Projekt StEnSea: Forscher testen Meerespumpspeicher im Bodensee

© Fraunhofer IWES | Energiesystemtechnik

Wie können die enormen, durch Offshore-Windkraft erzeugten, Strommengen bereits vor Ort zwischengespeichert werden? Bisher lautete die Antwort auf diese Frage: gar nicht. Nun, nach mehrjähriger Forschungsarbeit, scheint endlich eine Lösung für das Speicherproblem gefunden.

Bereits im September 2017 hatte Matthias Puchta, Projektleiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES), die Technologie des neuartigen Meerespumpspeichersystem im Rahmen der Handelsblatt Jahrestagung Erneuerbare Energie präsentiert.  Nun wird das Projekt StEnSea (Stored Energy in the Sea)  erstmals in einem vierwöchigen Modellversuch im Bodensee getestet.

Das Funktionsprinzip

Im Unterschied zu herkömmlichen Pumpspeicherkraftwerken funktionieren die Tiefseespeicher nicht auf der Basis zweier Becken; hier dient eine Hohlkugel am Meeresboden als Speicherreservoir. Das Funktionsprinzip bleibt jedoch gleich: Einströmendes Wasser treibt eine Turbine an, die Strom erzeugt. Bei einem Überschuss an elektrischer Leistung wird das Wasser wieder teils oder ganz aus der Hohlkugel gepumpt. Dabei kann eine Kugel bis zu 20 MWh Strom speichern.

Die Idee für das Meerespumpspeichersystem geht zurück auf die zwei Physiker Prof. Dr Horst Schmidt-Böcking und Dr. Gerhard Luther und wurde zunächst vom Fraunhofer IWES und der Hochtief Solutions AG in einer Vorstudie auf seine generelle Machbarkeit hin überprüft. Mit dem Nachweis der Durchführbarkeit förderte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) das Projekt StEnSea zur Entwicklung und Erprobung dieses neuartigen Pumpspeicherkonzepts im Modellmaßstab.

Modellversuch im Bodensee soll praktische Erkenntnisse liefern

Am 09. November 2016 wurde ein erstes Modell des Hohlkugelspeichers im Maßstab 1:10 mit rund drei Metern Durchmesser im Bodensee, etwa 200 Meter vor dem Ufer in Überlingen, in 100 Meter Tiefe abgelassen. »Wir werden verschiedene Tests fahren, um Detailfragestellungen zur Konstruktion, der Installation, der Auslegung des Triebstrangs und des elektrischen Systems, der Betriebsführung und Regelung, der Zustandsüberwachung und der dynamischen Modellierung und Simulation des Gesamtsystems zu überprüfen«, erklärt Matthias Puchta.

Wie geht es nach dem Test im Bodensee weiter?

Mit den Ergebnissen des Modellversuchs sollen zunächst geeignete Standorte für ein Demonstrationsprojekt in Europa genauer untersucht werden. Die kommerziellen Zielgrößen pro Energiekugel liegen derzeit bei etwa 20 MWh (Entladezeit von vier bis acht Stunden je nach Bedarf) pro Speichereinheit. »Die Speicherkapazität steigt bei gleichem Volumen linear mit der Wassertiefe«, sagt IWES-Bereichsleiter Jochen Bard. Aktuell gehen die Experten davon aus, dass das Konzept erst ab einer Wassertiefe von 600 – 800 Metern wirtschaftlich anwendbar wird.

Die Experten sehen ein großes Potential für die Anwendung von Meerespumpspeichersystemen in küstennahen Standorten, insbesondere vor den Küsten bevölkerungsdichter Regionen. Geeignete Standorte könnten sich beispielsweise vor Norwegen (Norwegische Rinne) oder Spanien, aber auch vor der japanischen und amerikanischen Küste finden. »Mit heutiger standardisierter und verfügbarer Technik sehen wir bei der Speicherkapazität von 20 MWh pro Kugel eine weltweite elektrische Gesamtspeicherkapazität von 893.000 MWh. Damit ließen sich kostengünstig wichtige Ausgleichsbeiträge für die schwankende Erzeugung aus Wind und Sonne leisten«, stellt Bard fest.

[Bild: © Fraunhofer IWES | Energiesystemtechnik]

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