Mutige Entscheidungen für ein digitales Deutschland

Valentina Daiber

Von Valentina Daiber, Vorständin Recht und Corporate Affairs bei Telefónica Deutschland.

Was treibt die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung voran, was hemmt sie oder bremst sie gar aus? Welche Rolle spielen dabei Bund und Länder? In den vergangenen Jahren wurde viel diskutiert, doch die mühselige Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner ist eine Sackgasse. Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich mitten in einer gigantischen Transformation, die sie selbst gestalten müssen. Dafür braucht es Engagement, Mut und Pragmatismus. Jetzt ist die Zeit, deutlich mehr Schub in die Digitalisierung der Verwaltung zu bekommen, damit Deutschland wettbewerbs- und zukunftsfähig bleibt.

Sechs Thesen zur Digitalisierung von Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft.

 

  1. Die Voraussetzungen sind gut – vielleicht so gut wie nie zuvor. Die Bundesrepublik verfügt über ein hervorragendes, leistungsfähiges Mobilfunknetz. Bereits heute sind 85 Prozent der Fläche mit dem ultraschnellen 5G versorgt. In der Kategorie „Konnektivität“ des DESI-Index 2022 (Digital Economy and Society Index der EU) erreicht die Bundesrepublik im EU-Vergleich Platz 4. Überall im Land werden neue disruptive Anwendungen getestet. Unternehmen wie der öffentliche IT-Dienstleister Dataport, Forschungseinrichtungen wie die Technische Universität München oder der Gesundheitsanbieter Helios testen in 5G-Campusnetzen die Potenziale des neuen Mobilfunkstandards.

 

  1. 5G ist ein Gamechanger für die Digitalisierung. Das moderne Netz eröffnet Verwaltungen und Industrie neue digitale Dimensionen. Enorme Übertragungsgeschwindigkeiten und kurze Reaktionszeiten von wenigen Millisekunden machen es möglich, auch große Datenmengen zwischen Geräten und Sensoren in Echtzeit auszutauschen. Damit ist es beispielsweise möglich, den Verkehr automatisiert zu steuern oder Virtual- und Augmented-Reality-Anwendungen in der Notfallrettung zu nutzen.

 

  1. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern ein wichtiger Standortfaktor. Der Abbau bürokratischer Hürden für Unternehmen durch vereinfachten elektronischen Zugang zur Verwaltung, schnellere Entscheidungswege durch digitale End-to-End-Prozesse, flächendeckend schnelle Netze – all das erhöht die Effizienz und ist in vielen Bereichen die Voraussetzung für die Etablierung neuer Geschäftsmodelle. Mehr als 2,5 Millionen kleine und mittelständische Unternehmen gibt es in Deutschland. Jede dieser Firmen hat im Durschnitt 200 Verwaltungskontakte pro Jahr. Je schneller und unbürokratischer diese Kontakte ablaufen, desto weniger Kosten verursachen sie – übrigens nicht nur bei den Unternehmen, sondern auch bei den Verwaltungen.

 

  1. Der Stand der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland steht in keiner Relation zu unserer wirtschaftlichen Bedeutung. Deutschland ist die größte Volkswirtschaft der EU und die viertgrößte der Welt. In der Digitalisierung sind wir aber weit abgehängt. Im DESI-Index 2022 stehen wir auf Platz 13 von 27. Auch bei der Digitalisierung der Verwaltung sind wir gerade mal Mittelfeld. Für einen Wirtschaftsstandort ist das keine gute Referenz.

 

  1. Vernetzt denken, agil arbeiten und lösungsorientiert handeln. Der Erfolg von Digitalisierungsprojekten hängt maßgeblich davon ab, wie gut und effektiv die beteiligten Partner zusammenarbeiten – auch in der öffentlichen Verwaltung. Deshalb ist es wichtig, die Digital- und IT-Kompetenzen, die auf den verschiedenen Ebenen der Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen vorhanden sind, zu vernetzen. Nur so wird eine partnerschaftliche und zielgerichtete Zusammenarbeit von Behörden, Politik und Wirtschaft möglich. Der neue Warnkanal Cell Broadcast, bei dem die Bevölkerung in Notfällen mit einer Pushnachricht auf ihrem Handy gewarnt wird, ist eine überzeugende Blaupause dafür. Viele unterschiedliche Akteure mussten hier zusammenarbeiten, sich systematisch abstimmen, um am Ende eine funktionierende Lösung zu schaffen. Es ist gelungen und es hat nicht viel länger als ein Jahr gedauert.

 

  1. Die Rahmenbedingungen für Investitionen in unsere Mobilfunknetze müssen verbessert werden. Die Formel ist einfach: Ohne leistungsfähige Mobilfunknetze keine Digitalisierung. Die Gigabitstrategie der Bunderegierung lässt sich nur mit schnelleren Genehmigungsverfahren und einer vorausschauenden Frequenzpolitik umsetzen. Bürokratische Hürden und teure Frequenzauktionen hemmen hingegen den Mobilfunkausbau. Tatsächlich dauern die Genehmigungsverfahren noch viel zu lang – teilweise vergehen Jahre, bis beschieden wird. Genehmigungsfiktionen könnten dieses Problem lösen. Auch der Verzicht auf überteuerte Frequenzauktionen und die zukünftige ko-primäre Nutzung des Frequenzbandes unter 700 Megahertz würden den effektiv notwendigen Netzausbau vorantreiben.

 

Es ist Zeit, aus dem Dornröschenschlaf zu erwachen und mutige Entscheidungen für ein digitales Deutschland zu treffen.