Kurzarbeit, Sozialplan und Massenentlassungen: die Verantwortung von Unternehmen

Interview zur Corona-Krise mit Buse-Arbeitsrechtler Dr. Jan Tibor Lelley, LL.M.

Herr Dr. Lelley, wir leben in aufregenden Zeiten. Die Corona-Pandemie greift um sich und wirkt sich auf alles aus, was unseren Alltag ausmacht. Homeoffice und Kurzarbeit bestimmen die neue berufliche Routine. Was sind Ihre Beobachtungen als Arbeitsrechtler für Unternehmen in der aktuellen Situation?

J.T. Lelley: Die Corona-Pandemie ist nun schon seit einigen Monaten zur Krise avanciert. Das weckt offenbar Erinnerungen an die letzte Krise aus dem Jahr 2007 – auch wenn uns Corona natürlich ganz andere Verhaltensmuster abverlangt als eine reine Wirtschaftskrise. Doch wie damals nutzen viele Unternehmen die vereinfachten Wege in die Kurzarbeit, um ihren Arbeitsausfall zu kompensieren.

Was müssen Unternehmen, die über Kurzarbeit nachdenken, beachten?

J.T. Lelley: Kurzarbeit will gut durchdacht sein. Ist es wirtschaftlich vertretbar, sollte das Kurzarbeitergeld aufgestockt werden – mit einer Staffelung nach unten. Zum Beispiel kann man mit einer Aufstockung auf 80 Prozent des letzten Nettoentgelts beginnen und dann stufenweise nach unten reduzieren. Das mindert den Fall der Angestellten etwas.

Außerdem sollte man mit Kurzarbeit vorsichtig umgehen. Die staatliche Förderung macht es hinterher komplizierter, wenn trotz allem Stellen abgebaut werden müssen. Kurzarbeit schließt zwar nicht aus, dass Mitarbeiter:innen entlassen werden, aber unter Umständen verbieten sich Kündigungen durch Betriebsvereinbarungen, die im Rahmen der Kurzarbeit geschlossen wurden. Deshalb rate ich Unternehmen davon ab, in dieser Situation Betriebsvereinbarungen mit langen Laufzeiten abzuschließen. Für den Fall, dass sich die Lage verschlechtert, sollten auch andere Reaktionsmöglichkeiten in Betracht kommen.

Sie glauben also, dass es zu Massenentlassungen kommen wird?

J.T. Lelley: Über kurz oder lang werden manche Unternehmen die Entlassung nicht vermeiden können. Die Pandemie verursacht jetzt schon wirtschaftliche Schäden, deren Ausmaß wir uns noch vor kurzer Zeit überhaupt nicht vorstellen konnten. Massenentlassungen sind also ein Szenario für viele Betriebe.

Wie kann man sich als Unternehmen darauf vorbereiten?

J.T. Lelley: Bei Massenentlassungen spielt natürlich der Betriebsrat eine große Rolle. Es ist wichtig, ihn von Anfang mit ins Boot zu nehmen. Wer also eine Betriebsänderung (u.a. durch Stellenabbau) veranlasst, muss mit dem Betriebsrat zusammen planen. Dazu gehört es, einen Sozialplan zu entwerfen und vorher einen Interessensausgleich zu vereinbaren. Letzterer ist nicht erzwingbar.

Bei Massenentlassungen ist es außerdem wichtig, die gesetzlichen Vorgaben ganz streng einzuhalten. Hier kann schon der kleinste Fehler zu einer Unwirksamkeit der Kündigungen führen.

In der aktuellen Lage mit dem Betriebsrat zu verhandeln, könnte praktisch schwierig werden.

J.T. Lelley:  Das ist richtig. Die Verhandlungen sind unter Corona-Bedingungen nicht unbedingt leichter als sonst. Das geht zum Beispiel nur unter Einhaltung der Hygienevorschriften. Auch das braucht etwas Planung. Zur Not kann man darauf ausweichen, den Sozialplan nach dem Stellenausbau abzuschließen. Beratungen mit dem Betriebsrat können auch telefonisch oder per Videokonferenz stattfinden. Die Beschlussfähigkeit ist so allerdings nicht immer gegeben. Dazu gibt es gesetzliche Neuregelungen, die der Praxis helfen. Die sind aber befristet, bis zum 31.12.2020. In jedem Fall sollte man als Unternehmensleitung alles versuchen, stets mit dem Betriebsrat maximal kooperativ in Kontakt zu sein. Zumindest sollte man ihm versichern, dass ein Sozialplan auch nach der Entlassung noch beschlossen werden kann. Im Moment ist Vertrauen besonders wichtig.

Was raten Sie Unternehmen in der Corona-Krise?

J.T. Lelley: Wer verantwortungsvoll mit der Krise umgehen will, muss jetzt gut planen und alle Handlungsmöglichkeiten in Betracht ziehen – für das Wohl des Unternehmens und der Mitarbeiter:innen.

 

Ein Interview von Liane Allmann, Kitty & Cie

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