausgabe des Handelsblatt Journals „Restrukturierung – Sanierung -Insolvenz“, das Sie ab sofort kostenlos downloaden können. Hier berichten 18 Autoren zu den Themen:

  • Führung in der Krise
  • Business Transformation
  • Best Practice
  • Restrukturierung von Banken
  • Politische Umwälzungen als Geschäftsrisiko
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Seit Beginn der Krise bis Dezember 2014 bewilligte die Kommission zwölf der 20 größten europäischen Institute Beihilfen. 112 Institute, die einen Anteil von ca. 30% aller Vermögenswerte im europäischen Bankensystem halten, benötigten Unterstützung. Insgesamt erließ die Kommission 450 Beihilfebescheide, prüfte 56 Restrukturierungspläne und stimmte bei 33 Häusern einer geordneten Abwicklung zu.

Um die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte zu gewährleisten und Regelungen für die Behandlung von Beihilfen zu konkretisieren, veröffentlichte die Kommission zwischen Ende 2008 und Mitte 2009 die Banken-, Rekapitalisierungs-, Risikoaktiva- und Umstrukturierungsmitteilung („Krisenmitteilungen“). Der Artikel schildert die Umsetzung des Umstrukturierungsplans eines Instituts, das 2009 eine Beihilfe empfing. Für die Prüfung einer Beihilfe wendet die Kommission diejenigen Regelungen an, die zum Zeitpunkt ihrer Gewährung galten. Aktuellere Regelungen (bspw. BRRD oder die überarbeitete Bankenmitteilung), die die Krisenmitteilungen teils ersetzen oder ergänzen, bleiben daher an dieser Stelle unberücksichtigt.

Liquidations- oder ein Umstrukturierungsplan muss binnen sechs Monaten vorgelegt werden

Aufbau eines Umstrukturierungsplans

Mitgliedstaaten, die einem Institut staatliche Beihilfen gewähren, haben die Verpflichtungen, die sich aus unionsrechtlichen Beihilfevorschriften einschließlich der Krisenmitteilungen und aus der jeweiligen nationalen Jurisdiktion ableiten, zu erfüllen. Dazu zählt u.a. die Bedingung, dass für nicht grundsätzlich gesunde Institute innerhalb von sechs Monaten nach Rekapitalisierung entweder ein Liquidations- oder ein Umstrukturierungsplan vorgelegt werden muss. Das Muster im Anhang der Umstrukturierungsmitteilung konkretisiert die Struktur eines derartigen Plans, der durch das begünstigte Institut innerhalb von fünf Jahren umzusetzen ist. Er reflektiert die Voraussetzungen für eine gewährte Beihilfe, hier Maßnahmen zur Wiederherstellung der Rentabilität bzw. für eine geordnete Abwicklung, für einen angemessenen Eigenbeitrag durch den Begünstigten sowie Ausgleichsmaßnahmen zur Reduzierung von Wettbewerbsverzerrungen. Abbildung 1 stellt die Elemente dieses Musterplans dar.

Die fortgeschrittene Umstrukturierung einer europäischen Finanzgruppe („Finanzgruppe“) wird exemplarisch herangezogen, um die zur Realisierung eines derartigen Umstrukturierungsplans ergriff enen operativen Maßnahmen konzis aufzuzeigen.

Umstrukturierung mit „Drei-Säulen-Strategie“

Den Vorgaben der von der Kommission erlassenen Beihilfeentscheidungen und des Reprivatisierungsauftrags des Eigentümers folgend wurden sämtliche Einheiten auf zentraler und lokaler Ebene je in strategische und nicht-strategische Einheiten separiert. Im Rahmen einer „Drei-Säulen- Strategie“ strukturierte die Finanzgruppe den Bankkonzern grundlegend um und führte wiederholt Rekapitalisierungen durch. Eine Tochterbank „Alpha“ sowie eine Gruppe weiterer Töchterbanken „Beta“ stellten die ersten beiden Säulen dar, die während der Umstrukturierung zu reprivatisieren waren, um Marktpräsenz und Konzernbilanzsumme zu reduzieren. Die dritte Säule Abbau umfasst alle nicht-strategischen Vermögenswerte, die kapital- und wertschonend abgewickelt werden. Dafür wurde 2014 aus der ehemaligen Muttergesellschaft eine zentrale Steuerungsholding heraus getrennt, mit einer neuen Banklizenz ausgestattet und der verbleibende Teil in die heutige, deregulierte Abbaueinheit transformiert.

Gemäß Beihilfeentscheidung war der Verkauf einzelner Einheiten zur Reduktion des Risikos mit verkaufsfördernden Maßnahmen zu flankieren. Als solche wurden in „Beta“ regional spezifische Geschäfts- und Finanzierungsstrategien angepasst und ausgesuchte Kreditportfolien von lokalen Banken in Abbaueinheiten zur Stärkung von Kapital- bzw. Finanzkennzahlen übertragen. Die Anpassung von Geschäftsstrategien fokussierte länderspezifisch auf ausgewählte Kundensegmente unter Berücksichtigung von Auflagen für neue Kreditgeschäfte. Diese Verpflichtungssusagen schränken Geschäftstätigkeiten mit Blick auf Renditehöhe, Risikokategorien von Kunden und im Rahmen der Vergabe von Krediten an Corporates oder die öffentliche Hand ein, um Möglichkeiten einer Geschäftsausdehnung zum Nachteil von Wettbewerbern zu minimieren. Die adaptierte Finanzierungsstrategie zielt darauf ab, mehr örtliche Refinanzierungsquellen anstelle von Konzernmitteln zu erschließen. Die wiederholten Portfoliobereinigungen wurden je nach ihrer Zusammensetzung als synthetische Transfers, rechtsgeschäftliche Veräußerungen, (Ab-)Spaltungen oder Einbringungen umgesetzt.

Abbildung 2 vermittelt einen Überblick über ausgewählte Maßnahmen innerhalb des Umstrukturierungs- und Abwicklungsplans der Finanzgruppe, die von einem Treuhänder überwacht werden.

Ausgewählte umgesetzte Maßnahmen des Umstrukturierungs- und Abwicklungsplans

Der Umfang der angerissenen Maßnahmen verdeutlicht ihre Komplexität. Es bleibt zu konstatieren, dass essentielle Meilensteine des Umstrukturierungs- und Abwicklungsplans wie u.a. der Verkauf der früheren Tochterbank „Alpha“, die Unterzeichnung der Verkaufsverträge über die Aktien einer Gruppe weiterer Töchterbanken „Beta“ bei gleichzeitiger Transformation bzw. Deregulierung der Muttergesellschaft zwecks Errichtung der heutigen Abbaueinheit sowie der Transfer einer dritten Tochterbank „Gamma“ unter das Dach einer durch den verantwortlichen Mitgliedstaat dafür neu errichteten Zweckgesellschaft termingerecht erreicht wurden. Als erfolgskritisch für die schlussendlich erfolgreiche operative Umsetzung von in ihrer Parallelität neuartiger Transaktionen sind ein enger Schulterschluss zwischen Bankgremien und politischen Stakeholdern, frühzeitige Einbindung aller involvierter Aufsichtsbehörden sowie eine bankintern effektive Steuerung dafür erforderlicher Initiativen und Projekte sowie notwendiger Ressourcen aufzuführen.

Der Autor

von Dr. Julius Freiherr Grote

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