Green Deal und die Auswirkungen auf die Wirtschaft

Green Deal und die Auswirkungen auf die Wirtschaft

von Rainer Baake

Im Mittelpunkt des europäischen Green Deal steht der Klimaschutz mit dem Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2050 und einem angehobenen Zwischenziel für 2030. Europa wird den Rahmen abstecken. Die Umsetzung wird den Mitgliedstaaten obliegen. Bundesregierung und Bundestag haben im Jahr 2019 beschlossen, dass Deutschland bis 2050 klimaneutral werden soll. Aber die Regierung hat bislang keinen Plan vorgelegt, wie sie gedenkt, dieses Ziel zu erreichen.

Der Primärenergieverbrauch Deutschlands besteht derzeit noch zu 80% aus Erdöl, Kohle und Erdgas. Alle fossilen Energieträger binnen drei Jahrzehnten durch Effizienz und erneuerbare Energie zu ersetzen, ist eine sowohl anspruchsvolle als auch spannende Aufgabe. Bei der Umsetzung sind aus meiner Sicht vier Grundsätze zu beachten. Der erste lautet: Fehlinvestitionen in fossile Technologien sind zu vermeiden!

Der zweite Grundsatz lautet „Efficiency First“! Wir brauchen eine Effizienzrevolution, weil wir den heutigen Primärenergieverbrauch von 13.000 Petajoule nicht vollständig durch erneuerbare Energien werden ersetzen können.

Es ist günstiger Strom direkt zu nutzen
Gleichwohl werden wir die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien massiv ausbauen müssen, um eine weitgehende Elektrifizierung der Sektoren Industrie, Verkehr und Gebäude zu ermöglichen. Das ist der dritte Grundsatz. Es ist immer günstiger, Strom direkt zu nutzen, als ihn erst in Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe umzuwandeln, um damit Auto zu fahren oder Heizungen zu befeuern.

Wasserstoff oder daraus hergestellte Brennstoffe werden wir nur in den Bereichen einsetzen, wo wir keine Alternative haben. Das ist Grundsatz Nummer vier, also zum Beispiel als Ersatz für Erdgas in Kraftwerken für Zeiten mit wenig Wind und Sonnen. Natürlich auch im Flugverkehr. Ganz sicher schon in näherer Zukunft in der Stahlproduktion und in anderen Industriezweigen. Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende und Agora Verkehrswende haben vor kurzem eine Studie veröffentlicht, die einen Pfad aufzeigt, wie Deutschland in drei Schritten bis 2050 klimaneutral werden kann. Den wissenschaftlichen Instituten, die die Studie erarbeitet haben, wurden drei Vorgaben gemacht. Der Pfad sollte technisch umsetzbar, in sich konsistent und wirtschaftlich optimiert sein. Herausgekommen ist ein Vorschlag, der aufzeigt, wie Deutschland mit einer vorausschauenden Politik im Zuge von normalen Investitionszyklen in drei Schritten klimaneutral werden kann. Ein erster Schritt sorgt dafür, dass die Emissionen bis 2030 um 65 Prozent gemindert werden. Der zweite Schritt nach 2030 besteht aus dem vollständigen Umstieg auf klimaneutrale Technologien, so dass die Emissionen um 95 Prozent sinken. In einem dritten Schritt werden nicht vermeidbare  Restemissionen, vor allem aus der Landwirtschaft, durch CO2-Abscheidung und -Ablagerung ausgeglichen.

Das bisherige Klimaziel für 2030 in Höhe von minus 55% im Vergleich zu 1990 liegt nicht auf dem Pfad zur Klimaneutralität bis 2050, daher die Anhebung um 10 Prozentpunkte. Minus 65% Treibhausgasemissionen wird vermutlich auch der Anteil der Bundesrepublik an einem verschärften EU-Ziel sein. Um dieses Ziel zu erreichen, sind nach den Ergebnissen der Studie sechs Maßnahmen von entscheidender Bedeutung. Ein vollständiger Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030, ein Ausbau der erneuerbaren Energien auf 70% der Stromnachfrage, 14 Millionen Elektroautos, der Ersatz von fossilen Heizungen durch 6 Millionen Wärmepumpen, eine Erhöhung der Sanierungsrate um 50% sowie die Nutzung von 60 TWh sauberen Wasserstoffs. Ich würde nie behaupten wollen, dass dieser Weg alternativlos ist. Aber wer vorschlägt, dass der Umbau in einem Sektor langsamer erfolgen soll, muss sagen, in welchen Sektoren er noch mehr beschleunigen möchte.

Im Mittelpunkt stehen Wind und Sonne
Je weiter wir auf dem Weg zur Klimaneutralität vorankommen, um so mehr werden Wind- und Sonnenenergie zur Hauptenergiequelle unserer Volkswirtschaft. Der Strombedarf wird sich bis 2050 um mehr als 60% erhöhen. Gleichzeitig halbiert sich der Primärenergieverbrauch, vor allem weil die vielen Umwandlungsverluste beim Einsatz von fossilen Brennstoffen entfallen.

Es gibt nicht wenige Interessenvertreter, die würden gerne die alten Verbrenner-Technologien auch in Zukunft nutzen und nur den Brennstoff austauschen. An die Politik richten sie die Forderung nach „Technologieoffenheit“. Selbstverständlich sollte Politik technologieoffene Standards setzen. Wer allerdings gleichzeitig von der Politik Subventionen einfordert, der muss sich gefallen lassen, dass die Frage nach der Effizienz von Technologiealternativen gestellt wird. Ein batteriebetriebenes Elektroauto wandelt 100% Strom aus erneuerbaren Energien in 70% Bewegungsenergie um. Ein Auto mit Verbrennungsmotor, das mit synthetischen Kraftstoffen betrieben wird, ist wesentlich ineffizienter. Aus 100% Strom, mit dem erst Wasserstoff und dann Flüssigkraftstoff hergestellt wird, der anschließend im Motor verbrennt, resultieren am Ende nur 13% Bewegungsenergie. Dieser Weg erfordert also fünfmal so viele Windräder oder Solaranlagen. Ähnlich verhält es sich im Raumwärmebereich. Eine Wärmepumpe wandelt 1 kWh Strom in 3 kWh Wärme um. Bei mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellenheizungen oder Gasbrennwertkesseln, die mit aus Wasserstoff hergestelltem Methan betrieben werden, kommen von 100% Strom nur 50% als Wärme an. Das kostet. Solange die Beteiligten die Kosten eigenverantwortlich tragen wollen, spricht weder bei Autos noch bei Heizungen etwas dagegen. Hauptsache die Technologie verursacht keine Treibhausgase. Wer aber von der Politik Subventionen einfordert, der wird sich der Frage nach der Effizienz und den Kosten der jeweiligen Technologie nicht entziehen können.

Ohne Wasserstoff geht es nicht
Es trifft zu, dass andere Weltregionen mit mehr Wind und Sonne, voraussichtlich grünen Wasserstoff werden preisgünstiger produzieren können. Aber der Schiffstransport von Wasserstoff erfordert eine Verflüssigung. Dazu muss das Gas bei hohem atmosphärischem Druck auf etwa minus 250 Grad gekühlt werden. Dadurch geht viel Energie verloren und wird der Transport teurer als die Herstellung.

Ich will nicht missverstanden werden. Klimaneutralität wird nicht ohne Wasserstoff gelingen und am Ende werden wir auch auf Importe aus Ländern außerhalb Europas nicht gänzlich verzichten können. Aber es ist der teure Champagner der Energiewende. Die Vorstellung, dass klimaneutraler Wasserstoff und aus ihm hergestellte Brennstoffe auf einem globalen Markt reichlich und kostengünstig zur Verfügung stehen werden, ist abenteuerlich. Wir werden ihn als Speichermedium und Rohstoff dort einsetzen, wo es keine vernünftigen Alternativen gibt.

Klimaneutralität ist machbar. Mit einem großen Investitions- und Zukunftsprogramm lässt sich der Treibhausgasausstoß Deutschlands in 30 Jahren auf null reduzieren. Entscheidend werden die nächsten 10 Jahre sein. Bis 2030 wird sich zeigen, ob Klimaneutralität im Jahr 2050 eine realistische Option wird.

 

Wir brauchen eine Effizienzrevolution, weil wir den heutigen Primärenergieverbrauch nicht vollständig durch erneuerbare Energien ersetzen können.

 

Rainer BaakeRainer Baake
Direktor
Stiftung Klimaneutralität

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