Interview mit Dr. Rolf Martin Schmitz, CEO, RWE AG

Im Interview mit Dr. Rolf Martin Schmitz, CEO, RWE AG, sprachen wir über die Veränderung durch Corona für die RWE AG, wie der Stand beim Klimaschutz ist, den Ausstieg aus Kohlekraftwerken, Technologien der Zukunft und wie es mit dem Standort Deutschland für den Energiesektor aussieht.

Wie kommt RWE mit der Corona Pandemie zurecht? Wie haben sich die Abläufe verändert?

RWE ist bislang gut durch die Krise gekommen. Wir brauchen keine staatliche Hilfe, und bei uns war auch niemand in Kurzarbeit. Für uns sind seit Beginn der Pandemie zwei Dinge ganz wichtig: Die Gesundheit unserer Beschäftigten und eine sichere Stromproduktion. Beides haben wir gut hinbekommen, weil wir sehr frühzeitig Maßnahmen ergriffen haben. Wir haben zum Beispiel Dienstreisen ein- und in den Verwaltungen auf Arbeiten von zu Hause umgestellt. Wo das nicht möglich ist, also in Kraftwerken, Tagebauen, Wind- und Solarparks oder auf dem Tradingfloor, gelten weiterhin strenge Hygienemaßnahmen. Wir müssen die Situation in vielen Ländern der Welt im Blick haben, wo wir geschäftlich aktiv sind. Die Zahl der Infektionen in Deutschland ist zwar erfreulich niedrig, doch insbesondere in den USA stellt sich die Entwicklung ganz anders dar. Für uns hat deshalb oberste Priorität, dass Regeln zum Abstand halten und Hygienemaßnahmen weiter konsequent eingehalten werden. Egal ob in den Betrieben oder für diejenigen, die Schritt für Schritt an ihren Arbeitsplatz in den Verwaltungen zurückgekehrt sind.

Corona hat in den letzten Monaten fast alle andere Debatten überlagert. Was bedeutet das für den Klimaschutz?

Klimaschutz bleibt auf viele Jahre eine der zentralen Herausforderungen – und zwar für unsere gesamte Gesellschaft. Vieles wird sich ändern müssen, um den CO2-Ausstoß zu senken: Wohnen, Verkehr, Landwirtschaft und natürlich die Industrie. Bei RWE verfolgen wir eine klare Strategie: Von 2012 bis 2019 haben wir unseren CO2-Ausstoß halbiert. Bis 2030 werden wir ihn im Vergleich zu 2012 um 75 Prozent senken. Und bis 2040 werden wir klimaneutral. Das ist deutlich ambitionierter als viele andere Unternehmen es hinbekommen. Neben dem konsequenten und verantwortungsvollen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern, investieren wir zudem massiv in den Ausbau von Erneuerbaren Energien und Speichern. Wir gehören bereits zu den global führenden Unternehmen im Bereich Erneuerbare Energien. Bei Offshore-Wind sind wir sogar weltweit die Nummer 2. 

Noch betreibt RWE auch Kohlekraftwerke. Bundestag und Bundesrat haben Angang Juli den Ausstieg Deutschlands beschlossen. Welche konkreten Schritte folgen daraus für RWE?

 Der Kohleausstieg verlangt unserem Unternehmen und insbesondere unseren Beschäftigten eine Menge ab. Schon im Dezember geht mit Niederaußem D der erste 300-Megawatt-Braunkohleblock vom Netz. In den nächsten beiden Jahren folgen weitere Kraftwerksblöcke mit einer Leistung von insgesamt 2.500 MW. Bis 2030 legt RWE zwei Drittel ihrer Braunkohlekapazität still und trägt damit den Löwenanteil der im Stilllegungspfad festgelegten Maßnahmen. Das hat zur Folge, dass wir bis 2030 rund 6.000 von 10.000 Stellen in diesem Bereich abbauen müssen. Damit setzen wir um, was zuvor in der „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ von Politik, Gewerkschaften, Industrie, Wissenschaft und Umweltgruppen im Grundsatz vereinbart wurde. Richtig ist aber auch: Die Neuausrichtung unseres Unternehmens haben wir schon vor drei Jahren in Angriff genommen. So haben wir in Großbritannien unser letztes Kohlekraftwerk bereits geschlossen. Und in den Niederlanden rüsten wir auf Biomasse um.

RWE konzentriert ihre Investitionen inzwischen auf Erneuerbare Energien. In welchen Technologien sehen Sie die Zukunft? Und welche Rolle spielt dabei grünes Gas?

Die zentralen Säulen einer klimaneutralen Stromversorgung werden Windkraft an Land und auf See sowie Photovoltaik sein. Deshalb investieren wir bei RWE allein bis 2022 rund 5 Milliarden Euro netto in diese Technologien. 1 Milliarde Euro davon sind für Projekte in Deutschland vorgesehen. Auch Gaskraftwerke werden weiter benötigt, um einzuspringen, wenn Wind und Sonne nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Sie sollen perspektivisch mit grünem Gas betrieben werden, zum Beispiel mit Wasserstoff – ihm gehört die Zukunft. Wasserstoff kann als Energieträger und Rohstoff dazu beitragen, die CO2-Emissionen weit über den Stromsektor hinaus deutlich zu senken. Wir wollen die Entwicklung mit voran treiben. Kürzlich haben wir mit thyssenkrupp Steel Europe einen Letter of Intent vereinbart. Wir wollen möglichst bis Mitte des Jahrzehnts grünen Wasserstoff für die Stahlproduktion in Duisburg liefern. Zudem arbeiten wir an weiteren innovativen Wasserstoffprojekten in Großbritannien, in den Niederlanden und in Deutschland.

Was macht Deutschland im Energiesektor besser oder schlechter als andere Länder?

Im Strombereich ist Deutschland bei der Energiewende schon weit vorangekommen. 2019 betrug der Anteil Erneuerbarer Energien am Strommix rund 43 %. Bis 2030 soll er – so lautet das Ziel der Bundesregierung – auf 65 % steigen. Damit es erreichbar bleibt, braucht es jedoch deutlich verbesserte Rahmenbedingungen für den Ausbau Erneuerbarer Energien. Das gilt zum einen für die Windkraft an Land; der Ausbau ist faktisch zum Erliegen gekommen. Das gilt zum anderen für den Ausbau von Offshore-Windkraft. Sie ist für Deutschland eine große Chance. Allerdings steht zu befürchten, dass hier keine guten Investitionsbedingungen geschaffen werden, weil die Ausschreibungsregeln im geplanten Wind-Auf-See-Gesetz auf Gebote zum Nullpreis abzielen. Und wenn es davon mehrere gibt, soll man zusätzliches Geld dafür bieten, dass man bauen darf. Das wird nicht funktionieren. Viele Investoren werden davor zurückschrecken und lieber ins Ausland gehen. Die Branche ist sich weitgehend einig: Es gibt sinnvolle Alternativen wie das in Großbritannien bewährte Modell des 2-sided Contract for Difference. Es bietet allen Beteiligten einen verlässlichen Rahmen. Deutschland sollte davon lernen.

Vielen Dank an Dr. Rolf Martin Schmitz für das Interview.