Sanierung in Eigenregie

Sanierung in EigenregieAn  das Krisenmanagement sind im Mittelstand besondere Anforderungen zu stellen, die in den meisten Fällen folgende weniger rechtliche als tatsächliche Hintergründe haben:
■ Inhabergeführtes Management
■ Familienunternehmen in den Händen der „Gesellschafterfamilie“
■ Hohe Identifikation der Belegschaft mit „ihrem“ Betrieb
■ Tiefe Verwurzelung in der Region, auch bei zunehmenden Auslandsaktivitäten und Auslandsinvestitionen


Restrukturierung Journal 2015Dieser Beitrag ist Teil der aktuellen Ausgabe des Handelsblatt Journals „Restrukturierung – Sanierung -Insolvenz“, das Sie ab sofort kostenlos downloaden können. Hier berichten 18 Autoren zu den Themen:

  • Führung in der Krise
  • Business Transformation
  • Best Practice
  • Restrukturierung von Banken
  • Politische Umwälzungen als Geschäftsrisiko
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Insolvenz als Tabu

Vor diesem Hintergrund ist die Furcht vor dem Kontrollverlust im Insolvenzfall bei mittelständischen Unternehmen (KMU) besonders groß. Hinzu kommt die Angst vor dem Stigma „Pleite gemacht“ zu haben. Droht zudem die persönliche Inanspruchnahme, z.B. wegen gewährter Bürgschaften, kommt die Angst vor einer privaten Folgeinsolvenz hinzu.

Stärkung der Eigenverwaltung

Hier setzte der Gesetzgeber bereits Anfang 2012 mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) an. Er hat sich vor gut drei Jahren mit dem ESUG nicht weniger auf die Fahnen geschrieben als eine andere Insolvenzkultur in Deutschland zu etablieren. In der Eigenverwaltung werde „der Bock zum Gärtner gemacht“ hieß es früher häufig. Heute werden die Krisenursachen differenzierter betrachtet. Die Praxis belegt, dass die Zurückhaltung der Insolvenzgerichte bei der Anwendung der Eigenverwaltung gebrochen ist. Ein Mentalitätswechsel hat stattgefunden. Es wird allerhöchste Zeit, dass auch der Mittelstand die Sanierungschancen nutzt, welche die Insolvenzordnung ihm bietet.

Für den Mittelstand besonders interessant ist die Sanierung in der durch das ESUG gestärkten Eigenverwaltung. Die bisherige Geschäftsführung behält das Ruder im Unternehmen in den Händen. Kontrolliert wird sie von einem Sachwalter. Die Sanierung in Eigenregie nutzt die vorhandenen Erfahrungen und Kenntnisse des bisherigen Managements. Die Eigenverwaltung kann dabei auch im Fall der Insolvenz kleinerer Betriebe zum Einsatz kommen, z.B. bei der Sanierung eines Handwerkbetriebs in den Händen des bisherigen Handwerksmeisters.

In der Eigenverwaltung stehen alle wichtigen Sanierungsinstrumente der Insolvenzordnung zur Verfügung. In Kombination mit einem Insolvenz­plan kann das Unternehmen entschuldet und wieder aus der Insolvenz herausgeführt werden. Auf diesem Wege kann auch die Enthaftung von Geschäftsführern und Gesellschaftern geregelt werden.

Erfolgreiche Sanierung ist Vertrauenssache

Die Sanierung mit Hilfe der „ESUG-Verfahren“ ist eine komplexe Herausforderung. Schon die Antragstellung erfordert besondere Expertise. Im Verfahren sind das insolvenzrechtliche und nicht zuletzt das steuerliche Pflichtenprogramm zu erfüllen. Die erfolgreiche Sanierung in der Insolvenz wird daher regelmäßig die Hinzuziehung erfahrener Insolvenz- bzw. Sanierungsberater erfordern.

Ziel muss es sein, von Beginn an Vorbehalte gegen eine Sanierung in Eigenregie auszuräumen. Einmal gewonnenes Vertrauen muss täglich neu gerechtfertigt werden. Gerade in einer Eigenverwaltung müssen Geschäftsführung und Sachwalter Präsenz zeigen und bei der Sanierung des Unternehmens an einem Strang ziehen, auch wenn es mitunter manche Rückschläge gibt. Der ehrliche und offene Umgang mit allen Beteiligten ist entscheidend für den Sanierungserfolg. Wenn Geschäftsführung und Sachwalter in der Eigenverwaltung Banken und Lieferanten nicht mitnehmen auf den Weg hin zur Sanierung, werden sie ihr Ziel alleine nicht erreichen. Dasselbe gilt nicht zuletzt wegen des Fachkräftemangels auch mit Blick auf die Arbeitnehmer.

Speziell mittelständische Unternehmen zögern den Gang zum Insolvenzgericht hinaus

Das unternehmerische Risiko hat insbesondere im Mittelstand immer auch eine ganz persönliche Seite: Nicht selten wird das Scheitern als persönliches Scheitern (miss-)verstanden. Die Angst vor der persönlichen Haftung kommt hinzu. Kleine und mittelständische Unternehmen versuchen den Gang zum Insolvenzgericht daher um jeden Preis zu verhindern. Manchmal auch um den zu hohen Preis der Insolvenzverschleppung.

Gute Sanierungschancen für den Mittelstand

Die „ESUG-Verfahren“ erfüllen in vielen Punkten die besonderen Anforderungen an das Krisenmanagement im Mittelstand. Die Eigenverwaltung belässt dem Unternehmer die Kontrolle. Daneben kommt häufig ein Insolvenzplan zum Einsatz, der das Unternehmen erhält und den existenzbedrohenden Zugriff auf den Unternehmer verhindert. Die Praxis zeigt aber auch: Wer den richtigen Zeitpunkt für eine Sanierung in der Insolvenz verpasst, der begibt sich schnell in eine Sackgasse. Wird der Antrag auf Eigenverwaltung zu spät gestellt, hat er bei Gericht kaum mehr Aussichten auf Erfolg. Aus meiner Praxis sind mir mehrere Beispiele bekannt, in denen der Weg der Eigenverwaltung zu spät beschritten wurde. Das Gericht sah sich in diesen Fällen letztlich gezwungen, die Eigenverwaltung aufzuheben und in ein Regelinsolvenzverfahren mit Insolvenzverwalter überzuleiten.

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