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Artikel aus dem Handelsblatt Journal „Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz“ vom 11.05.2023
von Dr. Lutz Jäde
Die Kosteninflation im Jahr 2022 hat die Performance der europäischen Unternehmen stärker belastet als die Lockdowns – einige Branchen sind zusätzlich von disruptiven Veränderungen betroffen
Die letzten beiden Jahre waren für die Unternehmen in Europa von großen Herausforderungen geprägt. Zunächst hat die COVID-19 Pandemie und die damit zusammenhängenden Lockdowns zu deutlichen Umsatzeinbußen und Supply Chain Problemen geführt.
Bereits im Jahr 2021 und nochmals verstärkt durch den Krieg in der Ukraine Anfang 2022 kam ein deutlicher Anstieg der Kosten für wichtige Rohstoffe sowie für Frachtkapazitäten und Energie hinzu. So hat sich der Preis für Stahl in Europe von Beginn 2021 bis zum ersten Quartal 2022 zum Beispiel verdoppelt, während die Kosten für Containerfrachten und Strom im gleichen Zeitraum auf mehr als das Fünffache gestiegen sind.
Investitionsgüter und Energieverteilung sind besonders betroffene Branchen
Die Auswirkungen dieser „doppelten Krise“ unterscheiden sich deutlich je Branche (siehe Abbildung). So profitierten Unternehmen aus dem Bereich Öl & Gas im ersten Halbjahr 2022 merklich von den gestiegenen Rohstoffpreisen und die Tourismusindustrie konnte ihre Erholung nach dem Ende der Reise-Einschränkungen fortsetzen. Die Stromversorger hingegen konnten ihre Umsätze zwar erheblich steigern, litten aber stark unter den höheren Kosten für den Einkauf von Gas und anderen Energieträgern. Und das produzierende Gewerbe, insbesondere Sektoren wie Chemie, Stahl, Maschinen- und Anlagenbau, Elektronik und Automobilzulieferer, mussten in Folge der gestiegenen Energie-, Fracht- und Rohstoffkosten ebenfalls einen Rückgang der Profitabilität verzeichnen und liegen teilweise noch unter dem Niveau von vor der COVID-19 Pandemie.
Nahezu paradox ist die Situation für Hersteller von Anlagen für die Erzeugung von erneuerbaren Energien, wie zum Beispiel Windräder. Einerseits steigt die Nachfrage nach „grüner“ Energie und den dafür notwendigen Technologien, andererseits ist diese Branche aufgrund der langen Auftragszyklen von bis zu zwei Jahren besonders stark von der Inflation getroffen, da sich die Kosten für wichtige Komponenten während der Bauzeit vielfach erhöht haben, ohne dass zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe Klauseln zur Weitergabe gestiegener Rohstoffkosten marktüblich waren.
Frisches Fremdkapital hat Insolvenzen vermieden – Fluch oder Segen?
Trotz dieser Herausforderungen ist die Anzahl der Insolvenzen in Europa aber seit Anfang 2020 um circa 20% zurückgegangen. Der Grund war die Verfügbarkeit von Fremdkapital zur Stützung der Liquidität, teilweise unterstützt durch staatliche Garantien für Darlehen an Unternehmen in der Krise. Die Kredite an Unternehmen in der Eurozone stiegen daher von Anfang 2020 bis Ende 2022 um 16%. Die gestiegene Verschuldung der Firmen könnte sich in der Zukunft aber als eine Belastung darstellen, falls sich die Profitabilität nicht im gleichen Maß verbessert.
Disruption ist zurück auf der Agenda
Die Situation wird zusätzlich verschärft durch teilweise disruptive Marktveränderungen, die in der Zeit der Pandemie zeitweise aus dem Fokus geraten sind. In der aktuellen Restrukturierungs-Studie von Oliver Wyman nannten die Teilnehmer als potenzielle Krisenursachen der nächsten Jahre besonders häufig geopolitische Risiken (26% der Befragten) sowie veränderte Kundenbedürfnisse und Technologien (14-16% der Befragten). Einige der momentan am stärksten belasteten Branchen sind diesen Herausforderungen besonders ausgesetzt – für einzelne Unternehmen könnte sich dadurch ein „perfekter Sturm“ zusammenbrauen. Allerdings zeigt die Studie auch, dass Banken und andere Finanzierer durchaus bereit sind, Unternehmen in schwierigen Zeiten Kapital zur Verfügung zu stellen – wenn der Kreditnehmer einen belastbaren Plan zur Überwindung der Krise aufzeigen kann. Mit dem richtigen Konzept können die Unternehmen also auch in stürmischen Zeiten erfolgreich navigieren.
Dr. Lutz Jäde, Leiter Restrukturierung, Oliver Wyman
Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „Energiewirtschaft“ erschienen.
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