Interviewreihe: 3 Fragen an… Dr. Thomas König, COO, E-ON SE

Im Rahmen des Handelsblatt Energie-Gipfels 2021 sprachen wir mit den Referenten, Machern und Vordenkern aus der Energiewirtschaft vorab über die Digitalisierung, den Stand der klimaneutralen Energieversorgung und die Auswirkungen der Corona Pandemie auf den Sektor.

Was ist noch zu tun auf dem Weg zur klimafreundlichen Energieversorgung?

In diesem Jahr wurde erstmalig über 50% des Strombedarfs in Deutschland durch erneuerbare Energien gedeckt. Mit diesem Grünstromanteil gehören wir zu den internationalen Vorreitern einer klimafreundlichen Energieversorgung. Wenn wir die Pariser Klimaschutzziele erreichen wollen, liegt allerdings noch ein weiter Weg vor uns. Eine jüngst von der Agora veröffentliche Studie zeigt, wie groß die Herausforderungen sind, die vor uns liegen: Wenn Deutschland bis 2050 klimaneutral werden will, müssen wir schon in den nächsten 10 Jahren die Grünstromquote auf 70% erhöhen und rund 14 Millionen Elektrofahrzeuge sowie rund 6 Millionen Wärmpumpen in die Verteilnetze integrieren. Um den klimafreundlichen Umbau der Energieversorgung zu ermöglichen, investiert allein E.ON in den nächsten drei Jahren über 6,6 Mrd. Euro in die Modernisierung der Energienetze. Der Investitionsbedarf für den Ausbau der deutschen Verteilnetze wird laut einer aktuellen Studie von Frontier Economics und dem IAEW der RWTH Aachen bis 2050 auf mindestens 110 Milliarden Euro ansteigen. Daher müssen Politik und Regulierung jetzt die Weichen auf Wachstum in den Energienetzen stellen, um nachhaltig eine klimafreundliche Energieversorgung zu ermöglichen. Nur mit einem rechtzeitigen und ausreichenden Netzausbau sowie einer konsequenten Digitalisierung unseres Energiesystems können wir unsere Klimaziele erreichen.

Was sind die größten Hindernisse bei der Digitalisierung der Energiewirtschaft bzw. für Ihr Unternehmen und welche Technologien können heute schon gewinnbringend eingesetzt werden?

Die Energiewende steht und fällt mit der Zuverlässigkeit und Zukunftsfähigkeit der Netze. E.ON treibt die energiewirtschaftliche Transformation durch digitale und leistungsstarke Energienetze voran. Durch den Einsatz von intelligenten Betriebsmitteln, Sensorik und Aktorik sowie künstlicher Intelligenz optimieren wir schon heute die Auslastung unserer Netze und gestalten damit den Umbau des Energiesystems so effizient wie möglich. Die Möglichkeiten der Digitalisierung sind vielfältig und ziehen sich durch unsere gesamte Wertschöpfungskette: Von einer optimalen Planung der Netze über den effizienten Betrieb der Energieinfrastrukturen bis hin zu neuen digitalen Lösungen für unsere Kunden. E.ON hat beispielsweise die intelligente Ortsnetzstation zum Standard gemacht und investiert in rund 2.000 intelligente Ortsnetzstationen pro Jahr. Diese liefern kontinuierlich Daten an das Netzleitsystem und sind in Echtzeit fernsteuerbar. Beispiele wie diese zeigen: Die Technologien der Zukunft sind auf dem Markt vorhanden, nun geht es darum, die Menschen für die digitalen Technologien zu begeistern. Die Energiewirtschaft benötigt eine Kultur, die es erlaubt, mutig neue Lösungen zu erproben und neue digitale Fähigkeiten zu entwickeln. Die Digitalisierung ist keine Frage der Technologie, sondern der Kultur und des Umsetzungswillens.

Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf den Energiesektor bzw. auf Ihr Unternehmen aus?

Den Energieversorgungsunternehmen kommt insbesondere in der Corona-Pandemie eine systemrelevante Bedeutung und damit eine ganz besondere Verantwortung für die Gesellschaft zu. Unser wichtigstes Ziel ist die Sicherstellung einer zuverlässigen Energieversorgung für unsere Kunden. Wir haben als Energieversorger unter Beweis gestellt, dass wir auch im Krisenfall unter erschwerten Arbeitsbedingungen unsere Kunden jederzeit sicher mit Strom und Gas versorgen können. Während der „Lock-Downs“ kam es europaweit zu keiner Zeit zu Versorgungsengpässen. Das Energienetz- und Kundenlösungsgeschäft von E.ON zeigt in der Corona-Pandemie seine Stärke und hat eine hohe Resilienz bewiesen. Zudem ist Corona eine große Chance für den Wandel der Energiebranche. Die Europäische Union und die Bundesregierung berücksichtigen in ihren milliardenschweren Konjunkturpaketen nachhaltige Zukunftssektoren, um die heimische Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. Ich bin davon überzeugt, dass der nachhaltige und grüne Umbau unseres Energiesystems eine besondere Schubwirkung für die Wirtschaft und Gesellschaft entfalten wird.

 

Vielen Dank an Dr. Thomas König für das Interview.