Mit dem als ESUG bekannten „Sanierungsgesetz“ wurde zwar ein erhebliches Potential für Schuldner für einen Weg aus der Krise geschaffen, aber der Stuttgarter Oberstaatsanwalt Dr. Hans Richter warnt eindringlich vor den Gefahren: Laut Richter birgt ESUG ganz erhebliche strafrechtliche Risiken für Schuldner und für in Sanierungen von Unternehmen eingeschaltete Berater. Fehler im Verfahren können mit Geld- und Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre geahndet werden, wobei auch Fahrlässigkeit strafrechtlich relevant ist.
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von Dr. Hans Richter aus dem
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Strafrechtliche Risiken bei Insolvenzantragstellung
Schon immer waren mit der wirtschaftlichen Krise eines Schuldners und der dadurch oft bedingten Beendigung seines Unternehmens besondere Gefahren für dessen Gläubiger, aber auch für ihn selbst verbunden. Der Gesetzgeber hat den notwendigen Schutz der Kreditgeber und der Kreditwirtschaft vor allem im Rahmen zivilrechtlicher Normen realisiert. So dient auch die Insolvenzordnung (InsO) dem Kapitalerhaltungsinteresse der Gläubiger. Deren aktuelle Reform durch das „Sanierungsgesetz“ (SanG; Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7.12.2011; BGBl I, 2011, 2582. – allgemein aber abgekürzt als ESUG bezeichnet) schafft zwar ein erhebliches Sanierungspotential für Schuldner, erhöht aber auch das Risikopotential für Gläubiger, birgt große Missbrauchsgefahren und schließlich ganz erhebliche strafrechtliche Risiken für Schuldner und für in Sanierungen von Unternehmen eingeschaltete Berater.
Alte und neue strafrechtliche Klippen
Dies gilt ganz besonders im Hinblick auf die verbesserten Sanierungsmöglichkeiten bei Eigenverwaltung (§§ 270, 270a InsO), vor allem auch mit dem „Schutzschirm“ (§ 270b InsO), durch den Vollstreckungsschutz für eine Höchstfrist von drei Monaten erlangt werden kann. Weil zu den neuen strafrechtlichen Risiken – naturgemäß – noch keine (obergerichtliche) Rechtsprechung und auch kaum Literatur vorliegt, sollen schlagwortartig wesentliche Risikobereiche aufgezeigt werden. Dabei kann weder auf die strafrechtlichen Grenzen der Handlungsbefugnis des Schuldners als Eigenverwalter (wie ein Insolvenzverwalter hat er unter der Drohung des Untreuestrafrechts gem. § 266 StGB die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren) noch auf die bei Verletzung der Aufsicht, welche dem Sachwalter über den Schuldner obliegt, noch auf diejenige des (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder schließlich des Beraters, der die Sanierungsfähigkeit des Schuldnerunternehmens zu „bescheinigen“ hat, eingegangen werden.
Als besonders praxisrelevant erweisen sich (alte und neue) strafrechtliche Klippen schon für und bei der Stellung eines Insolvenzantrages. Fehler können gem. § 15a InsO mit Geldstrafe und Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre geahndet werden, wobei auch Fahrlässigkeit strafrechtlich relevant ist.
Strafbarkeit wegen Anstiftung oder Beihilfe
Dass Sanierungsabsichten – auch wenn sie sich bereits in konkreten Sanierungsplänen niedergeschlagen haben – die (maximale) Drei-Wochen-Frist des § 15a InsO zur Insolvenzanmeldung nicht verlängern, ist hinlänglich bekannt. Allein die Durchführung von Maßnahmen, die Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung spätestens innerhalb dieser Frist beseitigt haben, vermag die Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung auszuräumen. Diese Frist ist dem Unternehmen nur einmalig gewährt; neu eintretenden Verantwortlichen ist nur eine kurze Einarbeitungszeit (je nach Umfang des Unternehmens) eingeräumt.
Weisungen oder Genehmigungen – von welcher Seite auch immer, insbesondere auch von den Gesellschaftern – entlasten den Pflichtigen strafrechtlich nicht, können aber bei diesen zur Strafbarkeit wegen Anstiftung oder Beihilfe führen.
Fehlerhaft gestellte Anträge
Der vom Gericht als unzulässig zurückgewiesene Antrag gilt als – von Anfang an – nicht gestellter Antrag, so dass insoweit die Strafbarkeit wegen Verschleppung greift. Erhebliche Probleme schaffen die in der Praxis immer noch ganz überwiegend (jedenfalls zunächst) fehlerhaft gestellten Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 13 InsO). Behebt der Antragsteller – regelmäßig auf Hinweise des Insolvenzgerichts – die Fehler, ist für die Verschleppungsstrafbarkeit festzustellen, ab wann der Antrag die Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt, auch wenn er weiterhin inhaltlich fehlerhaft bleibt und das Gericht deshalb weitere Angaben verlangt. Klärungsbedarf gibt es vor allem bei nicht die Zulässigkeit betreffende und bei korrigierten fehlerhaften Angaben. Einigkeit herrscht insoweit, dass nur erhebliche Fehler tatbestandsmäßig sein können. Woran aber misst sich diese „Erheblichkeit“? Die teilweise vorgeschlagene Unterscheidung zwischen „Pflicht- und Sollangaben“ führt zur Strafbarkeit von Falschangaben lediglich bei unterlassener oder – auch nach gerichtlich erbetener – gescheiterter Nachbesserung mit der Folge der Zurückweisung des Antrags als unzulässig. Dies verfehlt aber den Schutzzweck der Strafnorm. Diesem wird die strafrechtliche Praxis aber dann gerecht werden, wenn sie nur solche Mängel als tatbestandsmäßig ansieht, die geeignet sind, die Amtsermittlungen des Insolvenzgerichtes wesentlich zu erschweren.
Unzulässigkeit des Antrags
Im Einzelnen gilt danach Folgendes:
■ Gem. § 13 Abs. 1 S. 3 und 7 InsO ist ein Antrag unzulässig, wenn das Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen und/oder die Erklärung über deren Richtig- und Vollständigkeit fehlt.
■ Die in § 13 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 – 5 InsO geforderte besondere Kenntlichmachung der dort aufgezählten Forderungen betrifft nur Unternehmen mit nicht eingestelltem Geschäftsbetrieb. Diese Kennzeichnungspflicht ist auch nur dann zwingend (§ 13 Abs. 1 S. 6 InsO), wenn der Schuldner Antrag auf Eigenverwaltung oder auf Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses gestellt hat oder die in § 22a InsO genannten Größenmerkmale einer mittelgroßen Kapitalgesellschaft überschritten sind. Nur dann führt also das Fehlen dieser Angaben zur Unzulässigkeit des Antrags. Ansonsten ist die Kenntlichmachung fakultativ („sollen“). Das Unterlassen wird in diesem Fall zwar regelmäßig einen Mangel darstellen; dieser wird jedoch kaum einmal erheblich sein. Dies gilt auch für vorhandene, aber fehlerhafte Kenntlichmachung.
■ Für das bei Antragstellung fortgeführte Unternehmen sind die nach § 13 Abs. 1 S. 5 InsO geforderten Angaben zur Bilanzsumme, den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zwingend („ hat … zu machen“). Deshalb führt das Fehlen dieser Angaben zur Unzulässigkeit des Antrags.
Detaillierte Zulässigkeitsvoraussetzungen durch ESUG
Zweifelhaft ist aber vor allem die Reichweite des – nach § 15a InsO strafbaren – fehlerhaft gestellten Antrags. Bis zu dieser Novelle waren inhaltliche Anforderungen an einen Antrag nicht gestellt. Lediglich der „Antrag“, der „keine Tatsachen mitteilt, welche die wesentlichen Merkmale eines Eröffnungsgrundes erkennen lassen“, wurde zutreffend als ”Nichtantrag” – also zur Erfüllung der Pflicht nicht ausreichend – behandelt. Mit dem ESUG hat der Reformgesetzgeber so detaillierte Zulässigkeitsvoraussetzungen normiert, dass früher diskutierte (strafbarkeitsbegrenzende) Kriterien, wie etwa, dass der Schuldner dem Insolvenzgericht keine (hinreichenden) Anhaltspunkte gibt, die es diesem ermöglichen, im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes das Vorliegen (oder Nichtvorliegen) der Antragsvoraussetzungen zu prüfen, ausscheiden. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass Amtsermittlungen nur bei zulässigem Antrag zu tätigen sind, also die vielfältigen Hinweise der Insolvenzrichter, um (Eigen-)Anträgen zur Zulässigkeit zu verhelfen, gerade keine Amtsermittlungen darstellen.
Wann ist eine strafrechtlich relevante Unrichtigkeit des Antrags anzunehmen?
Es kann indes nicht zweifelhaft sein, dass weiterhin nicht jede (vorsätzliche oder fahrlässige!) Unrichtigkeit in einem (zulässigen) Schuldnerantrag strafbar ist. Eine Einschränkung auf gravierende Lücken und Unrichtigkeiten ist umso bedeutsamer, als das ESUG – neben den für die Zulässigkeit geforderten Angaben – eine Fülle weiterer Informationen vom Schuldner im Antrag fordert. Der Maßstab für das Erheblichkeitskriterium kann nur im Rechtsgut der Strafnorm gefunden werden. Danach ist eine strafrechtlich relevante Unrichtigkeit erst dann anzunehmen, wenn hierdurch die Prüf- und Überwachungsfunktion des Insolvenzgerichtes im Hinblick auf die Massesicherung erheblich beeinträchtigt wird. Jedenfalls scheiden als nicht tatbestandsmäßig alle Schuldnerangaben aus, die dessen Anhörungsrecht (§§ 10, 14 InsO) oder allgemeine Mitwirkungspflicht (§ 20 Abs. 1 S 1, 2. Alt InsO) betreffen. Dies gilt auch für Angaben, die der Schuldner in Erfüllung seiner Auskunftspflicht gem. § 20 Abs. 1 S 1,1. Alt InsO macht, auch wenn diese für die Feststellung der (andauernden) Zulässigkeit des Antrags oder für die Prüfung der Voraussetzung der Eröffnung des (zulässigen) Verfahrens wesentlich sind.
Wie sich die Strafrechtsprechung im Einzelnen positionieren wird, ist also eine spannende Frage. Sicher ist dabei nur, dass die strafrechtlichen Risiken bei Insolvenzantragstellung deutlich erhöht sind.
Dr. Hans Richter, Oberstaatsanwalt Stuttgart