Klimaschutz verträgt keine Scheuklappen

Dr. Uwe Lauber

Dr. Uwe Lauber, CEO, MAN Energy Solutions

Der jüngste IPCC-Bericht lässt keinen Raum für Interpretation: Wollen wir das Klima retten, dann braucht es dafür nicht weniger als eine sofortige, überwältigende und koordinierte globale Anstrengung. Nur so lassen sich zumindest die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels noch abwehren.

Jenseits dieser schonungslosen Diagnose enthält der Bericht aber auch Ermutigendes: Der technische Werkzeugkasten für den Klimaschutz ist gut gefüllt, die Menschheit verfügt grundsätzlich über alle Instrumente, die es für die erfolgreiche Dekarbonisierung braucht. Allerdings befinden sich diese Instrumente weltweit in unterschiedlichen Stadien der Kommerzialisierung – gerade mit Blick auf Deutschland und Europa ist diese Einschränkung zunehmend problematisch.

Wenn die Dekarbonisierung unserer Industrie nicht gleichbedeutend mit einer Deindustrialisierung sein soll, dann muss gerade Deutschland endlich die Bereitschaft entwickeln diesen Instrumentensatz auch umfänglich einzusetzen. Das bedeutet, wir müssen endlich tun, was nötig ist und bürokratische Widerstände und ideologische Grabenkämpfe beenden.

Ein Paradebeispiel für die deutsche Technologieverschlossenheit ist die sogenannte CO2 Abscheidung, englisch Carbon Capture (CCUS). Die Idee dabei: unvermeidbar anfallende Kohlenstoffdioxide werden chemisch abgeschieden, das so gewonnene CO2 kann anschließend komprimiert, transportiert und schließlich als Rohstoff erneut verwendet oder dauerhaft gespeichert werden.

Das Potenzial der Technologie ist riesig, rund ein Drittel aller CO2-Emissionen weltweit gilt als schwer- oder unvermeidbar. In ihrem Sachstandsbericht zeichnet die IPCC sieben Klimapfade, denen folgend eine weitere Klimaerwärmung erfolgreich zu verhindern wäre. Sechs dieser Pfade sehen den massiven Einsatz von Technologien zur Abscheidung und Speicherung oder erneuten Nutzung von CO2 vor. Um die Klimaziele zu erreichen – so der Bericht – müssten bis 2050 mindestens 3 Gigatonnen pro Jahr mithilfe dieser Technologie eliminiert werden.

Weltweit geht es damit voran: Der jüngst von Präsident Biden verabschiedete Inflation Reduction Act etwa hat die CCUS Technologie in den USA entfesselt, der Markt boomt. Unterstützende Gesetzgebungen existieren auch in Kanada, Australien, Dänemark und Großbritannien.

Und Deutschland? Der deutsche Maschinen-und Anlagenbau ist Technologieführer. Die hiesige Industriedichte offenbart großes Potential den Standort zum Klimachampion zu entwickeln.  Jedoch macht die derzeitige Gesetzeslage eine industriell skalierte CO2 Abscheidung unmöglich. Folglich existiert weder eine einzige industriell skalierte Anlage zur CO2 Abscheidung noch gibt es Pipelines für einen CO2-Transport oder genehmigte Speicherstätten. Stattdessen: Verbote, Diskussionen, Bedenken – seit Jahrzehnten.

Immerhin: Die Bundesregierung will nun eine Carbon Management Strategie erarbeiten, um Einsatzgebiete für das Speichern und Nutzen vom CO2 zu evaluieren. Das ist natürlich ein löblicher Schritt in die richtige Richtung, aber im Tempo einer Schnecke. Zumal zahlreiche Einsatzgebiete weder neu noch unbekannt sind, dafür aber dringend. Allein die Zementindustrie stößt jedes Jahr 8 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus, die sich ohne Abscheidung nicht vermeiden lassen. Warum also nicht schon heute dort anfangen?

Der Klimaschutz – hier lässt die IPCC keinen Zweifel – duldet keinen Aufschub mehr. – Deutschland muss sich endlich bewegen: für einen entschlossenen Klimaschutz, der alle notwendigen Instrumente nutzt.