Sanierungstransaktionen bieten sowohl bei Expansion, wie auch bei Restrukturierung des Unternehmens große Chancen und sind mit Risiken verbunden – welche Leitlinien hat die Geschäftsleitung bei Ihren Entscheidungen zu berücksichtigen? Welche Besonderheiten gelten hinsichtlich der Absicherung mittels Versicherungen?
Prof. Dr. Georg Streit, Rechtsanwalt, Partner und Leiter der Praxisgruppe Restrukturierung bei Heuking Kühn Lüer Wojtek in München, beantwortet diese Fragen in seinem Beitrag „Sanierungstransaktionen – Chancen nutzen, Risiken vermeiden„.
Chancen und Risiken von Sanierungstransaktionen
Unternehmen in der Krise bergen nicht nur Risiken, sie bieten auch große Chancen. Kein Wunder, dass etliche Investoren gerade in Krisenunternehmen investieren wollen. In der gegenwärtigen Situation ist die Finanzierung einer Expansion des Unternehmens mittels Zukäufen von Unternehmen und Betrieben günstig finanzierbar und aufgrund der gesunden wirtschaftlichen Entwicklung insbesondere in Deutschland aussichtsreich. Die Geschäftsleitung ist im Falle interessanter Erwerbsopportunitäten gehalten, Zukäufe in Betracht zu ziehen (Erweiterung, Diversifikation).
Aber auch im Fall eines Restrukturierungsbedarfs steht die Geschäftsleitung vor der Frage, ob eine Sanierungstransaktion sinnvoll sein könnte (Abgabe defizitärer Konzerntöchter und Unternehmensteile, Konzentration auf das Kerngeschäft, Share Deal, Asset Deal).
Business Judgement Rule, Vorbereitung und Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen
In beiden Situationen stellt sich die Frage, welche Anforderungen an die Prüfung eines Unternehmenskaufs bzw. Verkaufs aus juristischer Sicht zu stellen sind. Die Geschäftsleitung ist vor dem Hintergrund der Größe von mit Sanierungstransaktionen verbundenen Chancen und Risiken gehalten, die entsprechenden Entscheidungen sorgfältig vorzubereiten, mit den Gesellschaftern abzustimmen (dies gilt besonders hinsichtlich der GmbH und nur mit Einschränkungen in Bezug auf die Aktiengesellschaft) und dies auch entsprechend zu dokumentieren. Andernfalls droht Organpersonen in der Geschäftsleistung eine persönliche Haftung gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG.
Die bei Sanierungstransaktionen zu kaufenden bzw. zu verkaufenden Unternehmen oder Unternehmensteile sind komplizierte Gebilde, sodass Fehleinschätzungen bei der Entscheidung zum Kauf bzw. Verkauf nie vollständig ausgeschlossen werden können. Zur Minderung des Risikos von Fehleinschätzungen und zwecks Ausschlusses einer persönlichen Haftung der Geschäftsleitung sollten die rechtlichen Vorgaben daher genau beachtet werden, was auch zu dokumentieren ist.
Spezielle gesetzliche Regelungen zu den Pflichten der Geschäftsleitung bei Sanierungstransaktionen gibt es zwar nicht. Die rechtlichen Vorgaben lassen sich aber aus der Rechtsprechung, insbesondere des BGH und der Oberlandesgerichte sowie dem in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifizierten Grundsatz der Business JudgementRule ableiten. Die bewusste Eingehung geschäftlicher Risiken ist zwingend mit jeder unternehmerischen Tätigkeit verbunden und diese umfasst daher grundsätzlich auch das Risiko von Fehleinschätzungen. Der auch für GmbH und andere Rechtsformen grundsätzliche entsprechend heranzuziehende Grundsatz der Business Judgement Rule gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG regelt daher, dass eine zur Haftung auf Schadensersatz führende Pflichtverletzung des Vorstands gerade nicht vorliegt, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischer Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.
Auch gewagte Geschäfte stellen daher keine Sorgfaltspflichtverletzung dar, wenn der äußere Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, der in der Satzung festgelegte Unternehmenszweck sowie die Beschlüsse und Weisungen der Gesellschafterversammlung beachtet worden sind und die auf Basis einer sorgfältig ermittelten Informationsgrundlage getroffene Entscheidung sich im Rahmen im unternehmerischen Beurteilungsspielraums hielt. Wenn die entsprechende unternehmerische Entscheidung exante, also im Voraus, vertretbar war, führt es nicht zu einer Schadensersatzpflicht der Organmitglieder, wenn sie sich hinterher als nachteilig und schadenskausal herausstellt. Erforderlich ist die sorgfältige Vorbereitung und Umsetzung der Entscheidungen im Rahmen einer Sanierungstransaktion unter Einbeziehung aller Alternativen und ihrer jeweiligen Konsequenzen. Die Rechtsprechung verlangt die Ausschöpfung der verfügbaren Informationsquellen einschließlich einer Abwägung der Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen, wobei erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen ist.
Sanierungstransaktionsprozess: Vorbereitung, Due Diligence, Signing, Closing
Ein Sanierungstransaktionsprozess ist dabei regelmäßig gekennzeichnet durch eine Vorbereitungsphase mit der Einbeziehung von Beratern, der Vorbereitung einer Unternehmensprüfung (Due-Diligence) sowie der Vorbereitung der Begleitdokumente, die über Ermittlung einer Interessenbekundung nebst Vertraulichkeitsvereinbarung und weiteren bindenden sowie unverbindlichen Verabredungen (Letter of Intent) reichen, sowie durch eine Phase der Prüfung des Unternehmens im Rahmen der Due-Diligence und die zum Teil parallel anlaufenden Verhandlungen über den Kaufvertrag sowie schließlich dessen Unterzeichnung (Signing) und den Vollzug der Transaktion (Closing). Während all dieser Teilphasen im Rahmen einer Sanierungstransaktion muss die Geschäftsleitung die Entscheidungsgrundlagen sowie die Chancen und Risiken der Sanierungstransaktion sorgfältig aufbereiten lassen, wobei die Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungsprozesse zu dokumentieren sind.
Die Rechtsprechung hat entschieden, dass der Geschäftsführer bei einem sich später als schadenskausal herausstellenden Unternehmenskauf ohne ausreichende Wirtschaftlichkeitsberechnung und Due-Diligence gegenüber der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Auf der Verkäuferseite wiederum ist darauf zu achten, dass keine Vorenthaltung wesentlicher Informationen gegenüber der Käuferseite im Rahmen der Due-Diligence-Phase erfolgt. Andernfalls sind haftungsbeschränkende Vereinbarungen zum Beispiel zu Haftungsobergrenzen und Haftungsfreibeträgen (Caps andBaskets) schnell unwirksam. Da weder das BGB noch das HGB die spezielle Materie des Unternehmenskaufs regeln, sind die Vertragswerke im Zusammenhang mit Sanierungstransaktionen komplex und häufig an im angloamerikanischen Rechtskreis üblichen Gestaltungen orientiert.
Der Ausschluss einer Haftung aufgrund der Vorenthaltung wesentlicher Informationen und die Vorbereitung haftungsausschließender bzw. mindernder Klauseln im Vertragswerk setzt häufig auch eine Due-Diligence auf Verkäuferseite voraus (Vendors Due-Diligence).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Geschäftsleitung im Falle von Sanierungstransaktionen sowohl auf Käufer-, wie auch auf Verkäuferseite auf die Begleitung durch kompetente Berater in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht achten sollte.
Absicherung von Haftungsrisiken mit einer D&O-Versicherung
Haftungsrisiken bzw. Schadensrisiken auf Käufer- und auf Verkäuferseite können durch spezielle Versicherungsgestaltungen gemindert bzw. sogar ausgeschlossen werden. Es dürfte zum Pflichtenkreis der Geschäftsleitung gehören, die entsprechenden Möglichkeiten eines Versicherungsschutzes auszuloten.
Da auch im Falle der Begleitung von Sanierungstransaktionen durch professionelle Berater Fehlentscheidungen und eine Haftung der Geschäftsleitung nie völlig ausgeschlossen werden können, ist bereits bei Unternehmen mittlerer Größe der Abschluss einer auskömmlichen D&O-Versicherung (Directors-and-Officers-Versicherung, auch Organ- oder Manager-Haftpflichtversicherung) dringend zu empfehlen.
Allerdings sind nicht alle von den Versicherungsgesellschaften angebotenen D&O-Versicherungen in gleicher Weise geeignet.
Von der Versicherungswirtschaft praktisch nicht angeboten, dafür aber besonders geeignet, wäre eine Berufshaftpflichtversicherung, die für den Zeitpunkt des Versicherungsfalls dem gesetzlichen Regelfall des Versicherungsvertragsgesetzes folgend darauf abstellt, wann das schädigende Ereignis eingetreten ist („Verstoß-Deckung“). Sinnvoll wäre es außerdem, wenn nicht die Gesellschaft, sondern die Organperson Versicherungsnehmerin ist, damit sie und nicht der spätere Insolvenzverwalter den Versicherungsschein in Händen hat und über das weitere Schicksal des D&O-Versicherungsvertrags bestimmen kann. In geeigneten Einzelfällen kann es gelingen, eine solche Versicherung abzuschließen.
Die allermeisten Versicherungsgesellschaften sehen in ihren D&O-Versicherungsbedingungen stattdessen das Claims-made Prinzip („Ansprucherhebungsprinzip”) und die Gesellschaft als versicherte Person vor. Das Claims-made Prinzip stellt für den Zeitpunkt des Versicherungsfalls nicht auf den Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses oder auf die Realisierung des Schadens ab, sondern auf den Zeitpunkt der erstmaligen Anspruchserhebung gegenüber der Organperson.
Unbillige Härten für die Organpersonen, die sich aus dem Claims-made Prinzip ergeben, sollen laut Vorgabe der Rechtsprechung u.a. durch angemessene Nachmeldefristen in den Versicherungsbedingungen ausgeglichen werden können. Bei Vereinbarung einer entsprechenden Nachmeldefrist umfasst der Versicherungsschutz auch solche Schadenersatzansprüche, die die Organperson bis zum Ablauf des Versicherungsvertrages verursacht hat und die innerhalb der vereinbarten Nachmeldefrist nach Ablauf des Versicherungsvertrages gegenüber der Organperson geltend gemacht worden sind.
Die Nachmeldefristen haben aber ihre Tücken. Daher lohnt es sich, auch hierzu vergleichende Angebote einzuholen und mit den Versicherungsgesellschaften zu verhandeln. Bei Abschluss der D&O-Versicherung sollte man vor allem darauf achten, dass die Nachmeldefristen zumindest so lange laufen, dass noch nicht verjährte Pflichtverletzungen ebenfalls abgedeckt sind. Pflichtverletzungen verjähren regelmäßig in fünf bzw., bei börsennotierten Aktiengesellschaften, in zehn Jahren.
Nachmeldefristen sind besonders dann von hoher praktischer Bedeutung für Organpersonen, wenn die Gesellschaft in die Insolvenz gerät. Insolvenzverwalter stellen dann häufig die weitere Zahlung von Prämien ein, um die Insolvenzmasse zu schonen. Infolgedessen fällt die spätere Inanspruchnahme des Organs durch den Insolvenzverwalter wegen des Claims-made Prinzips nicht mehr in die versicherte Zeit, sondern erfolgt danach. Die Organperson ist dann auf die Nachmeldefrist angewiesen.
Eine ausreichend bemessene Nachmeldefrist ist auch deshalb von Bedeutung, weil sich die bestehenden Pflichten in der Krise verschärfen und neue Pflichten hinzukommen (Insolvenzantragspflicht, Zahlungsverbot ab Insolvenzreife, etc.; vgl. Streit/Bürk, Keine Entwarnung bei der Geschäftsführerhaftung im Insolvenzfall, Der Betrieb 2008, S. 742 ff.). Die während der Krise eintretenden Schäden können besonders hoch sein. Die Organperson hat alle verbotenen Zahlungen ab Insolvenzreife zu ersetzen, wobei die zur Ersatzpflicht führenden Zahlungen addiert werden können.
Es kann sich auch empfehlen, der Gesellschaft und idealer Weise auch der versicherten Person die Möglichkeit einzuräumen, innerhalb einer bestimmten Frist gegen Prämienzuschlag eine Verlängerung der Nachmeldefrist einzukaufen. In Bezug auf die Deckungssumme ist im Zusammenhang mit der Nachmeldefrist wichtig zu wissen, dass die D&O-Versicherungsbedingungen die Deckungssumme häufig zum Nachteil der Organpersonen auf eine einmalige Inanspruchnahme der noch nicht verbrauchten Deckungssumme aus der letzten Versicherungsperiode beschränken.
Sinnvoll ist es auch, wenn der Gesellschaft und idealer Weise auch der versicherten Organperson die Möglichkeit eingeräumt wird, noch einmal die Deckungssumme aufzufüllen, z.B. durch Zahlung eines Einmalbetrags.
Manche D&O-Versicherungsbedingungen sehen zudem einen Deckungsausschluss vor für Pflichtverletzungen, die eine Organperson nach eingetretener Insolvenzreife begeht. Ein solcher Ausschluss sollte beim Abschluss einer D&O-Versicherung nicht akzeptiert werden. Gerade in der Krise der Gesellschaft ist eine Absicherung durch eine D&O-Versicherung angesichts des erhöhten Haftungsrisikos besonders wichtig. Man sollte sich auch nicht darauf verlassen, dass solche Ausschlussklauseln überraschend und damit unwirksam sind. Sie können u.U. auch wirksam sein. Auch ansonsten ist es im Haftpflichtrecht im Wege der Vertragsfreiheit möglich, bestimmte Risiken zu versichern und andere nicht.
Bei Abschluss der D&O-Versicherung sollte man außerdem darauf achten, dass auch bedingt vorsätzliche Pflichtverletzungen mit versichert sind. Man sollte möglichst keinen generellen Vorsatzausschluss akzeptieren.
Aus unserer Praxis können wir berichten, dass eine Standard D&O-Versicherung häufig nicht die vorteilhaftesten Klauseln für einen Geschäftsführer/Vorstand enthält. Es empfiehlt sich der rechtzeitige Abschluss einer geeigneten D&O-Versicherung, ggf. unter Hinzuziehung geeigneter Berater.
Insolvenzverwalter und D&O-Versicherung
Für einen Insolvenzverwalter kann es in geeigneten Fällen sinnvoll sein, die weitere Prämienzahlung nicht mit Insolvenzeröffnung unter Hinweis auf die Pflicht zur Schonung der Insolvenzmasse einzustellen. Vielmehr kann es sich für einen Insolvenzverwalter in geeigneten Fällen empfehlen, den werthaltigen Deckungsanspruch zu erhalten, indem er die im Verhältnis zur Höhe des Deckungsanspruchs doch relativ geringfügigen Prämien weiter zahlt. Die bloße Insolvenzeröffnung berechtigt die Versicherungsgesellschaft noch nicht zur Kündigung des Versicherungsvertrags. Zur Kündigung berechtigt ist sie erst aufgrund eines etwa vereinbarten ordentlichen jährlichen Kündigungsrechts sowie aufgrund der Vorschriften über den Prämienverzug.
Insolvenzverwalter können somit u.U. verhindern, dass die Versicherungsgesellschaft die Zahlung der Versicherungssumme später verweigert, indem sie sich auf das Claims-made Prinzip, auf den Ablauf der Nachmeldefrist, oder auf den Verbrauch der während der Nachmeldefrist insgesamt nur einmal zur Verfügung stehenden Deckungssumme aus der letzten Versicherungsperiode beruft.
Praktisch bedeutsam kann die Erhaltung der Werthaltigkeit des Deckungsanspruchs für einen Insolvenzverwalter auch sein, wenn die Organperson im Zuge der Insolvenz nicht nur ihre Anstellung und damit ihr pfändbares Einkommen verloren hat, sondern weiteren Ansprüchen ausgesetzt ist (Bürgschaften, deliktische Haftungen, Sonstiges). Der Deckungsanspruch ist häufig der einzige verbleibende wirklich werthaltige Vermögensgegenstand. Dieser steht dem Insolvenzverwalter der Gesellschaft außerdem u.U. auch in der Insolvenz der Organperson zur Verfügung, im Wege der abgesonderten Befriedigung.
Der Autor:
Prof. Dr. Georg Streit, Rechtsanwalt, Partner und Leiter der Praxisgruppe Restrukturierung bei Heuking Kühn Lüer Wojtek, München