Mit blauem Wasserstoff auf dem Weg zur Klimaneutralität

Mit blauem Wasserstoff auf dem Weg zur Klimaneutralität

Nina Scholz, Country Manager Deutschland, Equinor

In Deutschland ist die Industrie für mehr als 20 Prozent der Emissionen verantwortlich. Um die Klimaziele und CO2-Neutralität bis 2045 zu erreichen, spielt die Dekarbonisierung der Industrie daher eine entscheidende Rolle. Wasserstoff gilt hier als Schlüsseltechnologie für eine emissionsarme Energiezukunft – insbesondere in energieintensiven Branchen wie der Stahl- und Chemieindustrie. In der Nationalen Wasserstoffstrategie wird vornehmlich die Verwendung von „grünem“ Wasserstoff angestrebt, der aus Elektrolyse von Wasser mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Doch grüner Strom wird auch in anderen Sektoren dringend benötigt. Blauer Wasserstoff kann hier ein entscheidender Baustein sein, um den Wasserstoffmarkt insbesondere für die Industrie zeitnah hochzufahren und schnell Emissionen zu reduzieren.

Wasserstoff ist für die deutsche Energiewende unverzichtbar

Die Energiewende in Deutschland wird ohne Wasserstoff nicht gelingen: Durch die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ist Wasserstoff ein Energieträger mit enormem Potenzial. Vor allem wird der Aufbau von grünen Wasserstoffkapazitäten intendiert, um die Emissionen der Industrie und Teilen des Verkehrssektors deutlich zu senken. Auch die von der letzten Bundesregierung verabschiedete Nationale Wasserstoffstrategie fokussiert sich auf grünen Wasserstoff als Energieträger der Zukunft.

Doch Experten geben zu bedenken, dass in den nächsten Jahrzehnten der Bedarf an grüner Energie enorm steigen wird. Eine Studie des Oxford Institute for Energy Studies von 2020 weist darauf hin, dass der steigende Wasserstoffbedarf für die Industrie in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich nicht allein mit grünem Wasserstoff gedeckt werden kann. Blauer Wasserstoff kann hier den grünen Wasserstoff ergänzen, indem er beim Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur hilft und so grünem Wasserstoff den Weg ebnet.

Die Herstellung von blauem Wasserstoff aus Erdgas durch Methanreformierung mit anschließender Speicherung des dabei entstehenden CO2 unter dem Meeresboden ist ein erprobtes Verfahren. Es wird bereits seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt. Dadurch, dass das CO2 anschließend aufgefangen und unterirdisch eingelagert wird, gelangt praktisch kein CO2 in die Atmosphäre. Durch dieses Verfahren ist die Herstellung von nahezu klimaneutralem Wasserstoff möglich, der bereits bis 2030 in großen Mengen zuverlässig und zu wettbewerbsfähigen Kosten zur Verfügung stehen kann.

Eine 2021 veröffentlichte Studie des Öko-Instituts unterstreicht, dass die schnelle Verfügbarkeit der entscheidende Vorteil von blauem Wasserstoff ist, jedoch unter der Voraussetzung, dass ausreichend Kapazitäten zur Speicherung von CO2 vorhanden sind. Die verantwortliche norwegische Behörde, das Öldirektorat, hat aus diesem Grund potenzielle Speicherformationen auf dem norwegischen Kontinentalschelf kartiert und bewertet. Die Behörde hat dabei unter der gesamten Nordsee eine Speicherressource von ca. 160 Gt kartiert – das entspricht den heutigen industriellen CO2-Emissionen Europas über rund 70 Jahre. Eine gute Nachricht für die deutsche Industrie, deren Investitionsentscheidungen davon abhängen, welche Energieträger zeitnah zur Verfügung stehen.

Blauer Wasserstoff für die deutsche Industrie

Gerade die deutsche Schwerindustrie, darunter die Stahlproduktion, hat einen enormen Energiebedarf. Dabei stellen Elektrifizierung oder die Verbesserung der Energieeffizienz allein keine ausreichenden Maßnahmen dar oder sind aufgrund verschiedener Faktoren nicht umsetzbar. Als einer der größten Verursacher von Treibhausgasemissionen ist es für die Stahlbranche jedoch entscheidend, zeitnah die fossilen Energieträger durch kohlenstoffarme Alternativen zu ersetzen, denn nur so können die Klimaschutzziele erreicht werden und die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleiben.

Gemeinsam mit dem Gasfernleitungsbetreiber Open Grid Europe (OGE), thyssengas und thyssengroup Steel Europe (tkSE) treibt Equinor das Projekt H2morrow voran. Im Rahmen dieses Projektes soll das größte Stahlwerk in Duisburg mit blauem Wasserstoff versorgt werden. Dafür wurde in einer Machbarkeitsstudie zunächst untersucht und schließlich bestätigt, dass dies technisch möglich ist. Was noch fehlt, sind geeignete regulatorische und politische Rahmenbedingungen. Wenn im näheren Umkreis des Stahlwerks in Duisburg blauer Wasserstoff hergestellt werden soll, muss das abgeschiedene CO2 von dort per Schiff zu den geeigneten Speicherstätten nach Norwegen transportiert werden. Der CO2-Transport auf dem Seeweg über die Grenzen hinweg ist jedoch rechtlich nicht geregelt. Zudem müssen die höheren Herstellungskosten für klimafreundliche Produkte im internationalen Kontext berücksichtigt und neue Märkte für grüne Grundstoffe etabliert werden. Nur dann, wenn die Bedingungen für weitere Investitionen klar sind, können wegweisende Projekte wie H2morrow dabei helfen, dass Deutschland das Ziel der Klimaneutralität erreicht, ohne dabei seine Wirtschafts- und Innovationskraft sowie die Versorgungssicherheit zu gefährden.