
Artikel aus dem Handelsblatt Journal „Restrukturierung“ vom 11.05.2022
von Ralph Wangemann
Die Autoindustrie befindet sich aktuell in der größten Transformation der vergangenen 50 Jahre. Die weitreichenden Veränderungen allein erfordern Restrukturierungen und Investitionen in Milliardenhöhe – vor allem für Software- und Elektrifizierungsentwicklungen. Diese treffen zusammen mit einer globalen Pandemie, einem Halbleitermangel, einer dramatischen Preisinflation von Energie und Rohmaterialien sowie höchst volatilen Lieferketten. Als Teil des global agierenden Stellantis-Konzerns ist Opel auf diese Entwicklungen gut vorbereitet.
Vorbereitung auf die Zukunft
Unser Mutterkonzern hat bereits angekündigt, bis 2025 mehr als 30 Milliarden Euro in Zukunftstechnologien zu investieren. Die Softwarestrategie läuft dabei Hand in Hand mit der Elektrifizierung des Fahrzeugportfolios. Fahrzeuge werden dabei von innen nach außen entwickelt – von den Anwendungen und Schnittstellen im Cockpit zur passenden Antriebs- und Karosserieform. Diese Transformation wird Opel-Fahrzeuge von den heutigen elektronischen Architekturen auf eine offene Software-definierte Plattform überführen, die sich nahtlos in das digitale Leben der Kund:innen einfügt. Sie erweitert die Möglichkeiten der Kund:innen erheblich, innovative Funktionen und Dienste über regelmäßige Over-the-Air-Updates hinzuzufügen. So bleiben die Fahrzeuge noch Jahre nach ihrer Herstellung frisch, aufregend und immer auf dem neuesten Stand.
Dem Fachkräftemangel entgegenwirken
Natürlich haben diese grundlegenden Veränderungen auch weitreichenden Einfluss auf unsere zukünftige Belegschaft. Der Bedarf an Fertigungsmechaniker:innen bleibt weiterhin bestehen. Aber: In der Produktion sehen wir bereits heute eine signifikante Verschiebung. So brauchen wir verstärkt Elektroniker:innen und Mechatroniker:innen. Als Traditionsmarke mit einer über 150 Jahre langen Geschichte in der Ausbildung junger Fachkräfte versuchen wir diesen Bedarf durch eine gezielte Berufsausbildung abzudecken. Wir stellen jedes Jahr eine dreistellige Anzahl an neuen Azubis ein. Darüber hinaus ermöglicht Opel in Zusammenarbeit mit verschiedenen Hochschulen auch duale Studiengänge mit den Abschlüssen Bachelor of Science und Bachelor of Engineering. Dabei können die künftigen Absolvent:innen zwischen Maschinenbau, Elektrotechnik, Mechatronik und Wirtschaftsinformatik wählen. Die zunehmende Bedeutung der E-Mobilität rückt dabei verstärkt in den Fokus. Das unterstreicht auch der Studiengang Fahrzeugelektronik – Elektromobilität mit Schwerpunkt alternative Antriebe/Embedded IT, der in Kooperation mit der DHBW Ravensburg im Ausbildungsjahr 2022 erstmals bei Opel angeboten wird.
Selbstverständlich versuchen wir, diese Lücke auch durch die Fort- und Weiterbildung von Mitarbeitenden aus schrumpfenden Bereichen zu decken. Insgesamt brauchen wir mehr Software-Spezialist:innen und stellen in diesem Bereich auch ein. Zudem bieten wir unseren Ingenieur:innen, die sich bisher überwiegend mit Verbrennungsmotoren beschäftigt haben, eine Weiterbildung zum/r Software-Ingenieur:in an. Auf Konzernebene bauen wir dafür gerade eine eigene Software-Akademie auf. Das ist ein dynamischer Prozess, der sich in den kommenden Jahren fortsetzen wird.
Neuaufstellung, um wettbewerbsfähig zu bleiben
Fakt ist auch: Solch große Veränderungen erfordern Restrukturierungsmaßnahmen. Diese zielen darauf ab, die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit unseres Unternehmens weiter zu steigern. Denn nur so können wir uns erfolgreich im globalen Wettbewerb behaupten und uns im Interesse aller Beschäftigen und übrigen Stakeholder zukunftssicher aufstellen. Wir haben seit der Übernahme durch die Groupe PSA vor fast fünf Jahren sehr erfolgreich sozialverträgliche Lösungen mit unseren Sozialpartnern gefunden. Alle Pakete – ob Vorruhestand, Altersteilzeit oder vorzeitiges Ausscheiden aus dem Unternehmen – basierten auf Freiwilligkeit. Durch die hohe Attraktivität der Freiwilligenprogramme konnten wir gezielt Stellen abbauen und dabei alle verbleibenden Arbeitsplätze schützen – nicht nur bei Opel, sondern auch bei unseren Händlern oder Zulieferern. Ferner begleiten wir die Transformation mit einem Qualifizierungs- und Weiterbildungsprogramm.
Zudem konnten wir den neuen Opel Astra, eins der wichtigsten Modelle in unserem Portfolio, nach Rüsselsheim holen. Das Vorgängermodell wurde noch in zwei Werken in Polen und England gefertigt. Die Auftragslage ist hoch, sodass wir in Rüsselsheim sogar in schwierigen Zeiten eine zweite Schicht eingeführt haben. Eisenach bleibt unser Werk für den Opel Grandland und in Kaiserslautern entsteht neben dem Komponentenwerk eine Gigafactory für Batteriezellen, für die wir dann auch Mitarbeitende gezielt qualifizieren. Ab 2025 entstehen hier Hochleistungsbatterien für mehr als 800.000 Elektroautos.
Als direkte Folge dieser Restrukturierung profitieren unsere Mitarbeitenden – trotz Pandemie, angespannter Lieferketten und der beschriebenen Transformation – von einer Beschäftigungsgarantie, derzeit bis 2025. Zudem gibt es für die Belegschaft für das Geschäftsjahr 2021 zum dritten Mal in Folge eine Erfolgsprämie.
Flexibles Arbeiten: ein Gewinn für alle Seiten
In diesen Zeiten müssen wir auch über die Lehren aus der Pandemie reden. Und die wichtigste Erkenntnis dabei ist: Home-Office oder mobiles Arbeiten funktioniert! Wir haben schon zu Beginn der Covid-19-Pandemie mit dem Betriebsrat schnell umfassende Vereinbarungen zum mobilen Arbeiten treffen können. Bereits seit März 2020 arbeitet der weit überwiegende Teil der Beschäftigten von zu Hause aus – wenn es deren Aufgaben zulassen. Dabei profitieren wir als Unternehmen von der hohen Eigenmotivation und Professionalität unserer Mitarbeitenden.
Und da es – sowohl von Unternehmer- als auch von Beschäftigtenseite – ein großes Interesse an der Fortsetzung dieser neuen, modernen Arbeitsweise gibt, haben wir uns mit dem Betriebsrat auf eine dauerhafte HomeOffice-Regelung verständigt. Diese Vereinbarung ermöglicht dauerhaft mobiles Arbeiten. Von dieser neuen Regelung werden beide Seiten profitieren. Die Beschäftigten können ihre Arbeitszeiten flexibler gestalten, und wir als Unternehmen können Büroflächen verkleinern, Fixkosten senken und unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter steigern. Die Mitarbeitenden können endlich die viel zitierte Work-Life-Balance viel aktiver gestalten. Und einen wichtigen Punkt dürfen wir hier nicht vergessen: Home-Office bedeutet weniger Fahrten ins Büro. Damit wird nicht nur das Verkehrsnetz entlastet – es werden auch CO2-Emissionen verringert.
Über eine Software-Akadamie bieten wir unseren Ingenieur:innen, die sich bisher überwiegend mit Verbrennungsmotoren beschäftigt haben, eine Weiterbildung zum/r Software-Ingenieur:in an.
Ralph Wangemann, Geschäftsführer Human Resources und Arbeitsdirektor, Opel Automobile GmbH
Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „Restrukturierung“ erschienen.
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