Intelligenz in Stromnetzen: Chancen für Netzstabilität und neue Geschäftsmodelle

von David Balensiefen

Es ist kein Geheimnis, dass sich an der heutigen Stromversorgung etwas ändern muss, um den Anforderungen der zunehmend dezentralen Stromerzeugung gerecht zu werden.

Viele befürchten Schwierigkeiten, was die Netzstabilität betrifft, und steigende Strompreise. An dieser Stelle wird die Flexibilisierung der Nachfrageseite interessant. Eine Einschränkung der Endkunden und diese beispielsweise in Phasen von geringer Stromproduktion zu einem moderateren Stromverbrauch zu zwingen, ist selbstverständlich keine Option. Der Kniff besteht jedoch darin, einen Anreiz für Verbraucher und Anbieter zu schaffen, flexibel auf Schwankungen im Stromnetz zu reagieren. Intelligente Energiemanagementsysteme könnten eine Lösung für dieses Problem darstellen.

Elektrospeicher im Auto oder Haus, private Solaranlagen und Wärmepumpen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit und sind mittlerweile in Millionen von deutschen Haushalten vorzufinden. Diese Elemente sind jedoch in den wenigsten Fällen intelligent vernetzt und können lediglich „blind“ arbeiten. Es ergeben sich weder für die Besitzer der Anlagen noch für die Energieversorger und Netzbetreiber Vorteile. Eine intelligente Vernetzung und Steuerung der einzelnen Komponenten würden die Effizienz und Flexibilität deutlich erhöhen.

Betrachtet man die Entwicklung der Elektromobilität, so ergibt sich die Frage, ob es nicht sogar unbedingt nötig ist, die Ladeinfrastruktur intelligent zu steuern, da das Stromnetz diesen Zuwachs eventuell gar nicht tragen kann? Eine Antwort darauf sind Smart Charging Modelle. So sind zukünftig Szenarien denkbar, in denen Elektroautos gegen ein Entgelt dem Stromnetz für bidirektionale Ladevorgänge zur Verfügung gestellt werden. Gleiches gilt für private Energiespeichersysteme.

Die Ansprüche der Verbraucher haben sich stark verändert. Längst sind diese nicht mehr nur Anschlusspunkte, sondern Kunden mit wachsendem Bedürfnis nach Transparenz, Mitbestimmung und neuen Erlösquellen.

Der wohl größte Nutzen solcher Anwendungen entsteht bei Unternehmen, die derartige Lösungen anbieten. Diese generieren durch das intelligente Vernetzen ihrer Kunden täglich Millionen Daten. Es ist also nicht verwunderlich, dass genau diese Schnittstelle nun verschiedene Unternehmen wie Netzbetreiber, OEMs und Automobilhersteller besetzen wollen und um die Hoheit über die Energiedaten und Steuerung bei den Endkunden kämpfen. Datengenerierung ermöglicht es, Kundenbedürfnisse frühzeitig zu entdecken und auf diese schnellstmöglich einzugehen, bisher nicht bediente Produktwünsche und Geschäftsmodelle zu erkennen und diese noch schneller als die Konkurrenz zu erfüllen. Maschinelle und systembedingte Anomalien können schneller erkannt und behoben werden. Wartungen, welche üblicherweise in regelmäßigen Zeitabständen vorgenommen werden, können wesentlich effizienter gestaltet werden, da das System erkennt, wann Wartungen nötig sind.

Doch auch das Kosteneinsparungspotenzial auf Seite der Endkunden, durch die Erfassung und Auswertung der Daten und der intelligenten Verteilung der hausinternen Energieflüsse, ist riesig. Energiegeräte wie Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen und Elektroautos könnten auf Basis von individuellen Lastprognosen und externen Daten (z.B. Wetterdaten) kosteneffizient geplant werden. Da Modelle wie der direkte Stromhandel oder die Teilnahme an Flexibilitätsmärkten in der Zukunft denkbar sind, entsteht durch das intelligente Vernetzen von Anlagen, Hausbatterien und Ladesäulen eine Schnittstelle für andere Unternehmen wie den Netzbetreibern, um Energieflüsse zu steuern und Kunden monetäre Anreize für die Bereitstellung von Flexibilität zu geben. Ein smartes Energiemanagement würde dieses Problem beheben und es könnte eine neue Erlösquelle für Endkunden entstehen.

Viele Unternehmen schrecken jedoch nicht unbegründet vor dem Einsatz solcher neuen Technologien zurück, da eine äußerst komplexe, teure und zeitaufwendige Entwicklung dahintersteckt. Oft werden mehr als 90 Prozent der Zeit und des Geldes für Entwicklungen ausgeben, die nichts mit den eigentlichen Endanwendungen zu tun haben. Einige junge Unternehmen haben dieses Potenzial frühzeitig erkannt und sich auf solche Technologieplattformen spezialisiert, um größeren Partner mit bestehenden Kundenstämmen eine Grundlage zu geben, möglichst schnell innovative Geschäftsmodelle und Produkte zu entwickeln. Etablierte Unternehmen können diese Chance nutzen, um sich den neuen Marktgegebenheiten und den sich ändernden Kundenbedürfnissen anzupassen.

Das Verhalten, aber auch die Ansprüche der Verbraucher im Energiesektor, haben sich stark verändert und werden dies auch in Zukunft zunehmend tun. Längst sind diese nicht mehr nur Anschlusspunkte, sondern Kunden mit wachsendem Bedürfnis nach Transparenz, Mitbestimmung und neuen Erlösquellen. Dies eröffnet allen Unternehmen im Energiesektor die Möglichkeit, mit neuen und kundennahen Geschäftsmodellen Potenziale zu erschließen und sich entsprechend gegenüber dem Wettbewerb zu positionieren.

David BalensiefenDavid Balensiefen