Tagesspiegel Politikmonitoring: Endspurt beim Clean Energy Package

Tagesspiegel Politikmonitoring: Endspurt beim Clean Energy Package

Autor: Hendrik Köstens

Während man in Berlin noch darauf wartet, dass das EEG-/KWKG-Änderungsgesetz – anfangs noch hoffnungsfroh als „100-Tage-Gesetz“ bezeichnet – es im Oktober endlich in das Bundeskabinett schafft, starten die EU-Institutionen den Endspurt beim Clean Energy Package.

Ende November 2016 hatte die Europäische Kommission ihr GesetzespaketSaubere Energie für alle Europäer“ (Clean Energy Package – CEP) beschlossen. Rund 21 Monate später sind vier der acht Gesetzgebungsverfahren zum Abschluss gebracht worden. Das Gesetzgebungsverfahren zur Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie ist bereits offiziell beendet. Die Richtlinien zur Energieeffizienz und zu den erneuerbaren Energien sowie die Verordnung zum Governance-Rahmen der Energieunion warten nur noch auf den formellen Beschluss durch das Parlament.

Ausstehend sind die vier Gesetzgebungsverfahren zum Strommarkt. Diese sollen nach den Plänen von EU-Kommission und österreichischer Ratspräsidentschaft bis Ende des Jahres abgeschlossen werden. Am 11. September fand der letzte Trilog-Termin für die Richtlinie und die Verordnung zum Elektrizitätsbinnenmarkt sowie die Verordnung zur Risikovorsorge im Stromsektor statt. Im Folgenden werden diese Dossiers genauer betrachtet.

Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie

Ein zentrales Thema, das zwischen Parlament und Rat noch verhandelt wird, ist die Zulässigkeit staatlicher Eingriffe in den Strompreis. Das Parlament will den Mitgliedstaaten die Möglichkeit von Eingriffen gewähren, wenn es darum geht, Energiearmut zu bekämpfen. Auch wenn diesen erst einmal nahegelegt wird, dazu auf sozialpolitische Maßnahmen zurückzugreifen. Der Rat will den Mitgliedstaaten auch zur Verfolgung „genereller ökonomischer Interessen“, die Möglichkeit offenlassen in den Strompreis für bestimmte Zielgruppen einzugreifen, solange dies keine Verzerrungen am Strommarkt auslöst oder zu höheren Kosten für andere Marktteilnehmer führt. Dabei ist auch Thema, wie lange solche Eingriffe noch zulässig sein sollen und welche Befugnisse die EU-Kommission in diesem Zusammenhang erhalten soll. Der Rat will der Kommission keine Eingriffsrechte gewähren, während das Parlament der Behörde gestatten will, bestimmte Preiseingriffe der Mitgliedstaaten zu untersagen.

Ebenfalls noch im Detail geklärt werden muss, in welchen Ausnahmefällen Übertragungs- (ÜNB) und Verteilnetzbetreiber (VNB) Energiespeicher besitzen und betreiben dürfen. Die Parlamentsposition sieht unterschiedliche Formulierungen für ÜNB und VNB vor, die Ratsposition eine einheitliche Regelung.

Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung

Die Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung regelt unter anderem die Interkonnektoren-Kapazität für den grenzübergreifenden Handel. Der Kommissionstext sieht vor, dass vorhandene Kapazitäten von den ÜNB grundsätzlich unbegrenzt für den Handel zur Verfügung gestellt werden sollen. Rat und Parlament haben diese generelle Regelung um Absätze erweitert, die eine Bereitstellung von 75 Prozent der Kapazität vorsehen. Es geht aus den Texten unter Artikel 14 aber nicht genau hervor, ob diese Regelung den Ansatz, die Handelskapazität zu maximieren, ergänzen oder ersetzen sollen. Darüber hinaus werden unterschiedliche Ansätze zur Bestimmung einer Kapazität von 75 Prozent angeführt. Auch hier gilt es also noch eine klare gemeinsame Linie zu finden.

Die 75 Prozent-Interkonnektoren-Kapazität sind aufs engste mit den geplanten Regelungen zur Gestaltung der Stromgebotszonen verbunden. So sieht die Ratsposition vor – was insbesondere für Deutschland relevant ist – dass es keine Aufspaltung von Gebotszonen gibt, solange bis Ende 2025 die 75 Prozent erreicht sind. Je nachdem auf welche Methodologie Prozent man sich zur Berechnung dieser 75 einigt, steigt oder sinkt der Druck, den Netzausbau zur Behebung von Engpässen in der deutschen Gebotszone weiter zu forcieren.

Weitere Themen, die die Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung adressiert, sind der Einspeisevorrang für Erneuerbare- und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen sowie die Regeln für die Einrichtung und den Betrieb von Kapazitätsmechanismen durch die Mitgliedstaaten. Was Kapazitätsmechanismen anbelangt, gibt es unter anderem unterschiedliche Auffassungen darüber, auf welcher Grundlage über deren Einrichtung entschieden werden soll. Das Parlament plädiert für eine europäische Ermittlung der Ressourcen-Adäquanz, der Rat will dieser nationale Erhebungen als Entscheidungsgrundlage an die Seite stellen. Unterschiede gibt es auch bei den Emissionsgrenzwerten für Erzeugungsanlagen, die an einem Kapazitätsmechanismus teilnehmen. Das Parlament sieht ein Limit von 550 g CO2/kWh für Kapazitätsmärkte und von 200 kg pro Jahr für strategische Reserven vor. Für Neuanlagen sollen die Grenzwerte direkt gelten, Bestandsanlagen müssten sie ab 2025 einhalten. Der Rat setzt ein Limit von 550 g CO2/kWh oder 700 kg pro Jahr. Die Grenzwerte sollen für Neuanlagen ab 2026 gelten. Bestandsanlagen wären bis mindestens 2030 von der Einhaltung der Grenzwerte ausgenommen.

Im Gegensatz zum Parlament will der Rat die neuen Regeln für Kapazitätsmechanismen auch nur auf neu einzurichtende Mechanismen anwenden. Bestehende Kapazitätsmechanismen sollen ausgenommen sein – ein relevanter Punkt mit Blick auf die deutsche „Sicherheitsbereitschaft“ nach § 13g EnWG, mit der bis Oktober 2019 insgesamt acht deutsche Braunkohlekraftwerksblöcke zur Emissionsminderung frühzeitig stillgelegt werden.

Verordnung zur Risikovorsorge im Stromsektor

Die Verordnung zur Risikovorsorge im Stromsektor definiert einen gesetzlichen Rahmen für die Kooperation der Mitgliedstaaten in Krisensituationen. Die Verordnung soll dabei der Interdependenz im grenzübergreifend verbundenen Strommarkt Rechnung tragen. Zentral dafür ist eine einheitliche Definition einer Krisensituation. Hier gibt es noch Abstimmungsbedarf zwischen Parlament und Rat. Die vielleicht bedeutendste Neuerung der Verordnung sind die Risikovorsorgepläne, die die Mitgliedstaaten für sich, aber in Absprache mit ihren Nachbarn entwickeln sollen. Hier gilt es für Parlament und Rat noch im Detail festzuzurren, welche Aspekte diese Pläne erfassen und regeln sollen. Der Rat will zudem eine Passage in die Verordnung integrieren, die die Mitgliedstaaten auffordert, einen Rahmen für die „faire Kompensation“ von Unterstützungsleistungen für andere Mitgliedstaaten gemäß den Bestimmungen der Verordnung zu entwickeln.

Hendrik Köstens ist Chef vom Dienst beim Tagesspiegel Politikmonitoring und schreibt mit Fokus auf die Gesetzgebungsprozesse zur Energie- und Klimapolitik in der EU, dem Bund und den Ländern.
Das Tagesspiegel Politikmonitoring bereitet aktuelle Regulierungsvorhaben in den Politikfeldern Energie & Klima, Digitalisierung, Verkehr und Gesundheit & Pflege strukturiert auf und bündelt die Informationen in einem wöchentlichen Bericht.