Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Joachim Voigt-Salus ist Spezialist für die Sanierung von gemeinnützigen Verbänden. Dass das Profitstreben nicht im Focus steht, ist einerseits für die Wirtschaftlichkeit dieser Verbände wichtig, andererseits hat der Ehrenamt-Aspekt bei Restrukturierungsaufgaben eine Kehrseite. In diesem Interview erklärt Voigt-Alus, warum sich die Gestaltung eines klassischen Asset Deals im Gemeinnützigkeitsbereich als folgenschwerer Fehler erweisen kann.
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Gemeinnützige Verbände in der Restrukturierung
Eine Fallstudie am Beispiel der Arbeiterwohlfahrt Berlin
Herr Voigt-Salus, Sie haben in den letzten Jahren mit dem Kolpingwerk in Sachsen, verschiedenen Kreisverbänden des DRK in Berlin sowie Landesverbänden des Arbeiter-Samariter-Bundes und der Arbeiterwohlfahrt diverse gemeinnützige Verbände saniert. Was unterscheidet diese Verfahren von „klassischen“ Unternehmensinsolvenzen?
Joachim Voigt-Salus: Ein wesentlicher Unterschied, aus dem sich besondere Anforderungen an den Insolvenzverwalter bzw. die mit der Sanierung betrauten Personen ergeben, liegt in der gemeinnützigen Zweckorientierung. Diese Unternehmen werden letztlich auch bei größeren Einheiten durch das Ehrenamt geleitet. Das Profitstreben steht dabei nicht im Focus des Engagements. Dies ist für die Wirtschaftlichkeit des Verbandes von nicht unerheblicher Bedeutung und hat naturgemäß dann eine Kehrseite, insbesondere wenn besondere Expertise bei Restrukturierungsaufgaben gefragt ist. Hinzu kommt, dass die Verbandsarbeit stark durch die Präferenzen der Mitglieder bestimmt wird. Hier ist bei der Sanierung, z.B. wenn defizitäre Einrichtungen zu schließen sind, Überzeugungsarbeit gefragt, wie sie wahrscheinlich am ehesten noch mit der Durchsetzung im politischen Diskurs vergleichbar ist. Mit Blick auf diese personelle Struktur dürfte es Fälle geben, in denen überhaupt nur in einem Insolvenzverfahren, also mit einem bestimmten Maß an Fremdbestimmung, eine Sanierung gelingen kann.
Speziell bei der Arbeiterwohlfahrt Berlin, einem der sechs Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, ist es Ihnen gelungen, die Sanierung in exakt einem Jahr abzuschließen. Was waren hierfür die maßgeblichen Faktoren?
Voigt-Salus: Bezogen auf den Landesverband der Arbeiterwohlfahrt Berlin e.V., der Träger diverser operativ tätiger Tochtergesellschaften war, wurde die Sanierung über einen Insolvenzplan organisiert, der auf der Zeitachse von vornherein darauf ausgerichtet war, eine Verfahrensaufhebung bis zu einem bestimmten Stichtag zu erreichen, um den Belangen der öffentlichen Zuwendungsgeber Rechnung zu tragen. Diese finanzieren insbesondere die Spitzenverbandsarbeit, die aufgrund der Spezifika des Zuwendungsrechts – anders als bei der Fortführung „klassischer“ Unternehmen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens – naturgemäß keinen Beitrag zur Gläubigerbefriedigung leisten kann. Inhaltlich hat der Insolvenzplan diesen „Gemeinnützigkeitsbereich im engeren Sinne“ abgetrennt und damit frühzeitig dem Verband dessen Fortführung außerhalb des Insolvenzverfahrens ermöglicht. Von der Zuwendungsseite entkoppelt konnte dann die Sanierung der Unternehmenseinheiten wie z.B. diverse Pflegeheime sowie eines geriatrischen Krankenhauses angegangen werden, deren Betrieb in verschiedenen Tochtergesellschaften angesiedelt war.
Gab es auch bei der Sanierung dieser Unternehmenseinheiten Spezifika im Vergleich zu gewerblichen Unternehmensträgern?
Voigt-Salus: Regelmäßig wird die Sanierung gemeinnütziger Organisationen durch das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht geprägt. So bestand bei der AWO Berlin die Besonderheit, dass Vermögenswerte von Tochtergesellschaften wie z.B. Betriebsgrundstücke als Sicherheiten dienten für Darlehensverbindlichkeiten, die der Landesverband als Obergesellschaft in Anspruch genommen hatte. Die Gestaltung eines klassischen Asset Deals bei der Tochtergesellschaft kann sich im Gemeinnützigkeitsbereich mit Blick auf den Grundsatz der Vermögensbindung, der die Möglichkeit der Durchreichung von Verwertungserlösen an die Muttergesellschaft beschränkt, als folgenschwerer Fehler erweisen – im schlimmsten Fall mit den Folgen der zehnjährigen Nachversteuerung i.S.d. §§ 61 Abs. 3, 63 Abs. 2 AO.
RA Joachim Voigt-Salus, Gründungspartner, Insolvenzverwalter