
RAinnen Katharina Gerdes (Restrukturierung, Sanierung, Distressed M&A) und Andrea Ringle (IP, IT, Datenschutz), beide sind Partnerinnen der Kanzlei BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN
Großwetterlage in der stationären Pflege
Pflegeeinrichtungen stehen zunehmend unter wirtschaftlichem Druck. Erhöhte Hygieneauflagen samt entsprechender Kosten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sowie der sich zuspitzende Fachkräftemangel belasten die Bilanzen genauso wie Energiekrise und Inflation mit den einhergehenden gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen. Verschärft sich die finanzielle Schieflage aufs Äußerste, bleibt nur noch ein Insolvenzverfahren als letzter Ausweg.
Übernahme aus der Insolvenz
Die erfolgreiche Übertragung von Pflegeeinrichtung auf einen Investor ist oberstes Ziel, da die alternative Schließung der Einrichtung für die Bewohner den Verlust ihrer Unterbringung und Versorgung bedeutet. Die Übertragung erfolgt typischerweise im Wege der übertragenden Sanierung (Asset Deal), wobei es einige Besonderheiten zu beachten gibt, von denen im Folgenden drei kurz dargestellt werden:
- Der „Mitgebrachte-Betreiber“
Meist sind insolventer Betreiber und Gebäudeeigentümer verschiedene Rechtsträger. Mietverträge für Pflegeeinrichtungen enthalten häufig das Recht des Vermieters, in der Insolvenz des Mieters/Betreibers einen neuen Mieter/Betreiber aussuchen zu dürfen, auf den die Einrichtung dann zu übertragen ist. Insolvenzrechtlich haben diese Klauseln zwar regelmäßig keinen Bestand, allerdings kann der „Mitgebrachte-Betreiber“ als Investor durchaus interessant sein. Die Vermieter sind in vielen Fällen bereit, den von ihnen gewünschten Investor finanziell bei der Übernahme zu unterstützen. Und für die Übernahme des Mietervertrages durch den Investor ist die Zustimmung des Vermieters ohnehin erforderlich.
- Finanzierung nach Übernahme
Die Finanzierung der Pflegeeinrichtung erfolgt über Versorgungsverträge mit den jeweiligen Landesverbänden der Pflegekassen. Eine Differenz zu den tatsächlichen Kosten für die Unterbringung ist durch die Heimbewohner zu tragen. Die Versorgungsverträge sind nicht übertragbar. D. h. der Investor muss mit dem Bewohner einen neuen Versorgungsvertrag für die Pflegeeinrichtung abschließen, was einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Ist ein Abschluss nicht bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich, muss eine interimistische Lösung gefunden werden, z. B. durch Fortführung des Betriebes durch den Insolvenzverwalter gegen Verlustübernahme durch den Investor.
- Patientendaten & Co.
Schließlich spielt das Thema Datenschutz, wie überall im Health Care Bereich, auch hier eine besondere Rolle. Die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten – auch sensible Daten genannt – unterliegen nach Art. 9 DSGVO Spezialregelungen. Zu den sensiblen Daten zählen u. a. Gesundheitsdaten, die bei der Versorgung in Pflegeeinrichtungen eine zentrale Bedeutung haben. Gesundheitsdaten sind nicht frei übertragbar, sondern die Bewohner oder ihre gesetzlichen Vertreter müssen hierin eine ausdrückliche und freiwillige Einwilligung erteilen. Dies setzt die Einholung einer entsprechenden Erklärung vor der Datenübertragung an den neuen Betreiber voraus, wenn nicht ausnahmsweise ein seltener Erlaubnistatbestand gegeben ist.
Die Einholung der Einwilligung kann mangels Erlaubnis zur Freigabe der Adressliste nicht an den neuen Betreiber delegiert werden. Erteilt ein Bewohner keine Einwilligung in die Datenübermittlung, dann dürfen die Daten auch nicht übermittelt werden! Hat er davon unabhängig in die Vertragsübernahme eingewilligt, müssen die über die Vertragsdaten hinausgehenden Gesundheitsdaten vom neuen Betreiber beim Betroffenen neu erhoben werden. Hat ein Bewohner auch einer Vertragsübernahme nicht zugestimmt, wird man den entsprechenden Heimvertrag kündigen müssen.
Aufgrund des regelmäßig hohen Zeitdrucks im Distressed M&A Prozess ist es sinnvoll, die Abläufe zur Einhaltung des Datenschutzes sowie datenschutzgeprüfte Texte für die Anschreiben an die Bewohner und für die Einwilligungserklärung unmittelbar, teils als Anlage, in den Kaufvertrag aufzunehmen. Dadurch wird das Konzept der Datenübertragung für alle nachvollziehbar und die Umsetzung so vorbereitet, dass Datenpannen vermieden werden können.