Interviewreihe: 3 Fragen an… Stefan Kapferer, CEO, 50Hertz Transmission GmbH

Im Rahmen des Handelsblatt Energie-Gipfels 2021 sprachen wir mit den Referenten, Machern und Vordenkern aus der Energiewirtschaft vorab über die Digitalisierung, den Stand der klimaneutralen Energieversorgung und die Auswirkungen der Corona Pandemie auf den Sektor.

Was sind die größten Hindernisse bei der Digitalisierung der Energiewirtschaft bzw. für Ihr Unternehmen und welche Technologien können heute schon gewinnbringend eingesetzt werden?

Digitalisierung durchdringt die Geschäftsprozesse in der Energiewirtschaft ebenso tiefgehend wie flächendeckend. Längst prägen digitale Tools unseren Alltag als Übertragungsnetzbetreiber, ob bei Wartungsvorgängen, Marktprozessen oder in der Systemführung – und diese Entwicklung geht natürlich weiter. Ein Beispiel: Seit Ende 2019 nutzt 50Hertz den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Netzverlustberechnung, indem ein virtuelles neuronales Netz die voraussichtlichen Netzverluste für den Folgetag genauer als bislang prognostiziert und dabei selbstständig lernt. Positiver Effekt: Wir können die Beschaffungskosten zum Ausgleich der Netzverluste senken.
Als Energieunternehmen stehen wir beim Megatrend Digitalisierung vor der Herausforderung, immer mehr hervorragend ausgebildete und qualifizierte IT-Fachexperten und -expertinnen zu gewinnen. Deren Verfügbarkeit ist aber begrenzt, zumal unsere Branche nicht die einzige ist und zudem im In- und Ausland mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen um Fachkräfte konkurriert. Recruiting war schon immer eine Herausforderung – jetzt und in Zukunft ist es entscheidend. Oder anders gesagt: Digitalisierung braucht Menschen!

Was ist noch zu tun auf dem Weg zur klimafreundlichen Energieversorgung?

Über die Klimaziele gibt es einen breiten Konsens in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Sie sind über das Paris-Agreement, den europäischen Green Deal und die deutsche Klimaschutzgesetzgebung definiert. Es geht im öffentlichen Diskurs und im politischen Entscheidungsprozess also um die richtigen Wege und Maßnahmen – und um eine möglichst schnelle Umsetzung. Von daher lautet mein Credo auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Energieversorgung: Beschleunigen und alle Potenziale nutzen! Erneuerbaren-Ausbau beschleunigen, Infrastruktur- und Netzausbau voranbringen, Sektorenkoppelung den Weg ebnen. Bei all dem müssen die Maßnahmen effektiv sein im Sinne einer zielgerichteten Wirksamkeit, effizient im Kosten-Nutzen-Verhältnis und akzeptiert in der Bevölkerung – zumindest in weiten Teilen der Bevölkerung. Für diesen gesamtgesellschaftlichen Kraftakt gilt politisch und auch regulatorisch: Alles tun, was beschleunigt, und alles vermeiden, was verzögert. Wir selbst werden unseren Beitrag leisten und haben uns ein eigenes ambitioniertes Ziel gesetzt: Bis 2032 wollen wir in unserem Netzgebiet einen Anteil von 100 Prozent Erneuerbare Energien am Stromverbrauch erreichen. Derzeit liegen wir bei einem Anteil von rund zwei Dritteln.

Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf den Energiesektor bzw. auf Ihr Unternehmen aus?

Eine ganz praktische Auswirkung von Corona haben wir in diesem Jahr bei der EEG-Umlageberechnung für 2021 gesehen: Der Stromverbrauch ging pandemiebedingt zurück und nicht zuletzt deshalb auch die Börsenstrompreise. Dadurch hätte sich, rein rechnerisch, die EEG-Umlage deutlich erhöhen müssen. Durch Bundeszuschuss und Umlagedeckelung konnte dies zwar von Regierung und Parlament verhindert werden, es zeigt aber generell, wie unerwartete, schockartige Ereignisse auch auf den Energiesektor wirken.
Bei 50Hertz haben wir auf die Pandemie sehr schnell und früh im Jahr mit umfassenden Schutz- und Hygienemaßnahmen für unsere Belegschaft reagiert und kommen damit seither gut durch diese Krise. Letztlich haben wir, auch im Zusammenspiel mit den anderen Übertragungsnetzbetreibern, damit unter Beweis gestellt, dass wir die Sicherheit der Stromversorgung auch in Ausnahmesituationen gewährleisten – und zwar rund um die Uhr. Bei unseren Netzausbauprojekten gab es durch Corona einige wenige Verzögerungen, etwa, weil ausländische Spezialkräfte nicht einreisen konnten. Bei Projekten, die sich in den Genehmigungsverfahren befinden, spielten digitale Lösungen eine wichtige Rolle – so bei der Einsicht in die Antragsunterlagen oder der Bürgerbeteiligung. Das Planungssicherstellungsgesetz vom Frühjahr dieses Jahres hat hier wirklich geholfen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Beschleunigungsfaktoren auch in der Nach-Corona-Zeit Bestand haben.

 

Vielen Dank an Stefan Kapferer für das Interview.