Um sich vom Überangebot an Altenpflegeeinrichtungen abzusetzen, empfehlen Jens Weber und Jochen Keute von der Beratungsgesellschaft Baker Tilly Roelfs eine Neuausrichtung als Teil einer Prozesskette bestehend aus ambulanten, teilstationären und stationären Angeboten, sowie aus niederschwelligen Versorgungs- und Serviceangeboten mit individueller Intensität. Diese Einrichtungen können finanzielle Altlasten und langlaufende vertragliche Bindungen im sogenannten Schutzschirmverfahren beseitigen.
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Restrukturierung von Pflegeheimen
unter dem Schutzschirm
Im Bereich der Seniorenbetreuung und -versorgung ist ein zunehmendes Überangebot an Altenpflegeeinrichtungen festzustellen. Langfristig überlebensfähig werden nur diejenigen Einrichtungen sein, die Teil einer Prozesskette sind, die andere Angebote integriert. Eine derartige Prozesskette besteht aus ambulanten, teilstationären und stationären Angeboten, sowie aus niederschwelligen Versorgungs- und Serviceangeboten mit individueller Intensität. In der aktuellen Situation sind nur Betriebe überlebensfähig, die eine effektive Kundenbindung für die Zielgruppe 65+ für alle Bedürfnisse und Fragestellungen anbieten können.
Der Neuausrichtung der Einrichtung stehen aber häufig finanzielle Altlasten und langlaufende vertragliche Bindungen im Wege. Diese können im sogenannten Schutzschirmverfahren beseitigt werden, weil das Verfahren mit dem Insolvenzrecht einen neuen rechtlichen Handlungsrahmen schafft, den die Geschäftsleitung dank der im Schutzschirmverfahren verbleibenden unternehmerischen Kontrolle auch selber nutzen kann, um die Einrichtung neu auszurichten. Die um einen insolvenzerfahrenen Berater verstärkte Geschäftsleitung bleibt handlungsfähig.
Unter dem Schutzschirm lassen sich Altlasten, die der Sanierung entgegenstehen, beseitigen:
– Langlaufende Miet- oder Pachtverträge können mit einer Frist von drei Monaten beendet werden.
– Überbesetzte Abteilungen können mit verkürzter Frist und mit in den Kosten beschränktem Sozialplan abgebaut werden.
– Die Rückforderung zweckgebundener Zuschüsse wird auch nach Umwidmung des Betriebes nur mit einer Insolvenzquote bedient: Eine Besicherung des Zuschusses schreckt nicht, da die besicherte Immobilie so viel wert ist wie ein unsanierter Geschäftsbetrieb.
– Die Höhe der Tilgung für Darlehen lässt sich über einen Insolvenzplan an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Geschäftsbetriebes anpassen.
– Gesellschafterbeiträge werden wieder sinnvoll und werthaltig, weil sie einem sanierten Unternehmen gegeben werden.
– Die Haftung der Geschäftsleitung wegen verspäteter Stellung eines Insolvenzantrages ist ausgeschlossen.
Qualität der Pflege sinkt nicht in der Insolvenz
Kurzfristige negative wirtschaftliche Auswirkungen des Schutzschirmverfahrens auf den Geschäftsbetrieb sind überschaubar, da die Kunden der Einrichtung langfristig gebunden sind, und die Versorgungsträger wie auch der medizinische Dienst inzwischen die Erfahrung gemacht haben, dass auch in der Insolvenz die Qualität der Pflege nicht sinkt.
Die Sanierung unter dem Schutzschirm setzt voraus, dass die Bescheinigung eines Gutachters vorliegt, die die Sanierungsaussicht bestätigt.
Kurzinterview
Was sind Ihre Erfahrungen bei der Sanierung von Altenpflegeeinrichtungen, Herr Weber?
Altenpflegeeinrichtungen sind besonders von der Änderung gesetzlicher Rahmenbedingungen
betroffen. Gesetzesänderungen können für sie Krisenursache und damit Grund für die Sanierung sein:
So stellt der Gesetzgeber seit längerem die ambulante Versorgung in den Vordergrund, was die stationäre Versorgung vor Herausforderungen stellt und die Einrichtung zur Kooperation mit ambulanten Diensten zwingt.
Die Änderung von gesetzlichen Rahmenbedingungen kann aber auch als Chance begriffen werden, weil ihre Umsetzung Alleinstellungsmerkmale schafft. So halten wir die Einbindung niedergelassener Ärzte und Therapeuten in die Betreuung der Bewohner der Altenpflegeeinrichtungen für sinnvoll. Der Gesetzgeber sieht entsprechend z.B. eine Einbindung von niedergelassenen Ärzten über Kooperationsverträge vor. Diese Vernetzung mit ambulanten Strukturen sichert über mögliche Zuweisungen und über eine frühe Kundenbindung die Auslastung
Welche Entwicklungen beobachten Sie im Pflegemarkt?
Wir stellen fest, dass der Anteil von erheblich pflegebedürftigen Menschen in stationären Einrichtungen steigt. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Gleichzeitig sehen wir, dass weniger hilfebedürftige Menschen immer länger ambulant betreut werden. In dieser Situation ist eine Vernetzung der stationären Altenpflegeeinrichtungen als Teil einer Versorgungskette unverzichtbar geworden.
Dipl.-Kfm. Jens Weber, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Competence Center Restructuring (links)
Dr. med. Jochen Keute, Competence Center Healthcare