Green Deal: wirtschaftliche Chance oder unerreichbare Utopie?

Green Deal: wirtschaftliche Chance oder unerreichbare Utopie?

Mit dem Green Deal hat die Europäische Kommission ambitionierte Ziele gesetzt, die einige Herausforderungen mit sich bringen. Warum der Green Deal dennoch als Chance zu sehen ist.

von Dr. Frank Mastiaux

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral zu werden. Dafür sollen auch die Klimaschutzziele und dafür notwendige Instrumente für 2030 nachgeschärft werden. Das sind sehr anspruchsvolle wie elementar wichtige Ziele. Denn der Klimawandel ist neben der Bekämpfung der Corona-Pandemie die weltweit größte Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Wenn man dieses Ziel ernst nimmt, gibt es aber noch einiges zu tun.

Einen Markt für klimafreundliche Technologien schaffen
Um den technologischen Wandel zu unterstützen, sind zunächst die richtigen Rahmenbedingungen entscheidend. Dazu drei generelle Punkte:

  • Die Politik muss nach der Zieldiskussion ein besonderes Augenmerk auf die verbindliche Umsetzung richten. Wir müssen schnell auf geeignete und konsistente Instrumente für alle Sektoren zu sprechen kommen. Das wird nach Lage der Dinge vor allem ein Mix aus einer wirksamen CO2-Bepreisung und einer Anschubförderung für klimafreundliche Technologien sein.
  • Es fehlen bis dato hinreichende Anreize, um auch in anderen Sektoren wie Wärme oder Verkehr auf klimafreundliche Technologien umzusteigen. Daher brauchen wir neben einem sektorübergreifenden CO2-Preis eine grundlegende, klimaorientierte Reform des Steuer-, Abgaben- und Umlagensystems. Inkonsistenzen wie eine übermäßige Belastung des Strompreises mit Steuern und Abgaben müssen behoben werden.
  • Zudem müssen endlich konsequent die Hürden zum weiteren und zielentsprechenden Ausbau der Erneuerbarer Energien beseitigt werden. Durch schnellere Genehmigungen und mehr Flächen kann die Ausbaugeschwindigkeit deutlich zulegen.

Insgesamt erfordern die Zielsetzungen eine Beschleunigung der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft und auch erhebliche Neuinvestitionen.

Klimaneutralität der EU bis 2050 erfordert auch klimaneutrale Gase
Hinzu kommt, dass eine vollständige Elektrifiternativloszierung von Wirtschaft und Gesellschaft nicht realistisch ist. Für eine Klimaneutralität der EU bis 2050 wird es daher wesentlich sein, dass das Rückgrat an konventioneller Kraftwerkskapazität, die auch dann noch erforderlich sein wird, mit klimaneutralen Brennstoffen wie Wasserstoff betrieben wird. Damit Wasserstoff aber in allen Sektoren bis spätestens 2050 genutzt werden kann, muss die Transformation des Gassektors bereits jetzt beginnen. Wir als EnBW sind hier erste Schritte gegangen und bereiten die bestehende Gasinfrastruktur Stück für Stück auf eine „Wasserstoffwelt“ vor. Das Ziel ist das Richtige, aber die Umsetzung will gut geplant und vollzogen werden. Denn voraussichtlich wird sich grüner Wasserstoff durchsetzen. Neben der erforderlichen Infrastruktur braucht es enorme Kapazitäten an Erneuerbaren Energien, die in den meisten EU-Ländern nicht verfügbar sind. Der überwiegende Teil wird daher aus anderen Regionen importiert werden müssen. Die Importwege
fehlen aber aktuell noch, genauso wie ein stabiles, regulatorisches Umfeld. Und eine oft unterschätzte Frage ist, ob die Menschen in den Ländern, in denen der Wasserstoff für die EU produziert werden soll, das überhaupt wollen – ein geopolitisches Thema also, das nicht einfach und vor allem nicht im Alleingang zu lösen sein wird. Mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf bedarf es einer gut durchdachten und auf Partnerschaftlichkeit ausgerichteten Energiediplomatie.

Green Deal gibt Planungssicherheit
Neben vielen Herausforderungen hält der Green Deal aber auch Chancen bereit. Mit seinem klaren politischen Bekenntnis und konkreten Umsetzungsmaßnahmen ermöglicht er generelle Planungssicherheit, die lange gefehlt hat. Spätestens jetzt ist klar: klimafreundlichen Geschäftsmodellen gehört die Zukunft. Die EnBW möchte hier beispielgebend sein: Bis spätestens Ende 2035 werden wir in der Strom- und Wärmeerzeugung sowie im Netzbetrieb kein CO2 mehr ausstoßen. Teilbereiche des Unternehmens erreichen das schon viel früher, so zum Beispiel die Energiedienst und die Gasversorgung Süddeutschland (GVS), die beide bereits seit Anfang 2020 klimaneutral sind, sowie die Netze BW, die 2021 als einer der ersten Verteilnetzbetreiber Klimaneutralität anstrebt. Bis 2030 werden wir unsere Emissionen bereits um die Hälfte reduziert haben.

Einfluss auf sämtliche Investitions- und Portfolioentscheidungen
Mit diesem konkreten Ziel untermauern wir unsere nachhaltige Unternehmensstrategie entlang der drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Entlang dieser Faktoren haben wir seit 2013 unser Geschäftsportfolio komplett umgebaut und wollen uns bis 2025 zu einem innovativen Infrastrukturpartner mit Produkten und Dienstleistungen auch über Energie hinaus weiterentwickeln. Dafür werden wir bis 2025 12 Milliarden Euro investieren und verbinden unser Wachstum untrennbar mit den Kriterien der Nachhaltigkeit. Gemessen an der Branche sind unsere Ziele ambitioniert, aber aus unserer Sicht machbar. 2035 ist eine durchdachte und auf einem klar definierten Pfad basierende Lösung.

Know-How gewinnen durch Pilotprojekte
Grundlage hierfür ist es unter anderem, die Chancen neuer Technologien zu nutzen. Klimaneutrale Mobilität etwa ist möglich und das erklärte Ziel der EnBW. In Deutschland ist die Power-to-Gas-(PtG)-Technologie hierfür eine Schlüsseltechnologie und Voraussetzung für die Sektorkopplung. Deshalb realisieren wir bereits Pilotprojekte zur Gewinnung von Know-how im Bau und Betrieb von Power-to-Gas-Anlagen und nehmen am Förderprogramm „Reallabore der Energiewende“ des Bundeswirtschaftsministeriums teil.

Kooperationsmöglichkeiten nutzen
Daraus ergibt sich eine weitere Chance: Kooperationen und Projektpartnerschaften zu bilden, um effizienter Erkenntnisse und schneller die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Die EnBW ist insbesondere in den Bereichen Wind-Offshore und Wasserstoff offen dafür. Gemeinsam lassen sich große Herausforderungen schlicht besser meistern als allein. Ich fasse zusammen: Der Green Deal ist ein Signal in die richtige Richtung und umsetzbar. Die Ziele erfordern aber gemeinsame Anstrengungen, sowohl seitens der Wirtschaft als auch der Politik und nicht zuletzt der Gesellschaft. Die Politik muss entsprechende Rahmenbedingungen schaffen und jetzt zügig die nächsten Schritte gehen jenseits einer bloßen Zieldiskussion. Es braucht insbesondere geeignete und ineinandergreifende Instrumente für alle Sektoren, um die Chancen des Green Deals nutzen zu können.

 

Der Green Deal ist ein Signal in die richtige Richtung und umsetzbar.

 

Dr. Frank MastiauxDr. Frank Mastiaux
Vorstandsvorsitzender
EnBW Energie Baden-Württemberg AG

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