Key Takeaways & Learnings | GKV meets Startup

Gemeinsam mit der AOK PLUS haben wir das erste Spotlight des Jahres gesetzt. Der Fokus der Veranstaltung lag auf der Zusammenarbeit und den gemeinsamen Zielen zwischen Digital Health Unternehmen und Körperschaften des öffentlichen Rechts. Herzlichen Dank für Ihre Beteiligung und an die Impulsgeber:innen für die spannenden Einblicke!

Startup und GKV – treffen hier wirklich Welten aufeinander?

Dieser Frage sind wir gemeinsam mit Patrick Palacin (u.a. Gründer von iATROS) und Anika Hopp (Justiziarin mit Schwerpunkt IT-Recht und Datenschutz, AOK PLUS) auf den Grund gegangen. Fest steht, die Rahmenbedingungen und Arbeitsweisen unterscheiden sich zwar teilweise stark zwischen den Playern, die Ziele sind jedoch häufig dieselben: das Gesundheitssystem voranzubringen. Es gilt mit Ausdauer und auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten und weiter daran zu arbeiten, Hürden in der Kooperation abzubauen. Etliche Digital Health Startups haben bereits innovative Versorgungslösungen entwickelt, die es wert sind Teil der Regelversorgung zu werden und der breiten Bevölkerung zugängig gemacht zu werden. Potential liegt nach wie vor in der sinnvollen Nutzung von Gesundheitsdaten. Die Weiterentwicklung der Datennutzungsrechte im SGB V ist dafür dringend erforderlich.

THESE 1: Krankenkassen sind bisher zurückhaltend bei komplexeren Kooperationen mit z.B. Herstellern digitaler Gesundheitsangebote (vgl. § 68 a SGB V). Woran könnte dies liegen?

Neue Kooperationsformen fordern neue Vertragslösungen und (oft nach außen nicht sichtbare) Prozesse. Diese müssen kontinuierlich entwickelt und etabliert werden.

Krankenkassen dürfen Daten nur im Rahmen ihrer Aufgaben verarbeiten. Diese sind sehr begrenzt in einem festgelegten Katalog definiert (u.a. § 284 SGB V). Die Datenübermittlung für Forschungsvorhaben ist ebenfalls stark eingeschränkt und unterliegt der Genehmigung der Aufsicht.

Im Vergleich zu Gesundheitsunternehmen und privaten Krankenversicherungen, werden GKV Daten als Sozialdaten eingestuft. Für diese gelten die strengeren Regeln des fünften Sozialgesetzbuches als lex specialis zu den Regeln der DSGVO. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse von Dritten werden demnach ebenfalls als Sozialdaten klassifiziert. Sofern Kooperationen zustande kommen, zählen auch Unternehmensdaten der Startups als Sozialdaten mit damit einhergehenden strengeren Regeln.

Das Neutralitätsgebot der GKV beinhaltet eine Pflicht zu Ausschreibungen ab einer bestimmten Größenordnung, sodass sowohl die Geschwindigkeit eines Kooperationsvorhabens als auch die Vermarktung eingeschränkt sein können.

 

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THESE 2: Bei den Krankenkassen liegen wertvolle Daten und großes Potential für die Weiterentwicklung von Produkten zur Verbesserung der Versorgung der Versicherten. Wie können und dürfen diese genutzt werden?

Routinedaten liegen den Krankenkassen in Form von Abrechnungsdaten aus den einzelnen Leistungsbereichen sowie den Versichertenstammdaten vor. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Daten nicht unmittelbar nach Inanspruchnahme des Gesundheitswesens der Krankenkasse zur Verfügung stehen (bspw. ambulant ärztlicher Bereich ca. 3 Quartale Verzug).

Dennoch bieten sie eine gute Grundlage, um unterschiedliche Fragestellungen im deutschen Gesundheitssystem zu adressieren. Die Daten sind unter anderem interessant für die Versorgungsforschung, epidemiologische Fragestellungen, der Erkenntnisgewinnung für gesundheitsökonomische Studien sowie für Analysen zur Versorgungsqualität.

Aktuell werden vor allem Analysen zur Versichertenstruktur, zu besonderen Versorgungsformen oder zum allgemeinen Versorgungsgeschehen durch.

Die jeweilige Datenverarbeitung ist immer an einen konkreten Zweck gebunden. Ohne vorliegende Rechtsgrundlage dürfen keine Daten seitens der Krankenkasse ausgewertet werden. Aktuell werden vorrangig Analysen zur Versichertenstruktur, zu besonderen Versorgungsformen oder zum allgemeinen Versorgungsgeschehen durchgeführt.

Datensätze von Millionen Versicherten könnten zum Training und zur Überprüfung von KI basierten Technologien dienen.

Wenn Versicherte ihre Daten von der GKV abrufen, können Versicherte diese in eigenem Ermessen an Dritte weitergeben.

Startups haben aktuell in der Kooperation mit den privaten Krankenversicherungen bessere Möglichkeiten Daten für ihre Produktentwicklung und Marktvalidierung zu erlangen. Dieser Umstand schränkt auf der anderen Seite Versorgungsinnovationen ein und behindert den fairen Wettbewerb zwischen den Systemen.

Immer wieder kommt die Befürchtung in der Bevölkerung auf, zum „gläserner Versicherten“ zu werden, dabei teilen Menschen ihre Daten oft bereitwillig mit Großkonzernen mit niedrigeren Daten(schutz)anforderungen („Wenn das Produkt kostenfrei ist, sind deine Daten das Produkt.“).

Gesetzliche Krankenkassen haben kein gewinnorientiertes Interesse und Gesundheitsdaten haben keinen Einfluss auf die Beitragshöhe des Einzelnen. Daten werden demnach nicht „gegen“ Versicherte verwendet. Ganz im Gegenteil: in einer idealen GKV-Welt helfen Gesundheitsdaten gemeinsam mit starken Partnern individuelle Angebote zu unterbreiten und Menschen zu unterstützen, ihr optimales Gesundheitslevel zu erhalten beziehungsweise zu erreichen.

THESE 3: Kooperation zwischen öffentlicher rechtlicher Körperschaft und Unternehmen aus der Privatwirtschaft: Was muss man berücksichtigen?

Eine gemeinsame Produktentwicklung von GKV und Startups ist gesetzlich möglich (u.a. § 68 a SGB V), aber es bleiben noch einige Details, zum Beispiel hinsichtlich Betreiber oder Produkthaftung, offen.

Es muss eine etwaige gemeinsame datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit aller Beteiligten berücksichtigt werden.

Die GKV hat bestimmte Anzeige- und Genehmigungspflichten, daher nehmen GKV-Kooperationen eine bestimmte Zeit in Anspruch.

Krankenkassen sollten dem Startup gegenüber so transparent wie möglich über die internen Prozesse berichten, frühzeitig ihrerseits fehlende Expertise einbeziehen und Checklisten mit den beschriebenen Kooperationsanforderungen teilen.

Startups sollten sich bemühen, die richtige Ansprechperson in der Krankenkasse zu identifizieren und vorhandene Dokumente (z.B. PEN-Test, Zertifikate, Audits) frühzeitig zu teilen.

Zu Beginn einer Partnerschaft sollte sich ausreichend Zeit für ein erstes Kennenlernen und Erwartungsmanagement genommen werden, um über Ziele, nicht-Ziele und den gemeinsamen Arbeitsmodus zu sprechen.

Vielen Dank an die AOK PLUS für die Zusammenfassung des Spotlights. Alle Key Takeaways & Learnings, sowie weitere spannende Inhalte und Quellen, finden Sie im aufgearbeiteten PDF Dokument.

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